Tichys Einblick
Das Haushalts-Cannae:

Krach in der Regierung ist eigentlich immer

Trotz Rekordeinnahmen kommt die Regierung mit dem Geld nicht aus. Die Grünen würden am liebsten die Schuldenbremse abschaffen, die FDP wehrt sich (noch). Auch SPD und CDU liebäugeln mit einem „kreativen“ Umgang mit der Schuldenbremse. Am Ende steht ein Kompromiss gegen die Bürger.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die Ampel-Regierung funktioniert nach dem Betriebssystem, dass die Liberalen den Streit anfangen und am Ende gemacht wird, was die Grünen wollen. Das würde übrigens auch unter einer unionsgeführten Bundesregierung nicht anders aussehen, es wird immer so sein: Solange die Grünen in der Regierung sind, regieren sie. Dass die FDP den Streit anfangen muss, am liebsten von Wolfgang Kubicki angezettelt, liegt daran, dass sie auf irgendeine Art zu zeigen hat, dass sie noch in der Regierung ist, sie muss etwas sagen, um die Illusion zu verbreiten, dass sie irgendetwas in dieser Regierung zu sagen hat. Und natürlich muss sie die Stimme erheben, um zumindest hörbar zu machen, dass sie die Stimme der Vernunft sei – doch die Stimme der Vernunft ist leise, die der FDP allerdings laut, weil ihr Handeln eben nur Schall und Rauch ist. Die Farce, die in Berlin gespielt wird, überrascht niemanden. Jeder wusste, wie die Ampel funktionieren wird, dass FDP und Grüne auch dann nicht zusammenkommen, wenn die FDP sich nicht ganz aufgibt in den Fragen der Wirtschaft, der Steuer und des Haushalts.

Auf welch verlorenen Posten Christian Lindner steht, zeigt sich allein daran, dass er in der Bundestagsdebatte über den Haushalt im September 2023 sagte: „Hinter der Horizontlinie – für uns noch nicht sichtbar – kommt ein Eisberg, um nicht zu sagen ein Eisbergfeld.“ Er fügte dem die banale Erkenntnis hinzu: „Wir müssen jetzt den Kurs ändern; denn der Eisberg wird seinen Kurs nicht ändern.“ Doch Lindner kann den Kurs nicht ändern, er kommentiert das Geschehen, als sei er nicht Teil der Regierung, sondern Teil der Opposition – was für eine Groteske.

Der Wirtschaftsrat bringt es auf den Punkt: „Die FDP erkennt völlig richtig: Im Bundeshaushalt gibt es kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem, denn der Bund plant ohnehin mit fast 100 Milliarden Euro bzw. über einem Viertel mehr Geld als noch 2019.“ Die Wahrheit lautet: Trotz Rekordeinnahmen auch durch das Sprudeln der Mehrwertsteuer und der Energiesteuern dank der Preisexplosion in allen Bereichen kommt die Regierung mit dem Geld nicht aus, weil sie Milliarden im Ausland verschleudert, weil sie über milliardenschwere Subventionen die Folgen ihrer Deindustrialisierungspolitik, der klimaneutralen Transformation in eine wirtschaftsneutrale Gesellschaft zumindest abbremsen will, in der Hoffnung: kommt Zeit, kommt Paradies, weil sie zum Machterhalt Posten in der Bürokratie für ihre Anhänger schafft und zahllose NGOs als politische Einflussagenten in ihrem Sinne, was man den tiefen NGO-Staat nennen kann, und schließlich die Turbomigration in die Sozialsysteme finanziert.

Der Chef des Bundesrechnungshofes Kay Scheller rechnet der Regierung vor, dass sich von 2013 bis 2023 die Verschuldung des Bundes um über eine halbe Billion erhöhte, um über 500 Milliarden Euro. Zum Vergleich geht Bundesfinanzminister Christian Lindner von einem Haushalt in der Höhe von 425 Milliarden Euro aus. Doch die Verschuldung des Bundes stieg bis zum Ende 2025 über 1,6 Billionen Euro, das sind fast 4 Haushalte. Im Jahr 2023 betrug die Zinslast des Bundes 37,7 Milliarden Euro. Bedenkt man, dass im Jahr 2024 eine Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro geplant ist und die voraussichtliche Zinslast 37,4 Milliarden Euro beträgt, dann werden die aufgenommenen Kredite im Grunde von der Zinslast aufgefressen. Im Haushalt 2023 musste der Finanzminister 17 Milliarden Euro einsparen, doch 2024 werden das sogar 25 Milliarden Euro sein, die einzusparen sind. Im Jahr 2023 konnte Lindner auf 10,7 Milliarden Euro sogenannter Rücklagen zurückgreifen, die ihm nun nicht mehr zur Verfügung stehen, weshalb er in Wahrheit 2023 den Haushalt nur um 6,3 Milliarden Euro reduzieren musste.

