Tichys Einblick
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»Feind der Demokratie« – das neue Schimpfwort gegen Kritiker?

Für manche Politiker könnte gelten: Widersprich ihnen nicht, warte einfach, bis sie es selbst tun! – Wenn aber Politiker, die z.B. Zensur möglich machen, ANDEREN vorwerfen, »Feinde der Demokratie« zu sein, dann ist es schon extra schräg …

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Es gibt ja solche und solche Leute, und wir alle kennen den ein oder anderen Leut, für welchen gilt: »Widersprich ihm nicht! Warte einfach, bis er es selbst tut!« – Es stellt sich allerdings die Frage: Soll man dem, der über seine Lügen und Widersprüche zu fallen droht, helfen – und wenn ja: Wie?

Neues Böswort

Noch vor Kurzem beschimpfte man Opposition und Abweichler als Populisten, dann als Rechte, dann verharmloste man en passant das Dritte Reich, indem man konsequente Demokraten als Nazis verunglimpfte, und heute, wo selbst jener schreckliche Begriff »Nazi« wie alter Kaugummi ausgekaut und stumpf ist, heute muss es schon »Feind der Demokratie« sein. (Wie sie laut »Feinde der Demokratie« riefen und jubelten – siehe z. B. haz.de – und damit das Ergebnis einer Beoabachtung, welche erst noch der Prüfung folgen könnte, vorwegnahmen, als der Verfassungschutz die AfD »ins Visier nahm«!)

Ob der Bestsellerautor bei der FDP-nahen Stiftung, der »nicht nur die Rechtspopulisten« als »Feinde der Demokratie« ausmacht (freiheit.org, 15.11.2018), die Grünen, bei denen mancher, z. B. Cem Oezdemir (Die ZEIT, 1/2019), die AfD für eben solche hält. Auch Steinmeier, aktuell als Bundespräsident in Lohn und Schloss, betätigt dieselbe schrille und exakt vernommene Hundepfeife, wenn er vor »neuem Nationalismus« warnt und auch heute »Feinde der Demokratie« ausmacht; die »Demokratie muss sich immer und überall behaupten«, sagt er. Gegen wen wohl? – »Vorwärts«, das Kampfblatt der SPD-Abenddämmerung, schreibt entsprechend begeistert:

Er nennt die AfD nicht beim Namen, aber jeder im Publikum dürfte ahnen, wer gemeint ist … (vorwaerts.de, 11.2.2019).

Kurze Geschichte der Bösworte

Im Text »Wenn sie dich nicht »rechts« nennen, was machst du falsch?« habe ich die Dysphemismus-Mühle beschrieben: Man versucht immer wieder neue schlimme Worte für den politischen Gegner zu finden – doch diese Worte ziehen nicht, da sie nicht das eigentliche Wesen des Gegners treffen, also erfindet man immer neue, immer drastischere Schimpfworte – als Kollateralschaden bleibt eine Desensibilisierung der Bürger gegenüber ausgekauten Begriffen.

Man nannte die Opposition »Populisten«, doch es musste sich aus mehreren Gründen abnutzen: Viele angeblich »populistischen« Positionen sind harmloser als manches, was die CDU und sogar Merkel selbst noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt vertrat.

Man wollte »Rechts« zum Schimpfwort machen, Peinlichpolitiker Maas veröffentlichte sogar eine ruhmreiche »Strategie gegen Rechts«, doch der Bürger spürt, dass es eben doch einer Gegenposition zu Suizidalismus und postnationalem Globalismus bedarf. Man hat es mit »Nazi« für jeden Abweichler versucht, und die ganz harten Knochen beim Staatsfunk experimentieren mit Worten wie »Rechtsradikale« für Abweichler.

Brot bleibt Brot

Wie nannte man vor hundert Jahren das Brot? Man nannte es Brot, man nennt es heute Brot. Es gibt keinen Fehler in der Verbindung von Brot und »Brot«, also ist der Begriff stabil. (In hundert Jahren wird man es womöglich 面包 nennen oder خبز, aber das ist ein anderes Thema.)

Wenn für dieselbe Sache immer wieder neue Worte gesucht werden, können wir davon ausgehen, dass man eine Lüge zu etablieren versucht, und immer dann, wenn die Lüge transparent wird, muss man eben eine neue erfinden, eine ewige Mühle der verlogenen Beschimpfungen.

Populist, Rechter, Rechtsextremer, Nazi – die Anwendung dieser Begriffe auf Bürger, die einfach nur auf die Durchsetzung von Recht und Ordnung bestehen, diese Verleumdungen treffen nicht, sonst müsste man sie nicht immer neu steigern; aktuell hat man ein neues Kampfwort für Abweichler, und im modernen Ungeist orwellscher Umkehrung schießt man verzweifelt die letzte Patrone ab: Werfe deinem Gegner vor, dem zu schaden, wofür er kämpft (wenn Sie Talking Points gelesen haben, verstehen Sie die besondere Perfidie!) – wer die Herrschaft des Volkes statt der NGOs und Globalisten, den Schutz der Grenzen statt Rechtsdurchsetzung nach Stimmungslage möchte, wer Demokratie und Rechtsstaat fordert, der soll nun ein »Feind der Demokratie« sein – Krieg ist Frieden, Unwissenheit ist Stärke, Demokraten sind Feinde der Demokratie.

Gegentest

Im Text »Das sollen die Guten sein?! – Teil 2: Weniger Demokratie wagen« und diversen weiteren Texten habe ich 2017 reichlich Beispiele gelistet, wie Politiker – nicht nur, aber besonders der SPD – gegen demokratische Werte verstoßen, von TeamGinaLisa bis NetzDG, alles vorgeblich im Kampf für das Gute.

