Tichys Einblick
Kritik aus den eigenen Reihen

Faesers Migrationspolitik: Ohnehin liberaler Gesetzentwurf geht den Jusos nicht weit genug

Innenministerin Faesers Chancen-Aufenthaltsrecht soll Ausländern, die kein Asyl erhalten haben, eine Aufenthaltsperspektive geben. Ausgerechnet aus der SPD kommt nun Kritik am Gesetzentwurf. Wollen die Juso-MdBs Deutschland als Sozialamt für die ganze Welt?




IMAGO / Metodi Popow

Nicht nur die Spatzen, sondern zahlreiche seriöse Berichte aus den Sicherheitsbehörden und aus den Medien pfeifen es von den Dächern: Europa befindet sich inmitten eines neuen, gewaltigen Zustroms von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten wie zuletzt im Spätsommer 2015 und im Winter 20015/2016. Allein die Zahlen der Flüchtlinge, die via Balkanroute, womöglich mit russischer Hilfe, aktuell an den ungarischen Grenzen aufgegriffen werden, erschrecken. 2022 waren es bislang 182.000 Flüchtlinge. Wahrscheinlich alle mit dem Zielland Deutschland.

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 Was Erdogan Deutschland und der EU in erpresserischer Weise durch Öffnung von Flüchtlingsschleusen zumuten könnte, steht in den Sternen, ist aber eine reale Aussicht. Hier geht es um bis zu dreieinhalb Millionen Menschen, die sich – vor allem von Deutschland und der EU finanziert – in türkischen Camps aufhalten.

Im Übrigen ist die Zahl der in Deutschland Lebenden bzw. sich Aufhaltenden mittlerweile aufgrund von Zuwanderung – zu nicht geringen Teilen wohl ins deutsche Sozial- und Gesundheitswesen – aktuell gegenüber Ende 2021 um 843.000 auf eine Gesamtzahl von über 84 Millionen gestiegen. 1992 waren 700.000 Menschen gekommen, 2015 dann 978.000, im Jahr 2021 „nur“ 82.000.

Die „neu Hinzugekommenen“ (Jargon von Merkel) gehen zum größten Teil keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach, müssen also von den Sozialkassen alimentiert werden. Dass das deutsche Asylrecht mittlerweile zur Farce geworden ist, wissen wir zudem. Es finden ja nahezu keine Rückführungen mehr statt, wiewohl an die 90 Prozent der Asylanträge nach herkömmlichen Kriterien unberechtigt sind.

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Und nun will Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Aufenthaltsrecht auch noch liberalisieren. Den besonders stramm Linken in ihrer Partei gehen diese Liberalisierungen nicht weit genug. Kein Wunder: Die SPD-Fraktion besteht mittlerweile zu einem Viertel aus Jungsozialisten (Jusos). Diese akzeptieren zwar Faesers Vorschlag, dass mehr als 135.000 Geduldete mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht erstmalig eine „Zukunftsperspektive“ erhalten sollen.

Beim sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht – einem zentralen migrationspolitischen Anliegen aus dem Koalitionsvertrag – geht es im Kern darum, Ausländern, die schon seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 im Land sind, aber kein Asyl oder ein anderes Bleiberecht erhalten haben, eine Aufenthaltsperspektive zu geben. Rund 250.000 dieser „geduldeten“ Menschen gibt es inzwischen, etwa die Hälfte ist schon länger als fünf Jahre hier. Eigentlich müssten sie ausreisen, können aber wegen diverser Hürden nicht abgeschoben werden.

Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal will Nachbesserungen. Sie stellt die Stichtagsregelung grundsätzlich infrage: „Ein einmaliger Stichtag verwehrt vielen Geduldeten, die Möglichkeit auf das Chancen-Aufenthaltsrecht und ist das Gegenteil einer nachhaltigen Veränderung.“ Überhaupt wollen die Jusos einen „Anfang einer neuen Migrationspolitik“. Wörtlich: „Deshalb muss das Asylbewerberleistungsgesetz ersatzlos gestrichen werden.“ Stattdessen sollten alle Asylbewerber Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten.

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Helge Lindh, zuständiger Berichterstatter in der SPD-Fraktion, sieht bei Faesers Plänen ebenfalls „Anpassungsbedarf“. Er stellt den Stichtag 1. Januar 2022 in Frage und argumentiert, dass das Gesetz zu lange auf sich habe warten lassen … Die Menschen in Duldung konnten das ihnen versprochene Recht noch nicht nutzen.“ Er halte es deswegen für „fair“, den Stichtag nach hinten zu legen – zum Beispiel auf den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes. Dadurch würde einer größeren Gruppe Geduldeter der Weg in einen legalen Aufenthalt geebnet.

Der Vorstand der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt hat nach ihrer jüngsten Bundeskonferenz zudem kritisiert, der Gesetzentwurf „atmet leider zu sehr den Geist der früheren Hausleitung unter Unionsführung“. In einem einstimmig beschlossenen Antrag der mit Migranten-Lobbys bestens vernetzten AG heißt es: „Wir erwarten, dass die SPD-Führung im Bundesinnenministerium Strukturen und Personal so umbaut, dass dem gesellschaftlichen Aufbruch, den die Koalition versprochen hat, keine Ketten angelegt werden.“ Denn Staatssekretäre und Abteilungsleiter würden als „Überbleibsel der Seehofer-Zeit“ die Agenda der Ampel ausbremsen. Zum Gesetzentwurf der Ministerin heißt es, man werte ihn als „ersten Ansatz, der durch das Parlament noch deutlich angepasst werden muss“.

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