Tichys Einblick
Strafversetzung von BSI-Chef Arne Schönbohm

Affäre Schönbohm: Die Verwicklungen von Faesers Innenministerium bei Böhmermann-Sendung

Die von Innenministerin Faeser (SPD) Ende 2022 unter Berufung auf eine ZDF-„Böhmermann“-Sendung exekutierte Strafversetzung des vormaligen Chefs des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, entwickelt sich weiter zum veritablen Skandal.

Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministererin, am 08.08.2022 bei einem Besuch im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) neben Arne Schönbohm, damals Präsident des BSI

picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Am 6. Juni nun findet vor dem Landgericht München ein erster Countdown statt. Dort wird eine Klage Schönbohms gegen das ZDF auf 100.000 Euro Schadenersatz wegen Rufschädigung verhandelt. „Business Insider“ (BI) liegen Mails zwischen der Böhmermann-Redaktion und Schönbohms BSI vor. Diese belegen, dass Böhmermann nicht sauber recherchiert hat bzw. wichtige Dinge weggelassen hat. TE hat am 25. Mai darüber berichtet.

Hintergrund: Böhmermann unterstellte Schönbohm in einer Sendung vom 7. Oktober 2022, zu nahe am angeblich fragwürdigen Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ mit Kontakten zu russischen Nachrichtendiensten dran zu sein. Böhmermann nannte Schönbohm obendrein einen „Cyberclown“.

Nun hat „Business Insider“ Mail-Wechsel zwischen Faesers Ministerium, dem BSI und der Böhmermann-Redaktion in die Hand bekommen und am 30. Mai in Auszügen veröffentlicht. Diese lassen vermuten, dass auch Faeser bzw. ihr Ministerium doppelbödig gearbeitet haben.

Diese Mails zeigen: Das Bundesinnenministerium (BMI) war im Hintergrund an den Böhmermann-Recherchen beteiligt. Interessanterweise zitierte „Der Spiegel“ zwei Tage nach der Sendung einen BMI-Sprecher wie folgt: „Das Bundesinnenministerium geht den Sachverhalten nach und prüft diese genau.“ Das BMI tat damit so, als sei es von den Vorwürfen Böhmermanns überrascht worden.

BI-Recherchen lassen vor allem vermuten: Das BMI betrieb ein doppeltes Spiel. Es wusste von Anfang an von der Tendenz der Recherchen des ZDF über Schönbohm, genehmigte erst die gesamte Kommunikation mit dem ZDF und stellte sich zunächst sogar hinter Schönbohm. Trotzdem nahm Faeser die Böhmermann-Sendung zum Anlass, Schönbohm wenige Tage nach der ZDF-Sendung vor aller Öffentlichkeit fallen zu lassen.

Faesers Ministerium war eingebunden

Das BMI musste vorab wissen, in welche Richtung das ZDF recherchierte. Hier die Chronologie (Auszüge):

22. September 2022: Nachdem das BSI eine Bitte eines Böhmermann-Redakteurs um ein Hintergrundgespräch mit Verweis auf den dafür zuständigen Verfassungsschutz abgelehnt hatte, schickte der Journalist am 22. September an das BSI einen Fragenkatalog.

23. September 2022, mittags: Das BSI schickt diesen Fragekatalog an die Pressestelle des BMI und den Leiter der zuständigen Fachabteilung. In der E-Mail heißt es, dass das BSI einen Antwortkatalog erarbeite und dann vor Versand diesen mit dem BMI abstimmen werde. Anhand der Fragen konnte das BMI aber bereits die Richtung, in die das ZDF recherchierte, abschätzen.

28. September 2022, morgens: Das BSI verschickt an die Pressestelle des BMI seine Antwortentwürfe für das ZDF: Produkte von Protelion, das zum russischen Unternehmen Infotecs gehört, kämen demnach im BSI nicht zum Einsatz.

29. September 2022, morgens: Die Pressestelle des BMI gibt die Antworten in einer E-Mail an das BSI frei. Die später in der ZDF-Sendung gezeigten Antworten, dass das BSI nicht wisse, ob Produkte von Protelion in der Regierung eingesetzt werden sowie ob die Algorithmen in Deutschland eingesetzt werden, waren also ausdrücklich vom Innenministerium so für richtig erachtet worden. Offenbar kamen auch Faesers Beamte nicht auf die Idee, dass diese Antworten so interpretiert werden könnten – wie es Böhmermann dann auch tat –, dass das BSI angeblich in Sachen Cybergefahren aus Russland ahnungslos sei.

