Langerfahrene Politik-Journalisten kamen bei Betrachtung der FDP-Delegierten auf dem Parteitag am Wochenende aus dem Staunen nicht mehr hinaus. So meinte einer der schon in frühen 80-Jahren dabei war und die Gründungsparteitage der Grünen miterlebt hatte: So junge Delegierte wie hier bei den Liberalen habe ich nur damals erlebt. Damals! Als die Grünen noch grün waren. Heute dominieren auf Grünen-Parteitagen in Ehren ergraute Birkenstock-Sandalen-Träger. Bei der SPD sind es altgediente Doppel-Namen-Funktionäre; und Horst Seehofer von der CSU ist kein Beispiel für den reibungslosen Übergang in der Parteispitze.
Und in der Tat waren die Grauschöpfe unter den Delegierten, die ansonsten bei allen Parteien die Mehrzahl des Parteivolks ausmachen, die singulären Ausnahmen. Ja, es gibt sie noch. Aber auch die Spitze der Partei ist juvenil; nicht nur der Parteichef selber (36). Es ist aber nicht nur das Alter – es ist mehr noch der Auftritt. Neu an der Spitze die Hamburger Spitzen-Kandidatin Katja Suding (39). Die Spitzenkandidatin der FDP bei der Bremer Bürgerschaftswahl, die 29 Jahre alte Unternehmerin Lencke Steiner, ist nur eine Woche nach ihrem Wahlerfolg und Eintritt in die Partei in den Bundesvorstand der FDP gewählt worden.
Profilbestimmend mit der Bremer Wahlsiegerin Lencke Steiner und Generalsekretärin Nicola Beer ist ein Frauentyp, bei dem andere Parteien drei Kreuze schlagen würden. Das soll auch im Süden helfen. Die 39-jährige Stuttgarterin Judith Skudelny ist Anwältin für Insolvenzrecht und soll der FDP den nächsten wichtigen Wahlerfolg organisieren – 2016 in Baden-Württemberg. 2009 zog sie für die FDP in den Bundestag ein, mit ihrer drei Monate alten Tochter im Tragetuch. In Berlin fühlte sie sich nicht wohl, sie beklagte Alkoholeskapaden und Selbstbeweihräucherung der Abgeordneten. Nun soll sie als Generalsekretärin den wichtigen Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg verantworten.
Andere Länder haben Erfinder – wir haben Andrea Nahles
Die Großstadtpartei, die die CDU so gerne sein möchte – plötzlich ist sie da in Gestalt der FDP. Personen sind eben doch Programm. „Die Freien Demokraten profitierten auch von der Schwäche der CDU. Seit Jahren ringt die Union mit ihren Ergebnissen in den Großstädten. Sie setzte Arbeitsgruppen ein, sie veröffentlichte Papiere, sie schuf den Posten eines Großstadtbeauftragten – alles vergeblich“, schreibt dazu Die WELT. , Großstadtpartei FDP: ohne wie die Union nach links zu rutschen.
Da hat der wiedergewählte Parteichef Christian Lindner zumindest mit seiner These der Parteierneuerung Recht: Die radikale Verjüngung ist ihm gelungen – das können ihm nicht mal die missgünstigsten Kritiker in den anderen Parteien vorhalten …
Beim Bundesparteitag der FDP in Berlin ging es um Mut statt der „Angststarre“, die die Programmatik der anderen Parteien auszeichnet, so Lindner. Als Gegenentwurf des gängelnden und gängigen Stempels der German Angst entwarf der Parteivorsitzende Christian Linder die Vision eines „German Mut“ – mit Veränderungsbereitschaft angesichts der vielen Herausforderung von Einwanderung bis Überalterung und Digitalisierung. Es ist ein anderes Verhaltensmodell: Räume sollen geöffnet statt reguliert werden. Es ist das Gegenmodell zu einem immer mächtiger sich gerierenden Staat, der seine faktische Ohnmacht hinter hektischer Regulierungsaktivität versteckt.
Im Laufe seiner vehementen und schlagfertigen Rede griff Lindner auf ein Zitat zurück: „Andere Länder haben Erfinder – wir haben Andrea Nahles.“ Der Saal reagiert mit tosendem Beifall. Die Zeile war hier schon zu lesen: Sie stammt von Roland Tichy auf dieser Site. Tatsächlich kann Andrea Nahles als perfektes Gegenmodell gelten: Durchaus wohlmeinend, aber im Ergebnis starr und bürokratisch – ein Zukunftsmodell angesichts des wirtschaftlichen und sozialen Wandels ist das nicht. Inhaltsleer ist damit „German Mut“ nicht – es kann auch die Kampfansage an die flächendeckende, lähmende Sozialdemokratisierung und den grünen Mief im Land sein. Dann passen auch die Personen zum Programm.