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FDP in der Krise – Die NRW-Connection funktioniert weiter prächtig

Jüngste Wahlniederlagen kurbeln den Jobmotor bei den Freidemokraten wohl an. Schnell noch einen Posten, bevor es zu spät ist, besonders wenn man dem fast alles bestimmenden Netzwerk aus Nordrhein-Westfalen angehört.

Pressekonferenz der FDP am 16.06.2022 zum Ausgang der NRW-Landtagswahl, Christian Lindner, Parteivorsitzender, mit Joachim Stamp, Spitzenkandidat bei der Landtagswahl

IMAGO / Chris Emil Janßen

Die Ampel-Koalition ist ein Murksbetrieb. Vor allem dilettantische und ideologische Grünen-Politiker treiben Deutschland in den Untergang. Doch FDP-Chef Christian Lindner ficht das nicht an. Er will sich mit schädlichen Kompromissen trotz schlechter Wahlergebnisse – Saarland, Schleswig-Holstein, NRW und bald wohl Niedersachsen – bis zur nächsten Bundestagswahl durchwursteln.

Dafür braucht man selbstverständlich willige Paladine, die brav alles mitmachen oder die Klappe halten. Der FDP-Jobmotor dreht sich im Herbst daher wieder flott, bevorzugt aber nur für die Klientel der freidemokratischen NRW-Connection. Die Gerüchteküche in der nordrhein-westfälischen FDP und der Bundestagsfraktion brodelt über Lindner-treue Kandidaten für höhere Bundesweihen.

So ein Typ dafür sei vor allem der gescheiterte Integrationsminister und frühere Lindner-Statthalter in Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp, heißt es in der FDP-Bundestagsfraktion. Von 2017 bis 2022 regierte er als stellvertretender Ministerpräsident das größte Bundesland an Rhein und Ruhr. Doch nach der Ampelbildung in Berlin stürzte Lindners Heimat-FDP bei der NRW-Wahl am 15. Mai von einst 12,6 und mickrige 5,9 Prozent ab. Politikwissenschaftler Stamp fuhr als Spitzenkandidat das fünftschlechteste FDP-Ergebnis seit 1945 ein. Aber treue Knappen wie der 52-jährige Stamp möchte Lindner dennoch belohnen. Im vierten Quartal soll laut Fraktionsgerüchten wieder eine Versorgungswelle anlaufen. Schon zum 1. Juni beförderte die Ampel ausgerechnet Stamps 45-jährige Ehefrau Barbie Haller, die vormalige Gazprom-Treuhänderin zur Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur.

Schließlich gibt es bei den Freidemokraten drei Grundvoraussetzungen, um in der FDP Karriere zu machen:

Joachim Stamp erfüllt alle drei Punkte. Nach Lindners Willen könnte der einfache Landtagsabgeordnete und Noch-Landesvorsitzende aus Düsseldorf ab Oktober im Bund aufsteigen. Als Dank der Ampelpartner SPD und Grüne für die Wahl ihrer höchst umstrittenen Ferda Ataman zur neuen Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung im Juli soll die FDP jetzt auch ein schönes Pöstchen bekommen, heißt es in der Bundestagsfraktion.

Ataman wurde nur ganz knapp dank wichtiger FDP-Stimmen gewählt, obwohl die türkischstämmige Beauftragte mit Diskriminierung offensichtlich selbst sehr einseitig umgeht, weil Ataman ohne Skrupel ausgerechnet im moralisierenden Spiegel darüber räsonierte, warum das Wort „Kartoffel“ für Deutsche keine Beleidigung sei. Mehr noch: „Schließlich wären Zuschreibungen wie Spargelfresser, Leberwurst oder Weißbrot kulinarisch und semantisch genauso naheliegend,“ ätzte Ataman exklusiv in einer Kolumne für den Spiegel im Januar 2021 gegen die Deutschen. Stamp hatte Ataman via Twitter gegen Kritik aus den Reihen der FDP vehement vor ihrer Wahl verteidigt.

