Das hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zunächst anders vorgestellt. Schier wie über Bande gespielt, hatte sie im Herbst 2022 aus Anlass einer ZDF-Böhmermann-Sendung und obendrein in Zeiten ausufernder russischer Cyberpropaganda einen ihrer wichtigsten, für Cybersicherheit zuständigen Beamten zwangsversetzt und auf einer sicherheitspolitisch reichlich unwichtigen Stelle entsorgt. Es geht um Arne Schönbohm, den (vormaligen) Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Schönbohm passte offenbar nicht in Faesers Personaltableau, ist er doch CDU-Mann und Sohn des 2019 verstorbenen CDU-Urgesteins Jörg Schönbohm.
Wir haben die Sache, die sich mittlerweile zu einem Skandal Marke Faeser ausgeweitet hat, wiederholt auf TE zerpflückt. Erstmals am 21. Oktober 2022, zuletzt am 12. Mai 2023.
Nichts, rein gar nichts von all dem hatte Bestand, was der ZDF-„Royal“-Clown an Unterstellungen und Beschuldigungen (Kontakte zu einem russischen Nachrichtendienst) in die Welt gesetzt hatte und worauf sich Faeser stützte. Faeser kratzte das nicht, und auch das ZDF sah keinerlei Veranlassung, sich von Böhmermann zu distanzieren oder seine Agitprop-Sendung einzustellen. ZDF-Intendant Norbert Himmler schweigt in der Causa Böhmermann eisern.
Ist Faeser noch die oberste Hüterin des Grundgesetzes?
Nun hat sich am 23. Mai, passend zum 74. Geburtstag des Grundgesetzes, das Faeser als „Verfassungsministerin“ ja besonders zu schützen hätte, Schönbohms renommierter Anwalt Christian Winterhoff zu Wort gemeldet. Im Gespräch mit „Business Insider“ erhebt er schwere Vorwürfe gegen Faeser. Das Bundesministerium des Innern (BMI), so der Anwalt, betreibe „sachwidrig“ ein falsches Spiel. Politische Motive und sachwidrige Erwägungen hätten zu Schönbohms Sturz geführt. Monate später – die Vorwürfe waren längst widerlegt, aber das BMI wollte die Sache offenbar vergessen machen – musste es einräumen, dass an den Vorwürfen nichts dran war. Wie sehr das BMI auf Geheiß von Faeser auf Zeit spielt, zeigen allein die folgenden Aussagen Winterhoffs: „Erst nachdem ich das Ministerium mit Schreiben vom 6. April 2023 nochmals aufgefordert habe, die Vorermittlungen unverzüglich abzuschließen, ist mir mit Schreiben vom 24. April 2023 förmlich mitgeteilt worden, dass sich sämtliche gegenüber meinem Mandanten erhobenen Vorwürfe nicht bewahrheitet hätten … Insgesamt ist für mich der Eindruck entstanden, dass für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und die anschließende Versetzung von Herrn Schönbohm vorrangig politische Motive ausschlaggebend waren, für die dann nachträglich nach juristischen Begründungen gesucht wurde.“
Wie gesagt: Faeser ist (wäre eigentlich) die oberste Hüterin der Verfassung und der inneren Sicherheit Deutschlands. Aber für eine Ministerin, die die politische Arena wie ein Bulldozer planiert, zählt das nicht. Sie hält nichts von Grenzkontrollen, und sie hält nichts von Fürsorgepflichten gegenüber Beamten. Selbst späte, von außen erzwungene Einsichten und Eingeständnisse sind ihr fremd.
Faeser als Sicherheitsrisiko
Der Flurschaden aber ist gewaltig. Wie soll Deutschlands Sicherheit garantiert sein, wenn deren oberste Hüterin selbst ein Sicherheitsrisiko ist? Wie sollen Zigtausende an Beamten, zum Beispiel der Bundespolizei, sich loyal gegenüber einer Dienstherrin verhalten, die sich nicht loyal gegenüber Bediensteten verhält? Es gab einmal eine Zeit, da traten Bundesinnenminister zurück, wiewohl ihnen die Presse eine Falschmeldung untergejubelt hatte. Rudolf Seiters (CDU) war zurückgetreten, weil der „investigative“, vielfach preisgekrönte „Spiegel“-Journalist und zum Kirchentagspräsidenten geadelte Hans Leyendecker behauptet hatte, der RAF-Terrorist Wolfgang Grams sei am 26. Juni 1993 im Bahnhof in Bad Kleinen von einen GSG-9-Bundespolizisten regelrecht „hingerichtet“ worden. Der „Spiegel“ hat erst 2020 einen „journalistischen Fehler“ eingestanden. Seiters aber war raus aus der hohen Politik. Er hatte Charakter. Danach sucht man an der Spitze des BMI und manch anderer Bundesministerien vergeblich.
Aber es bleiben nicht nur charakterliche Defizite. Grenzen will Faeser nicht schützen. Beamte will sie zu willfährigen Untertanen machen, indem sie das bewährte Disziplinarrecht verschärft. Um eine deutliche Beschleunigung von Disziplinarverfahren zu erreichen, sollen künftig Entfernungen und andere statusrelevante Disziplinarmaßnahmen (Zurückstufung, Aberkennung des Ruhegehalts) durch Disziplinarverfügung (!) ausgesprochen werden. Das langwierige Disziplinarklageverfahren, mit dem der Dienstherr statusrelevante Disziplinarmaßnahmen vor Gericht beantragen musste, entfällt. Rechtsstaat Deutschland!
Die Methode ist bekannt: „Bestrafe einen, erziehe hundert!“ (Mao Zedong). Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang (CDU!), hat das internalisiert, er ist auch aus anderem, morschem Holz geschnitzt. Er tut alles, was seine Chefin will. Vor allem, wenn es gegen „rechts“ geht.
Alles auch eine Frage des Charakters
Zurück zu Faesers Umgang mit Bediensteten: Sie hat Arne Schönbohm weder zu einem Gespräch empfangen, noch ihn rehabilitiert, noch sich bei ihm entschuldigt. Souveränität einer Chefin einer sechsstelligen Zahl an Bundesbeamten schaut anders aus. Klar, Faeser macht derzeit Wahlkampf in Hessen, wo sie nach der Landtagswahl vom 8. Oktober Ministerpräsidentin („Landesmutter“) werden möchte. Man weiß nicht, welchen Ausgang der Landtagswahl man herbeisehnen soll. Gewinnt Faeser in Hessen, dann haben wir sie auf Bundesebene los und die Hessen werden ihre „Freude“ an ihr haben. Verliert sie, bleibt sie der Republik insgesamt erhalten. Besser wäre: Sie ging auf der Stelle. Freiwillig. Einem Laissez-faire-Kabinettschef Olaf Scholz (SPD) ist das desaströse Wirken großer Teile seines Kabinetts allerdings längst herzlich egal.