Erlauben Sie mir ein aktuelles Beispiel für das Fremdeln der politischen Eliten mit Verfassung und Demokratie hinzuzufügen.

Es heißt ja bekanntlich, und wenn es das nicht tut, dann sollte es heißen: Stegnermund tut Wahrheit kund!

Anfang Februar verkündete ein bekannter SPD-Vizechef:

(…) Auch heute gilt es wieder, für Freiheit und Frieden, für Europa und gegen Nationalisten und Demokratiefeinde zu kämpfen! (@Ralf_Stegner, 6.2.2019; archiviert)

Sozialdemokraten muss man tatsächlich nicht widersprechen, man muss sich einfach zurücklehnen, und warten, bis sie es selbst tun.

Am Valentinstag dann verlautbarte derselbe Herr:

Vor 30 Jahren führte die Nord SPD das kommunale Wahlrecht für Ausländer ein. Wenn auch zwischenzeitlich von Karlsruhe gestoppt, war das ein großartiger Durchbruch für bessere Integration und Bürgerrechte. Dieser Weg muss noch vollendet werden! (@Ralf_Stegner, 14.2.2019, archiviert)

Mit anderen Worten: Die »Nord SPD« hat versucht, etwas durchzusetzen, was gegen die Verfassung verstieß. Es hat nicht geklappt, gegen die Verfassung zu verstoßen, also will man es noch mal versuchen. – »Dieser Weg muss vollendet werden!« – was für ein gruseliges Vokabular.

Der damalige Versuch der Nord-SPD, gegen die Verfassung zu verstoßen, wurde vom Verfassungsgericht unter Bezug auf Grundgesetz-Artikel 28, Absatz 1 gestoppt (siehe unibe.ch). – Ein Freund der Demokratie würde in sich gehen, und überlegen, wie man in Zukunft vermeiden kann, Regeln auf den Weg zu bringen, die gegen das Grundgesetz verstoßen – der SPD-Recke tut das Gegenteil, und zwar laut und mit Ansage.

Begreift Stegner selbst, was er hier sagt? Ich weiß es nicht, und es ist mir an diesem Punkt egal. Die entscheidende Frage: Wo bleibt der Widerspruch seiner Kollegen? Schweigen – es ist kein Versuch, gegen die Verfassung zu verstoßen, wenn »die Guten« es tun. (Die Kollegen sind damit beschäftigt, das Recht auf freie Wahl auszuhebeln mit einer »feministischen Wahlrechtsreform«, fr.de, 3.2.2019.)

Die Demokratie bin ich?

Das Demokratie-Verständnis manches Politikers lässt sich heute zusammenfassen mit zwei Zitaten, die beide wahrscheinlich nur zugeschrieben sind, das eine ist »L’Etat, c’est moi« (Der Staat bin ich), das andere ist »Wirf deinem Gegner das vor, dessen du selbst schuldig bist« (ich erspare mir die Namen der angeblichen Urheber, es sind beides keine Demokraten).

Das Reden manches Politikers ergibt erst dann wirklich Sinn, wenn man seine Verwendung des Begriffs »Demokratie« durch »die Macht meiner Partei« ersetzt.

Wer Recht nach Gutdünken außer Kraft setzt, wer mit Antifa-Schlägern flirtet, Geld für Propaganda und Ex-Stasi-Mitarbeiter ausgibt, wer Zensur-Mechanismen via Gesetz forciert, wer gegen die Verfassung das freie Wahlrecht aushebeln und Parlamentarier nach Geschlechtsorgan bestimmen will, wer zulässt, dass von Brüssel aus potenzielle Zensurmechanismen beschlossen werden (Thema »Artikel 13«, siehe netzpolitik.org, 13.2.2019), der sollte in Sachen freiheitliche Demokratie und Rechtsstaat eher leise auftreten.

»Die Demokratie bin ich«, sagt der Politiker von heute, und wer sich ihm entgegenstellt und Politik zum Wohl des Volkes fordert, der ist in dieser Logik eben ein »Feind der Demokratie« – das neue Motto: »wirf deinem Gegner das vor, dessen du selbst schuldig bist«; was für eine Perfidie.

Nein!

Wir können uns entspannt zurücklehnen, und sagen: Widersprich Politikern nicht; lehne dich einfach zurück, und warte bis sie es selbst tun.

Hmm.

Nein.

Sorry, definitiv nein.

Nein, ich will mich nicht entspannt zurücklehnen. Ich will nicht abwarten. Ich will denen laut widersprechen, bevor sie sich selbst widersprechen, und wenn sie sich selbst widersprechen, dann zeichne ich gern in dicken Linien nach, wie sie sich widersprechen.

Erst dann, erst wenn der Widerspruch offengelegt und der Lügner blamiert ist, und wenn hinter der bröckelnden Fassade ihres Bullshits eine Ecke der Wahrheit nach der anderen durchscheint, erst dann wollen wir uns für einen Augenblick zurücklehnen, aber auch das nur, um neue Energie zu sammeln.

Es gibt ja solche und solche Leute, und wenn ich es bedenke, dann wäre ich auf jeden Fall gern ein Leut, der den Lügnern, die über ihre Lügen zu stolpern drohen, dabei bereitwillig hilft – mit einem freundlichen und frühzeitigen Schubser – und auch den natürlich nur im übertragenen Sinn, in Worten und mit Argumenten – wir sind hier ja nicht bei der Antifa.


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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