Nun machte Lindner seinen Ministerkollegen Sparvorgaben für den Haushalt 2025, die sie aber nicht interessieren. Warum sollte Svenja Schulze auch den Peruanern erklären, dass die Radwege nicht gebaut werden, weil die Deutschen nicht für Peru die Schuldenbremse aussetzen wollen? Schulze hat im Gegenteil gefordert, dass ihr Budget noch erhöht wird. Wie sagte die Ministerin doch: „Wir können uns aus dieser Verantwortung nicht zurückziehen, wenn uns die Sicherheit in Deutschland wichtig ist. Und die ist uns wichtig, und deswegen gehört die Entwicklungspolitik ganz zentral mit dazu.“ Gefährlich ist es also für Deutschland, wenn die Radwege in Peru nicht gebaut werden, weil dann Millionen peruanischer Radfahrer auf deutsche Fahrradwege drängen.

Kay Scheller zeigte in seiner Stellungnahme zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2025 und der Finanzplanung bis 2028, dass im Jahr 2023 63,1 Milliarden Euro an Schulden aufgenommen worden sind, das sind 35,7 Milliarden Euro mehr als die Schuldenregel des Grundgesetzes erlaubt. Im Jahr 2024 sollen laut Kay Scheller nun 81,7 Milliarden neuer Schulden gemacht werden, 42,7 Milliarden über dem Limit, die die Schuldenregel gestattet. Kay Scheller weist mit Recht darauf hin, „dass schwierige Priorisierungskonflikte im Bundeshaushalt … durch zusätzliche Verschuldung nicht gelöst“, sondern nur auf die Zukunft verschoben werden.

Doch weder Lisa Paus ist bereit, an der Kindergrundsicherung etwas zu ändern, noch die Finanzierung der zahllosen NGOs zu kürzen, sondern verlangt eine Budgeterhöhung, auch Annalena Baerbock benötigt mehr Geld für Gaza, letztlich also für die Hamas, und für die Ukraine, schließlich möchte sie „egal, was meine deutschen Wähler denken,…für die ukrainische Bevölkerung liefern.“

Doch auch mit den Kürzungen wird man nicht hinkommen, denn die Wirtschaftsleistung geht zurück und die Energiepreise steigen, zwar nicht für den Bürger sichtbar, aber um zu tricksen, zu tarnen und zu täuschen, wurde ja die Subvention über die EEG-Umlage von den Stromrechnungen der Bürger genommen und ins allgemeine Steueraufkommen verlegt, wo es nicht auffällt, aber dennoch das Geld der Bürger kostet. Roland Tichy hat gerade darüber geschrieben, dass „der Vorteil niedriger Preise für den Verbraucher zum Nachteil für den Steuerzahler wird; es ist also das Spiel der Umverteilung von der linken Tasche in die rechte: Was links nicht bezahlt wird, kommt von rechts, und der Gewinner ist die Lobby der erneuerbaren Abzocke.“ Hatte der Staat mit einer Einspeisevergütung für die Betreiber von 12 Milliarden Euro gerechnet, so wird er nun wohl von 20 Milliarden Euro ausgehen dürfen. Alles steuerfinanziert.

In dieser Situation schlägt die FDP Alarm, denn die Staatsausgaben laufen aus dem Ruder, bei der Migration, vor allem bei den Sozialausgaben, bei Rente und Bürgergeld und natürlich, was die FDP nicht thematisiert bei Habecks Subventionsmonopoly und die Folgen der Deindustrialisierungspolitik des Wirtschaftsministers. Doch Habeck will noch mehr Geld ausgeben, denn die Logik der Habeckschen Ökonomie besteht nicht darin, dass die Industrie etwas erwirtschaftet, sondern darin, dass die Industrie Subventionen, also Steuergeld und Kredite, verwirtschaftet durch nicht konkurrenzfähige Produkte.