30. September 2022, nachmittags: Drei Stunden nach Zusendung der BSI-Entwürfe für das ZDF macht das BMI gegenüber dem BSI mehrere Vorgaben, die mit „Ich bitte folgende Hinweise zu berücksichtigen“ eingeleitet werden. Das BMI mahnt beim BSI zudem an: „Es sollte klargestellt werden, dass Herr Schönbohm nicht befangen ist, wie durch die Frage unterstellt.“ Zudem weist das BMI darauf hin, dass „klargestellt“ werden solle, dass das BMI eine Weisung zum Teilnahmeverbot von BSI-Mitarbeitern für Veranstaltungen des Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. aufgehoben habe. Dies ist wichtig, weil Böhmermann in seiner Sendung Schönbohm vorhält, dass er an einer Jubiläumsveranstaltung des Vereins teilgenommen habe und damit gegen seine eigene Weisung verstoßen habe – was letztlich den Eindruck einer zu großen Nähe Schönbohms zum Verein verstärkt. Dass das BSI in diesem Zusammenhang übrigens auch schreibt, dass Schönbohm an der Veranstaltung mit ausdrücklicher Genehmigung des BMI teilgenommen hatte, bleibt in der Sendung ebenfalls unerwähnt.

6. Oktober 2022, morgens: Einen Tag vor der ZDF-Sendung informiert die BMI-Pressestelle das BSI, dass es nun ebenfalls eine Anfrage des „ZDF Magazin Royale“ erhalten habe, ohne näher darauf einzugehen: „In diesem Zusammenhang bitte ich darum, dass Sie uns noch einmal alle Anfragen, Nachfragen und Beantwortungen an das Magazin schicken. Wenn Sie sonstige Hinweise aus Telefonaten zur Recherche des Magazins haben, sind wir ebenfalls für einen Hinweis dankbar.“

Faesers Leute wussten Bescheid – sie selbst nicht?

Unter dem Strich zeigen die Mails: Das BMI war über die Zielsetzung des ZDF-Beitrags informiert, arbeitete an den später kritisierten Antworten mit, schien seinerseits nicht abzusehen, dass die Sendung tendenziös werden würde und stellte sich in der Kommunikation mit dem BSI zunächst vor Schönbohm. Warum änderte Faesers Haus dann nach der Sendung plötzlich die Meinung und schien von den Vorwürfen so überrascht zu sein? Ein doppeltes Spiel?

Auf BI-Anfrage betont das BMI, dass man seine Meinung gar nicht geändert habe. Vielmehr habe es mehrere Gründe für die Abberufung Schönbohms gegeben: „Das BMI hat die Entscheidung für einen notwendigen Wechsel an der Spitze des BSI durchgängig mit fehlendem Vertrauen in die Amtsführung des damaligen Präsidenten begründet. (…) Dieses Vertrauen bestand aufgrund mehrerer unterschiedlicher Umstände nicht mehr. Dazu gehörten nicht zuletzt die damals in den Medien bekannten und breit diskutierten Vorwürfe …“ Wenn das nicht verlogen ist!?

Welche „weiteren Punkte“ das sein sollen, will das BMI nicht sagen. Doch nach BI-Recherchen hatte das BMI intern bereits im Juni 2022 belastende Punkte gegen Schönbohm gesammelt, die dem Beamten – neben der Böhmermann-Sendung – Monate später in der Begründung für seine Freistellung zur Last gelegt wurden: So soll er im Jahr 2019 den Haushaltsausschuss des Bundestages instrumentalisiert haben, damit das Gremium eine Außenstelle des BSI im Saarland befürwortet, obwohl das BMI dies ablehnte. Bemängelt wurde zudem mangelnde politische Sensibilität bei einem BSI-Bericht von Januar 2022 zur deutschen Cybersicherheit infolge des Ukraine-Kriegs sowie angeblich ausufernde Pressearbeit und eine zu große Eigenständigkeit bei einzelnen IT-Projekten.

Offenbar also kam man im BMI noch im Sommer 2022 zu dem Schluss, dass die Vorwürfe zu dünn seien, um Schönbohm strafzuversetzen. War also die Böhmermann-Sendung willkommen, um Schönbohm endlich los zu werden? Wieso genehmigte das BMI erst Antworten des BSI an das ZDF und machte Vorgaben, wie Fragen zu beantworten seien, nahm dann aber die Böhmermann-Sendung als Anlass für Schönbohms Strafversetzung?

Egal, wie intensiv Faeser selbst vorab eingebunden war und ob sie das Ergebnis so haben wollte? Wenn sie – was niemand glaubt – nicht eingebunden war, dann hat sie ihren Laden nicht im Griff und damit erneut bewiesen, dass sie eine der krassesten „Ampel“-Fehlbesetzungen ist.

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