Tichys Einblick
Keine liberale Partei

Die FDP ist in der rot-grünen Bundesregierung nur ein Anhängsel

Die Wahl von Ferda Ataman hat gezeigt: Die Ampel ist Rot-Grün mit einem kleinen Anhängsel. Die Hoffnung, liberale Positionen zu vertreten, hat die FDP nicht erfüllt - und scheinen ihre Funktionäre auch nicht erfüllen zu wollen.

IMAGO / Political-Moments

Grüne geben keinen Fehler zu. Niemals. Wenn sie sich wehrlos einer Übermacht von Zahlen, Fakten und Argumenten ausgesetzt sehen, greifen sie zu einer letzten Exit-Strategie, der Behauptung: Es gebe ja wohl wichtigere Themen. In nur sieben Monaten Ampel ist die FDP schon sehr grün geworden. Als die Liberalen die notorische Diskriminiererin Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten wählten, sorgte das für Empörung in den eigenen Reihen: Die einen sorgten sich um den Zusammenhalt der Gesellschaft, andere fürchteten den Hass, der von der Frau ausgeht, die vor ihrer Wahl tausende entsprechender Tweets löschen musste. Andere liberale Anhänger waren einfach sauer, über das erneute Einknicken gegenüber den Grünen. Für sie alle hatte Fraktionsvize Konstantin Kuhle eine Botschaft, die er über die Welt verbreiten ließ: „Es gibt wichtigere Themen als Ferda Ataman“. Schon lange nicht mehr war Macht so arrogant – und noch nie die FDP so grün.

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Auch Parteichef Christian Lindner gab ein eindrucksvolles Statement ab, was ihm wichtig ist: Er selbst stimmt die Bürger auf „fünf Jahre der Knappheit“ ein und mahnt: „In dieser Situation dürfen wir nicht wählerisch sein.“ Doch in die Woche, in der im Bundestag wichtige Entscheidungen zu diesen „Jahren der Knappheit“ anstehen, legt er einen privaten Termin, sodass er bei diesen Debatten selbstverschuldet fehlt. Ignoranter war Politik schon lange nicht mehr. Und taktloser: Vor allen Augen eine Prunkhochzeit zu feiern, sei ihm gegönnt. Aber ausgerechnet in der gleichen Woche Kürzungen für Hartz-IV-Empfänger anzukündigen, ist schon eine Zehn auf der nach oben geschlossenen „Spätrömische Dekadenz“-Skala.

Nun erhält TE in diesen Tagen viele Kommentare. Auch unter diesem Beitrag werden sie sich voraussichtlich finden. Ihr Tenor lautet: Eure Autoren haben sich doch vor der Wahl für die FDP ausgesprochen. Das stimmt. Das haben mehrere getan. Die Gegenfrage drängt sich aber auf: Was waren die Alternativen zu Rot-Rot-Grün, für das die SPD geworben hat? Die CDU, die nach 16 Jahren Merkel-Kanzlerinnenschaft inhaltlich entkernt ist? So entkernt, dass sie weder gegen Ataman noch gegen den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) Gegenkandidaten aufgeboten hat. Oder die AfD, die immer stärker unter den unheilvollen Einfluss von Björn Höcke gerät und die sich in den letzten beiden Jahren mehr mit innerparteilichen Grabenkämpfen beschäftigt hat als mit Inhalten?

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Doch eine Gegenfrage ist keine Position. Es gab Gründe, sich für die FDP auszusprechen. Vor der Wahl: Die FDP hat als Oppositionspartei eine gute Arbeit geleistet. Sie war es, die Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingswelle aufgefordert hat, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren. Die gleiche Position bezog die FDP, als aus vier Wochen Lockdown acht Monate wurden und eine Koalition aus SPD, Grünen, Linken und Merkel-CDU immer weiter an Maßnahmen festhalten wollte. Noch heute sieht diese Koalition es nur als „Bremsklotz“ an, wenn die Liberalen fordern, dass geprüft werden müsse, ob Einschnitte in die Grundrechte überhaupt was gebracht haben in der Pandemiebekämpfung. Diese Koalition dominiert auch die Berichterstattung von ARD, ZDF und weiten Teile anderer Medien. Anders als diese Koalition aus Politisten und Journalitikern hat Lindner erkannt, in welche Ohnmacht Merkel dieses Land führt. Deswegen hat er 2017 für seine Partei beschlossen, dass es besser ist nicht zu regieren, als Merkel weiter im Amt zu halten. Es hätte seine Sternstunde sein können. Doch einen Schöhnheitsfehler hatte Lindners richtige Entscheidung: Er hat sie nicht erklärt.

Diese Begründung unterlassen zu haben, hat Lindner später als Fehler eingeräumt. Doch er und zu viele seine Anhänger haben einen weiteren Fehler begangen: Sie waren bereit, diese Unterlassung als Kommunikationsschwäche einzuordnen. Aber das war es nicht. Es war mehr: nämlich schlicht Feigheit. Lindner hat sich nicht getraut, sich gegen die übergroße Koalition in Medien und Politik zu stellen. Deren Politiker und Journalisten haben seinerzeit noch den Boden geküsst, auf dem die „Führerin der freien Welt“ wandelte. Lindner wusste, was auf ihn zugekommen wäre, wenn er Merkels unheilvolle Politik beim Namen genannt hätte. Letztlich hatte er nicht das Rückgrat, das durchstehen zu können – oder auch nur zu wollen. Und diese Feigheit hätten die Anhänger der FDP tatsächlich bedenken müssen, die ihm die nötigen Stimmen gaben, liberale Stellungen in einer rot-grünen Regierung zu halten. Das war ein Fehler, wie sich spätestens mit der Wahl Atamans gezeigt hat.