Also für diese Wahlhilfe Atamans durch FDP-Bundestagsabgeordnete und NRW-Stamp erhält die FDP nun wohl ein Dankeschön. Parteichef Lindner will seinen Stamp jetzt zum Rückführungsbeauftragten der Bundesregierung nominieren – vermutlich angesiedelt im Bundesinnenministerium von Ressortchefin Nancy Faeser (SPD), glauben FDP-Insider zu wissen. Diese Stelle ist im Koalitionsvertrag auf Seite 141 bereits berücksichtigt, um illegale Migranten und Asylbewerber wieder in ihre sicheren Herkunftsländer wie zum Beispiel die nordafrikanischen Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien zurückzuschicken. „Zur Gestaltung solcher Migrationsabkommen setzt die Bundesregierung einen Sonderbevollmächtigten ein“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. So ein Rückführungsbeauftragter werde dann nicht vom Bundestag gewählt, sondern nur vom Kabinett ernannt, berichten Fraktionskreise.

Der Posten dient wohl eher zur Volksberuhigung. Schließlich sind Abschiebungen bei hunderttausenden von unberechtigten Asylbewerbern in Deutschland nur der Ausnahmefall. Seit 2014 sind gut vier Millionen aus dem Orient und Afrika inklusive Familiennachzug über Flucht und Asyl vor allem in die Sozialsysteme eingewandert, also ein 17. Bundesland in der Bevölkerungsgröße von Sachsen. Die hart arbeitenden Steuerzahler dürften diese seit über acht Jahren anhaltenden Asylwellen weit mehr als 150 Milliarden Euro gekostet haben. Währenddessen verfügt Deutschland über ein europaweit bekanntes schlechtes Mobilfunknetz – im Volksmund Merkel-LTE genannt.

Selbst heute noch strömen weiter monatlich gut 14.000 Asylbewerber ein. Bis Ende August wurden dieses Jahr laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 115.402 Asylanträge gestellt. Ende des Jahres wird demnach wieder eine Großstadt mit rund 170.000 Asylmigranten eingewandert sein. Abgeschoben hat Deutschland seit 2014 lediglich rund 150.000 Personen, von denen viele auf Umwegen wieder zurückkehren.

Um diese Probleme soll sich Stamp wohl kümmern, um etwas Aktionismus der Bundesregierung auf einem politisch ungewollten Gebiet von SPD, Grünen und Linken vorzutäuschen. Im Koalitionsvertrag unter dem sinnigen Titel „Mehr Fortschritt wagen“ stehen nach langen Passagen auf drei Seiten zum Bleiberecht und zur Integration lediglich ein paar kurze Sätze auf Seite 140 zu möglichen Abschiebungen: „Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Der Bund wird die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen.“

Aber damit das nicht allzu sehr ausufert, ist auch schnell von Abschiebestopp und staatlich bezahlter, freiwilliger Ausreise im Koalitionsvertrag die Rede: „Die freiwillige Ausreise hat stets Vorrang. Die staatliche Rückkehrförderung für Menschen ohne Bleiberecht wollen wir finanziell besser ausstatten. Um freiwillige Ausreisen zu fördern, wollen wir staatliche und unabhängige Rückkehrberatung systematisieren und stärken.“

Zähe Verhandlungen mit Herkunftsstaaten und viel Steuergeld verteilen an unberechtigte Asylbewerber für deren Ausreise, das wäre die Bundesaufgabe für den in NRW gescheiterten Joachim Stamp, wenn ihn FDP-Chef Lindner im Herbst dafür nominiert, wie Fraktionskreise verbreiten.

Damit nicht genug: Auch ein Kritiker der unseriösen Finanzpolitik seitens der Bundesregierung wie der frühere vom Westerwelle-Flügel stammende Haushälter Otto Fricke soll im Herbst laut Fraktionsgerüchten von Lindner den Ritterschlag zum beamteten Staatssekretär im Bundesfinanzministerium bekommen. Der langjährige FDP-Bundestagsabgeordnete aus Krefeld in NRW würde dann als möglicher Kritiker liberaler Finanzpolitik ausfallen. Fricke könnte auf den in nächster Zeit wohl ausscheidenden und im November dann 64-jährigen Finanzstaatssekretär Werner Gatzer (SPD) folgen. Sozialdemokrat und Jurist Gatzer gilt als der „ewige Staatssekretär“, weil er mit kurzer Unterbrechung seit 2005 bei Haushaltsfragen im Finanzressort schaltet und waltet.

Falls Fricke als Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium wechseln sollte, hat er im Oktober praktischerweise 16 Mandatsjahre im Bundestag für die Pension erreicht. Leistung muss sich lohnen.

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