Zwischen 6 und 8 Prozent steht die FDP in Umfragen. Ähnlich wie vor den Wahlen in Niedersachsen, Berlin und dem Saarland, wo es dann am Ende für die FDP aber überall nicht fürs Parlament gereicht hat. Während des Parteitags in Berlin-Kreuzberg steht das Team des wiedergewählten Vorstands Christian Lindner also durchaus unter Druck. Doch wie gehen er und die Liberalen damit um?
Sie versuchen es mit PR. Schon das Design der Bühne ist spektakulär. Schrilles Gelb und Magenta geht in erdverbundenes Ocker über. Das soll jung, hipp und Aufbruch verheißend wirken. Erinnert aber eher an die Anfangstage des Farbfernsehens, als die Macher mit bunten Designs strunzten, um zu zeigen, dass sie es können. Der PR-Berater ist ohnehin die letzte Berufsgruppe, in der die FDP zuverlässig die Fünf-Prozent-Hürde nimmt.
„Der Leitantrag zum #bpt23 fordert Optimismus, Tatkraft und Kreativität ein“, erklärt ein Beitrag der FDP. Gut. Optimismus, Tatkraft und Kreativität. Schön. Aber da fehlt doch „Innovation“. Kein PR-Bullshit-Bingo ist perfekt ohne „Innovation“. Und tatsächlich: „Wir wollen Innovationen, Wachstum und Fortschritt stärken“, heißt es in einem anderen Tweet. Geht doch. Oder vielmehr: Bingo.
Was steckt konkret hinter diesem Bullshit-Bingo. Die FDP fordert schnellere Digitalisierung und weniger Verwaltung. Nichts ist wohlfeiler. Das fordern alle. Und das schon seit über 20 Jahren. Aber die Realität heißt lückenhaftes Netz, schlechter Empfang auf dem Land und gedrosselte Frequenzen, vor allem wenn im Winter die Energie knapp wird. Nancy Faeser (SPD) heißt ebenfalls die Realität der Digitalisierung. Sie hat einen Großteil ihrer Ziele in der Digitalisierung der Verwaltung gerissen und danach verkündet, sie werde sich keine zeitlichen Ziele mehr setzen, dann könnten diese auch nicht verpasst werden.
Wie sehr sich die FDP verzwergt hat, zeigt sich an ihrem Klassiker: Steuern. Seit über 20 Jahren, seit den Tagen des Vorsitzenden Guido Westerwelle hat die Partei Steuersenkungen gefordert. Mittlerweile müssen die Deutschen so viel Steuern wie noch nie zahlen. Und was fordert die FDP nun? Die Steuern sollen nicht weiter steigen. Die Liberalen sind bescheiden geworden.
Und verlogen. Denn durch die Inflation steigen auch die Steuereinnahmen. Als Folge erfolgreicher Tarifverhandlungen steigen die Steuern ebenfalls. Nämlich durch die „kalte Progression“ – der entgegenzuwirken, davon redet die FDP schon lange nicht mehr. Und dann ist da noch die Grundsteuer. Die wurde angepasst. Was zu deutlich höheren Steuerzahlungen führt. Aber das ist ja keine Erhöhung sondern eine Anpassung. Die FDP 2023 genügt sich mit Wort-Glaubereien.
Inhaltlich hängen bleibt vom Kreuzberger Parteitag, dass die FDP gegen Robert Habecks (Grüne) Heizungsverbot ist – das sie im Kabinett selbst beschlossen hat. Aber jetzt sollen die Granden der Partei energisch dagegen vorgehen. Klappt bestimmt. Das erinnert an den Atomausstieg. Gegen den hat der Verkehrsminister und ehemalige Generalsekretär Volker Wissing lange gemöppert, bevor er dann meinte, jetzt sei die Sache halt durch.
Bliebe noch ein Blick auf die Personalpolitik. Mit 60 Prozent erhält Michael Theurer das mit Abstand schlechteste Ergebnis der Präsidiums-Wahl. Er ist Staatssekretär im Digitalministerium. Eine angemessene Honorierung des Parteitags für die real exisitierende Digitalpolitik der FDP. Neue stellvertretende Vorsitzende der FDP ist Bettina Stark-Watzinger. Wer sie nicht kennt: Sie ist Bundesministerin für Bildung und Forschung. Wer das nicht glauben will, kann es googlen.
Zuletzt noch die personifizierte Charme-Offensive der FDP: Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist als Militärpolitikerin im Bundestag so unverzichtbar, dass die FDP sie für die Wahl zum EU-Parlament aufstellt – dem Ort, wo bekanntlich die wichtigen Entscheidungen fallen. Mit Strack-Zimmermann als Spitzenkandidatin wird die EU-Wahl zur ganz großen Hoffnung für die FDP – denn bei der gilt keine Fünf-Prozent-Hürde.