Wie realitätsfern, wie wenig die Grünen als Kinder eines übersatten juste milieus von Wirtschaft verstehen und vom Haushalten, stellt gerade wieder der Fraktionsvize der Grünen, Konstantin von Notz, unter Beweis, wenn er im „Tagesspiegel“ die Forderung der FDP nach Einhaltung der Schuldenbremse 2025 mit den Worten kritisiert: „In Zeiten, in denen unsere Freiheit von einem aggressiven Russland und Extremisten aller Couleur so unter Druck gesetzt wird wie derzeit, muss man Gewissheiten auf den Prüfstand stellen – auch die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form.“ Was hat eigentlich der Druck auf die Freiheit, was hat, wenn es denn überhaupt so wäre, die Politik Russlands oder von „Extremisten aller Couleur“, also alle Nicht-Grünen und Nicht-Roten, mit Habecks verfehlter Wirtschaftspolitik zu tun, was damit, dass grüner Stahl auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig ist? Nicht Putin macht die Stahlpreise auf dem Weltmarkt, und auch Björn Höcke nicht, obwohl das Konstantin von Notz glauben mag.

Man kann es auch zutiefst asozial nennen, dass unsere Kinder für die grünen Phantastereien als Schuldsklaven herhalten müssen. Aber die grüne Misswirtschaft wird uns alle treffen, die Rentner, bei denen wieder gekürzt werden soll, diejenigen, die im Berufsleben stehen, die immer höhere Sozialabgaben erbringen sollen, die Kinder, auf die eine ungeheure Schuldenlast gewälzt wird. Diese Regierung handelt verantwortungslos.

In einem Beschlussentwurf für das Partei-Präsidium warnen deshalb die Liberalen vor „bedrohlichen Belastungen“ durch die Ausweitung des Sozialsystems. Man sollte unterlassen, den Staatshaushalt mit Ausgaben für Soziales zu überlasten, auch um „das Vertrauen in den Standort Deutschland nicht weiter zu erschüttern“. Ein solches Vorgehen habe Länder schon in den Staatsbankrott getrieben. Deshalb fordert die FDP zurecht, nicht an der Schuldenbremse herumzuschrauben.

Die Nachhaltigkeitslücke in den Sozialsystemen beträgt heute schon 17,6 Billionen Euro, das sind 447,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BiP). Gleichzeitig wird bis 2028 Habecks Deindustrialisierung vorangerast sein und zu Steuerausfällen, Arbeitslosigkeit und im Gegenzug zu immer höheren Subventionen führen. Habecks Wirtschaftspolitik läuft auf eine reine Subventionswirtschaft hinaus. Doch das thematisiert die FDP nicht, lieber denkt sie an Kürzungen bei der Rente nach, doch das Hauptproblem liegt in der Turbomigration in die Sozialsysteme und in Habecks Deindustrialisierung.

Die Grünen fordern indes, die SPD und einige CDU-Vorständler liebäugeln damit, „kreativ“ mit der Schuldenbremse umzugehen, also sie zu umgehen. Wer das aber macht, opfert das Land seiner Ideologie oder seiner politischen Absicherung. Das darf man mit Blick auf das Jahr 2028 fast schon kriminell nennen. Kay Scheller fasst die Belastungen, die auf uns zukommen und die Lindner als Eisberg bezeichnet hat, so zusammen:

„Das Jahr 2028 wird ein Schlüsseljahr für die Bundesfinanzen sein. In diesem Jahr

Ab dem Jahr 2031 kommt nach dem Beschluss des Deutschen Bundestags dann noch die Tilgung der zur Finanzierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Energiekrise aufgenommenen Kredite in Höhe von jährlich rund 1,7 Mrd. Euro hinzu.“

Die Regierung wird sich über den Krach nicht entzweien, es ist ihr Dauerzustand, sie wird wie immer einen Kompromiss auf Kosten der Bürger aushandeln: Die Schuldenbremse wird nicht angerührt, sie wirkt dann nur nicht mehr.

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