Die Verheißungen von Werbung und PR scheinen in Zeiten der Haltlosigkeit die letzte Bastion großer Wertvorstellungen zu sein. Das kann traurig machen … oder glücklich. Ein tiefer, kurzer Blick lohnt, um dann – ganz beruhigt – in die Kleinheit unser aller Leben zurückzusinken.
Im konsumkritischen Schulunterricht lernten wir irgendwann: „Haste was, dann biste was …“ – im Zuge der zunehmenden Verstümmelung der deutschen Sprache ist wohl der eigentliche Kerngehalt dieses Satzes durch gutmütige Zensur unter die Räder gekommen. Denn soziologisch richtig heißt es: „Hasst Du was, dann biste was …“ Was da in diesen Stunden auf die FDP und ihre Beletage einhämmert, ist ein Festival der Markenstärkung – die kommenden Wahlergebnisse werden es beweisen.
In der Diktion einer übergreifenden Harmoniesüchtigkeit (Harmonia – altgriechisch ἁρμονία für „Ebenmaß“) versuchen bemerkenswert große Teile der veröffentlichten Meinung, die demokratische Willensbildung ad absurdum zu verargumentieren. Der soziologische Chronist mag den Gedanken ob seiner Banalität kaum niederschreiben, aber die Demokratie als Widerstreit der Meinungen lebt eben per se von der Erkennbarkeit dieser Meinungen – nicht dem Einschleifen all dessen, was aus der Fläche (s.o.) herausragt. Oder im Marketingsprech unserer Tage formuliert: Marken sind Marken, weil sie etwas markieren, also einen Standpunkt einnehmen.
Warum ordnen starke Marken Märkte zu Kundschaften? Weil Marken Bündnisse sind, freiwillige Bündnisse und gerade deshalb von Dauer. Was veranlasst den einzelnen, solchen Ordnungsangeboten zu folgen? Weil er sich in solchen Körpern seinen Wunsch nach Ungleichheit erfüllen kann – wie denn sonst in Zeiten durchgreifender individualisierter Uniformität. Man mag einwenden, dass die Individualisierungsgrad sehr schmal sei, aber bei allem Verständnis für diesen Widerwillen: Wir leben im 21. Jahrhundert … wir können froh sein, überhaupt noch zwischen Apple und Samsung oder zwischen VW oder Fiat wählen zu können und so unsere Persönlichkeit zu definieren. Nicht ohne Grund schrieben manche schon raunend vom „Untergang des Abendlandes“… und derjenige kannte noch nicht einmal „personalisierbares Müsli“ …
„Eines bleibt immer gewiß: Dieses so geehrte und verachtete Publikum betrügt sich über das Einzelne fast immer, und über das Ganze fast nie.“ Anders formuliert: Einzelne Fälle ignorierend, entwickeln die Menschen übergreifend leitenden Vorurteile, da mag das Wehklagen auch noch so laut sein.
Versuchen wir also die eigentlichen sozialpsychologischen Dynamiken zu begreifen: Alles Lebendige ist einmalig und daher ungleich. An einem Baum findet sich nie zwei identische Blätter, es existieren nicht zwei identische Mäuse, Stimmen oder Wolkenformationen. Auch eine Marke ist immer eine Eigenkomposition – eigenständig, wenn auch vielleicht nur in einem Detail. Das menschliche Talent zur eigenen Komposition, zur Kreation führt zu immer mehr Ungleichheit in der Welt – man betrachte nur die Explosion der Warenmärkte. Gab es vor 20 Jahren gerade einmal die Wahl zwischen einem Kännchen Kaffee (Draußen!) und einer Tasse (Nur Drinnen!), so bietet heute ein „Coffeeshop“ ca. 16.000 unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten an. Das heißt aber auch: Je mehr da ist, desto klarer und selbstorientierter muss das Existierende auftreten, um überhaupt noch aufzufallen.
Marken organisieren Leistungen automatisch so, dass man sie sogleich als von dort und nicht von hier, als eigenartig und eben nicht austauschbar erkennt. An der Entscheidung für oder gegen etwas erkennen sich die Menschen als ähnlich und als fremd, als Freunde oder Feinde. Und also betonen sie ihre Ungleichheit. Jeder hat das Recht zur Ungleichheit, sie ist gesetzlich verbrieft – zum Glück. Die Muster führen uns zusammen und grenzen uns ab. Alles ist ungleich. Die Müllers sind nicht die Meiers. Lidl nicht ALDI und die FDP nicht die Grünen. Und eben diese Gegensätze sind das Leben.
Der Wunsch der Menschen nach Ungleichheit ist der anthropologische Motor, der die Suche nach der Differenz im Markt antreibt. Der Wille zur Erkennbarkeit muss daher den Marken-, pardon, Parteiverantwortlichen im Tagesgeschäft lenken, gerade dann wenn der Markenname „Die Liberalen“ ist. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung – strukturell betrachtet – ein Feuerwerk der Positionierung.
Positionierung bedeutet eben nicht, allen zu gefallen, sondern durch die klare Abgrenzung Bürger anzuziehen oder genau aus den identischen Gründen abzustoßen. Markenkraft entsteht durch Verdichtung, nie durch Ausdehnung. Dass das nicht allen gefallen kann, liegt in der Natur der Sache, ist aber für ein Markensystem unerheblich, das nicht 100% anpeilt …
Wenn Marke nichts anderes ist als organisierter Leistungsernst, dann sind wir Zeuge eines interessanten Komprimierungsprozesses … oder martialisch gewendet: Danken wir stets unseren Gegnern, denn sie sorgen dafür, dass wir nicht genauso sein wollen.