Tichys Einblick
Kirche weiß alles

Evangelische Kirche ganz weltlich für Tempo 130

Mit 0,005 Prozent CO2-Einsparung die Welt retten - aber das mit kirchlichem Segen und Gottes Strafe.

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Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) möchte, dass das Höchsttempo auf deutschen Autobahnen generell auf maximal 130 gesenkt wird. Die EKM hofft in der anstehenden Fastenzeit ab 6. März auf 50.000 Unterschriften, um dann eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages zu erreichen.

Die Begründung für diesen Vorstoß ist beinahe göttlich. Oberkirchenrat Christian Fuhrmann, selbsternannter ausgewiesener Naturwissenschaftler, rechnet vor: Man könne auf diese Weise mindestens zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sparen. Landesbischöfin Ilse Junkermann assistiert: „Der Schöpfungsauftrag trägt uns. Daher sind wir verpflichtet, auch beim Klimaschutz mehr zu tun.“ Weitere Gründe für den sogar innerhalb der Evangelischen Kirche umstrittenen Vorstoß seien außerdem die höheren Chancen auf einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss, weniger Lärmaufkommen und Reifenabrieb sowie eine höhere Verkehrssicherheit.

Generell, so die beiden, freue man sich auf eine lebhafte Debatte. Vor allem aber scheint man Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beispringen zu wollen. Dieser hatte Ende 2018 angekündigt, man werde die Chancen für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen juristisch prüfen. Die DUH denkt dabei an eine Beschränkung auf 120 km/h.

Also Pippi-Langstrumpf-Politik? Schön entlang am Motto „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Dichtung und Wahrheit, Vision und Realität klaffen hier einmal mehr meilenweit auseinander. Siehe hier.

Realität 1: Der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr wird durch Höchsttempo 130 kaum beeinflusst. Das Umweltbundesamt hat vorgerechnet: Bei Tempo 120 auf Autobahnen würde sich die CO2-Emissionen um 9 Prozent verringern. Da auf Autobahnen rund ein Drittel aller PKW-Kilometer herunterfahren wird, läge die PKW-bedingte CO2-Einsparung bei nur 3 Prozent. Da ferner der Pkw-Verkehr etwa 13 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland ausmacht, würden die CO2-Einsparungen somit national weniger als 0,5 Prozent betragen.

Realität 2: Autobahnen sind die mit Abstand sichersten Straßen in Deutschland. Auf ihnen wird etwa ein Drittel aller Kfz-Kilometer zurückgelegt. Die Verkehrstoten auf Autobahnen machen dagegen „nur“ ein Achtel aus. Auch international gibt es keinen Beleg dafür, dass Länder mit genereller Geschwindigkeitsbeschränkung, wie Österreich, Belgien oder die USA, sicherer abschneiden würden als Deutschland. Zudem ereignen sich auch innerhalb Deutschlands auf Abschnitten ohne Tempolimit nicht mehr Unfälle als auf Strecken mit Tempolimits von 120 oder 130 km/h. Am unfallträchtigsten mit rund 60 Prozent aller Verkehrstoten sind die Landstraßen, auf denen aber nur rund 40 Prozent aller Kfz-Kilometer gefahren werden.

Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass für rund 30 Prozent aller deutschen Autobahnen – Baustellen nicht mitgerechnet – ohnehin ein dauerhaftes oder zeitweises Tempolimit gilt. Und nicht mitgerechnet sind etwa für das Jahr 2018
die zum allergrößten Teil Autobahnen betreffenden täglichen 2.000 Staus mit einer jährlichen Gesamtlänge von 1,52 Millionen Kilometern. Siehe hier.

Realität 3: Deutschlands CO2-Ausstoß von jährlich rund 800 Millionen Tonnen CO2-Äqivalenten macht etwa 2,2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes von jährlich 36 Milliarden Tonnen aus. Zwei Millionen Tonnen, wie sie die Evangelische Kirche ohne Berücksichtigung der Realitäten 1 und 2 milchmädchenmäßig an Tempolimit-Einsparung vorrechnet, sind 0,25 Prozent des CO2-Ausstoßes Deutschlands. Nach Adam Riese machen diese zwei Millionen Tonnen Einsparung 0,005 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes aus. Die Welt wäre damit wieder mal gerettet!

Ob die zuständigen Minister nachgerechnet haben, wissen wir nicht. Jedenfalls hält Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein Tempolimit für falsch, das war zu erwarten. Aber auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) meinte, es gehe „aus Umweltsicht wirklich nicht mehr um ein Tempolimit auf Autobahnen“. Das sei eine „Symboldebatte aus der Vergangenheit“. Siehe hier.

Und die Evangelische Kirche? Multikompetent in allen Lebenslagen und Lebensfragen? Nein, Schuster bleib bei deinen Leisten, sagt man im Volksmund. Das sollte auch für die Kirchen gelten. Ihr „Job“ heißt Gott, Religion, Glaube. Aber nicht irgendeine grüne Pseudoreligion. Siehe hier.

Wenn letzteres, zum Beispiel die Religion des Klimawandels, der Job der Kirche wäre, dann müsste sie wegen CO2 zunächst alle Kerzen aus ihren Kirchen verbannen und könnte dann zweitens gleich mit der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ und der DUH fusionieren. Bei den Kirchentagen ist man ohnehin schon nicht mehr weit weg davon. Siehe hier.

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