Tichys Einblick
Ein Hoffnungsschimmer für die Streitkräfte

Ex-Wehrbeauftragter Bartels: Wie die Bundeswehr zu retten wäre

Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels und ein pensionierter General empfehlen, einen Großteil der verfehlten Strukturreformen seit den 2000er Jahren zurückzunehmen. Die Bundeswehr soll statt von Bürokraten wieder von verantwortlichen Offizieren geprägt sein.

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Die Bundeswehr ist bis auf wenige Einheiten in einem desolaten Zustand. Es fehlt an ausreichendem Personal wie an funktionstüchtiger Ausrüstung. Von den Panzern bis zu Hubschraubern, von U-Booten bis zu Fregatten, von der Luftwaffe bis zu so einfachen Dingen wie geeigneter Kleidung und Munition – es fehlt überall. Derartige Klagen sind Alltag, unsere Armee ist mit ihren dysfunktionalen Strukturen zum Gegenstand zahlreicher Warnrufe und Untersuchungen wie gar von Kabarettsendungen geworden.

In der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist nun eine als „Denkanstoß“ bezeichnete Studie erschienen, die wichtige Korrekturansätze für unsere Streitkräfte auf den Punkt bringt. Autoren sind der letzte Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels und der pensionierte Dreisternegeneral Rainer Glatz. Bartels bedarf keiner Vorstellung. Er hat in seinen fünf Jahren als Wehrbeauftragter die Probleme der Bundeswehr klar und deutlich benannt und eine Reihe von Anstößen zu deren Beseitigung gegeben. Das hat der Bundeswehr gutgetan, ihm aber nicht. Als Dank hat ihm seine Partei (SPD) den Stuhl vor die Tür gestellt und das Amt des Wehrbeauftragten einer linken Juristin zugeschanzt.

Generalleutnant a.D. Glatz war zuletzt Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, er kennt die Schwierigkeiten unserer Armee aus der täglichen Praxis.

Dysfunktionale Strukturen

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„Da alte Strukturen und Prozesse längst nicht mehr passen, laufen allzu viele Anstrengungen ins Leere“, sagt Bartels. „Es gibt dysfunktionale Strukturen, mit denen Geld verbrannt wird.“ Die Truppe soll also mehr Wumms fürs Geld liefern. Bislang sei es trotz der erklecklichen Steigerung des Etats in den vergangenen sechs Jahren nicht gelungen, die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme nennenswert zu verbessern.

Nun ist aber der derzeitige Zustand der Bundeswehr kein Zufall und keineswegs nur das Ergebnis von Nichtwollen und Nichtkönnen. Noch jeder Bundesminister der Verteidigung hat der Bundeswehr einen mehr oder weniger großen Reformstempel aufgedrückt. Prägnante Beispiele aus den letzten 20 Jahren:

Betriebswirtschaft statt militärischer Expertise?

Auf einen Nenner gebracht: Eine Bundeswehr, die nicht mehr für die Landesverteidigung gebraucht wurde, sollte ihre Einsätze zur internationalen Krisenbewältigung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien durchführen. Das Militärische wurde auf den reinen Waffeneinsatz zurückgedrängt. Zentralisierungen von allem und jedem beschnitten massiv die Entscheidungsfreiheit der militärischen Führer. Die Konsequenzen daraus sind erst im Laufe der Zeit offenbar geworden. Das ehedem hochheilige Prinzip des »Führen mit Auftrag« war weitgehend entsorgt.

Es hieß fortan, auf die Unterstützung anderer Bereiche und deren Mitwirkung In Bezug auf spezifisches Material und Fachpersonal etc. angewiesen zu sein. Das mag in der Massenfertigung am Fließband funktionieren, in der Welt des Militärischen nimmt das den Kommandeuren die Entscheidungsfreiheit. Und nebenbei würgt damit die Eigeninitiative ab. Womit wir beim heutigen Zustand der Bundeswehr wären, der von Verantwortungsdiffusion in einer unübersehbaren Mangelwirtschaft geprägt ist. Man hatte, um zu sparen, nicht nur zum Mittel der Zentralisierung gegriffen, sondern auch die materielle Ausstattung der Truppe auf Bruchteile des Erforderlichen reduziert.

Bartels und Glatz: Auftrag, Kräfte und Mittel wieder in eine Hand geben!

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So weit, so schlecht. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass auf diese Weise keine Einsatzarmee betrieben werden kann. Zwar wurde der Wehretat seit einigen Jahren für zusätzliches Personal und Material erheblich aufgestockt (2014: 32,4 Milliarden Euro, 2020: 45,6 Milliarden Euro). Mit mehr Geld allein ist aber wenig zu gewinnen, das zeigt die anhaltende Misere. Ein einfaches „Kommando zurück“ funktioniert nicht mehr, dazu fehlen alle personellen, materiellen und organisatorischen Voraussetzungen. 

Nun ist zum wiederholten Male eine sorgfältige Analyse gefragt, wo die Ursachen für die Probleme liegen und was zu tun ist. Und genau an dieser Stelle setzt der „Denkanstoß“ von Bartels und Glatz an. Sie schlagen nicht weniger vor, als einen Großteil der verfehlten Strukturreformen seit den 2000er Jahren zurückzunehmen.

Zentralisierung, Privatisierung und Verrechtlichung führten zu einer Diffusion von Verantwortung. Bartels und Glatz propagieren daher, »die Ressourcenverantwortung in den Dimensionen Material und Personal wieder in die Hand derer zurückzugegeben, die für die Auftragsdurchführung verantwortlich sind». 

Beispielhaft werden folgende Bereiche angeführt:

Fehler der Vergangenheit

Zusammengefasst: Bartels und Glatz schlagen ein „Zurück zum militärischen Ursprung“ vor, der sträflich aufgegeben wurde. Die 20 Jahre lang verfolgten Grundsätze der Zentralisierung und Privatisierung haben eine nicht führbare Streitkräftestruktur hervorgebracht. Befehlshabern oder Kommandeuren fehlt die Entscheidungsfreiheit, wenn sie zum Bittsteller von allem und jedem gemacht werden und kaum noch Kapazitäten in der eigenen Hand haben. Ein entscheidendes Kriterium nicht nur im Gefecht. Es ist sehr zu wünschen, dass der „Denkanstoß“ zu entsprechenden Konsequenzen führt und zur Grundlage wird für einen schon wieder erforderlichen Umbau der Bundeswehr. Es tut sich damit ein Hoffnungsschimmer auf für unsere gepeinigte Armee. Auch wenn viele das Wort „Reform“ nicht mehr hören können: Es muss einmal mehr sein. 

PS: Den Autoren von „Nicht einmal bedingt einsatzbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ und dieses Artikels klangen an vielen Stellen der Studie die Ohren. Die Reformvorschläge lesen sich wie ein Widerhall der Thesen und Folgerungen ihres 2019 erschienenen Buches:

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