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Liberale Erfolge kann die FDP in dieser rot-grünen Regierung bisher kaum verbuchen. Zudem sind sie relativ: Transsexuelle Menschen rechtlich besser zu stellen, ist grundsätzlich eine liberale Position. Doch in der Ausführung verspielt die FDP diesen Erfolg wieder. Wenn Menschen eine Strafe in der Höhe eines Monatslohns droht, weil sie jemanden mit dem falschen Namen ansprechen, dann ist das eher grün als gelb, blau, magenta oder welche Farbe der Saison die FDP gerade trägt. Am höchsten ist aus Sicht liberaler Menschen der Partei anzurechnen, dass sie die allgemeine Impfpflicht verhindert hat. Sie ist dabei zwar nicht den geraden Weg gegangen, auch hat sie sich nicht selbstbewusst zu diesem Erfolg bekannt – doch eben ein solcher ist es.

Im Gegenzug hat die FDP die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit beschlossen. Es war eine der ersten liberalen Opfer für den Eintritt in Rot-Grün. Denn die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist auf verschiedene Weise unfreiheitlich: Sie ist nicht rational. Geimpfte infizieren sich genauso wie Ungeimpfte mit dem Virus – und sie geben den Virus genauso weiter. Das Argument, gefährdete Gruppen schützen zu wollen, greift daher nicht. Zudem führt die Pflicht zu einer Verschärfung der Personalnot in der Pflege. Zumindest würde das passieren, würde das Gesetz konsequent angewendet. Im Oberbergischen Kreis führt zum Beispiel die Impfpflicht nur in einer geringen Zahl der Fälle tatsächlich zu Hausverboten für die Ungeimpften, wie „Oberberg Aktuell“ berichtet. Doch dieser Pragmatismus ist kein Erfolg für die FDP. Im Gegenteil: Recht wird nicht angewandt und wenn es in Einzelfällen doch angewandt wird, werden die Betroffenen vom Staat systematisch ungerecht behandelt. Für eine Rechtsstaatspartei ist das ein unhaltbarer Zustand. Aber die FDP schweigt zu dieser Situation brüllend laut. Der Friede in der Ampel ist den freidemokratischen Funktionären wichtiger als der Rechtsstaat.

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In der Wirtschaftspolitik trägt die FDP die „Transformation“ genannte Umwandlung zu einer Staatswirtschaft mit: Statt Steuersenkungen durchzusetzen oder wenigstens nur zu fordern, befürwortet die FDP eine staatliche Umverteilungspolitik. Trotz Krise nimmt der Staat Bürgern und Unternehmen so viel Steuern wie noch nie ab und verteilt diese dann in Gießkannen-Projekten wie dem Tankrabatt. Diese Politik erstickt Eigeninitiative und fördert die Haltung, vom Staat Wohltaten zu erwarten. Weniger liberal war Wirtschaftspolitik lange nicht gewesen. Das gilt auch für die Enthemmung im Schuldenmachen. Bremsen tut der liberale Finanzminister diese Entwicklung nicht. Aber immerhin benutzt er neuerdings den schönen Begriff „Sondervermögen“ anlegen fürs Schuldenmachen und verspricht, nächstes Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten zu wollen. Ohne auch nur einen Fingerzeig zu geben, wie das konkret funktionieren soll.

In der Innenpolitik sieht es nicht besser aus. Da steht die einrichtungsbezogene Impfpflicht nur als Teil fürs Ganze. Ministerin Nancy Faeser (SPD) hat im Namen des Staates einer politischen Richtung den Kampf erklärt. Zum innenpolitischen Kriegsrecht gehört es, dass sie Kritik an der Regierung in „Delegitimierung des Staates“ umdeutet. Der Inlands-Geheimdienst kann nun verfolgen, wer sich zu oft oder zu negativ gegen die Regierung positioniert. Das einzige, was die FDP im Angesicht dieser totalitären Tendenz tut, ist Hochzeit zu feiern. Es gibt ja wichtigere Themen.

Feige, arrogant und ignorant. Die FDP gibt als Anhängsel von Rot-Grün kein gutes Bild ab. Sie hat kein eigenes Projekt. Sollten die freidemokratischen Funktionäre denken, die woke Wählerschaft werde nun ihnen nachlaufen, werden sie so bitter erwachen wie die Christdemokraten. Zumindest die, die nicht noch immer schlafen. Und selbst wenn die FDP mal ein eigenes Projekt hat wie die verhinderte allgemeine Impfpflicht, dann ist sie nicht selbstbewusst genug, das auch zu feiern. Redet Justizminister Marco Buschmann in Talkshows über Corona, bewirbt er sich um die Weltmeisterschaft im Drumherumreden – mit Sonderpunkten fürs unverständlich bleiben. Die Ergebnisse bei den drei letzten Landtagswahlen sollten der FDP eine Warnung sein: Erfüllungsgehilfe sein, Wahlversprechen brechen, sozial Schwache attackieren und gleichzeitig selbst den eigenen Prunk zelebrieren. Das waren schon 2013 die Zutaten, um aus dem Bundestag zu fliegen.

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