Die Hetzjagd auf jüdische Fans in Amsterdam war der bislang schwerwiegendste antisemitische Vorfall im Europa der Gegenwart, doch dass es bislang noch nicht zu schlimmeren Vorfällen kam, ist lediglich dem unausgesprochenen Eingeständnis Europas zu verdanken, dass es in der Migrationspolitik versagt hat. Dass man in Brüssel dabei ausgerechnet jenem Mann, der für seine Zurückhaltung in Migrationsfragen seit Jahren gescholten wird, Viktor Orbán, Recht geben muss, ist eine wenig tröstliche Ironie des Schicksals.
Denn die Gefahr für Juden in Europa ist nicht erst seit der Amsterdamer Hetzjagd bekannt. Bereits die Heimspiele der israelischen Nationalmannschaft wurden nach dem 7. Oktober 2023 aus Sicherheitsgründen in Ungarn ausgetragen. Damit aber noch nicht genug, denn im September dieses Jahres wurde sogar das Heimspiel Belgiens gegen Israel nach Ungarn verlegt, da sich keine Stadt in Belgien fand, in der die Exekutive die Sicherheit der israelischen Spieler garantieren konnte.
Was zunächst unvorstellbar anmutet, wird von einer erschreckenden Erkenntnis abgelöst, wenn man sich an die „Feierbilder“ aus belgischen Städten während des Siegeszugs – nein, nicht der belgischen, sondern – der marokkanischen Nationalmannschaft während der Fußball-WM 2022 erinnerte, die durch ihre einzigartige Mischung aus Ausgelassenheit und Bürgerkriegsstimmung bestachen.
Ganz so schlimm ist es in Italien glücklicherweise noch nicht, aber auch vor dem Spiel Italiens gegen Israel in Udine wurde erwogen, das Spiel vor leeren Rängen durchzuführen. Das war dann aber doch nicht von Nöten. Eine kleine pro-palästinensische Demonstration vor dem Spiel konnte ohne Gefahr für Leib und Leben der israelischen Spieler und Fans von der Exekutive im Zaum gehalten werden.
Juden müssen ihre Identität wieder verstecken
Diese drei Beispiele zeigen bereits die in Europa herrschenden Abstufungen missglückter Migrationspolitik. Während Ungarn, mit über 40.000 jüdischen Einwohnern, die viertgrößte jüdische Gemeinschaft Europas stellt, steht Belgien an der Grenze zum „failed state“, insbesondere für Juden. Bei einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur (FRA) im Juli gaben 70 Prozent der in Belgien lebenden Juden an, ihre Identität zumindest teilweise zu verstecken, 84 Prozent gaben an, dass Antisemitismus ein großes Problem in ihrem Alltagsleben darstellt.
Als wären diese Zahlen noch nicht erschreckend genug: Die Umfrage wurde in der ersten Jahreshälfte 2023 durchgeführt, also vor dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober und der darauffolgenden Offensive Israels. Diese Zahlen sind also nicht durch das in manchen Kreisen kritisierte Vorgehen Israels in Reaktion auf den Hamas-Terror zu erklären, sondern machen sozusagen das „Grundrauschen“ des in Belgien vorherrschenden Antisemitismus aus. Es ist wohl nicht abwegig davon auszugehen, dass diese Werte nun nochmals deutlich höher liegen.
Dass nun auch eine judenfreundliche Stadt wie Amsterdam zum Schauplatz solcher Hetzjagden wurde, ist ein Zeichen, wie weit fortgeschritten der Prozess der Enthemmung ist. Ermöglicht wurde all dies durch jahrzehntelange Identitätspolitik der Linken, vor allem im akademischen Milieu, die durch ihre Voreingenommenheit im Kampf gegen Rechts in aller Kritik an muslimischer Massenimmigration nur Ausländerfeindlichkeit erkennen konnte, dabei aber den massenhaften Import von Antisemitismus übersah.
So muss, neben den Mobs, die nicht nur für Juden, sondern auch für Frauen die Straßen unsicher machen, vor allem jener Teil der europäischen Intelligenz, der diesen Prozess mit der Propagierung einer im besten Fall blauäugigen Migrationspolitik erst ermöglicht hat, für diese Ausschreitungen zur Rechenschaft gezogen werden. All jene in Europa, die die Warnungen seit Jahren und Jahrzehnten in den Wind schlugen, tragen als Schreibtischtäter zu diesen Entwicklungen bei.
Die Tatsache, dass ausgerechnet Viktor Orbáns Ungarn als letzter sicherer Hafen Europas für Juden gelten muss, ist ein trauriges Eingeständnis dessen, dass Orbán all die Jahre mit seiner Migrationspolitik Recht hatte. Ein Eingeständnis, von dem sich allerdings all die Juden, die verstreut in Europa leben, nur herzlich wenig kaufen können, wenn sie in Zukunft ihre jüdische Herkunft vollends verstecken müssen, um nicht zur Zielscheibe von Gewalt und Antisemitismus zu werden.
Ist das das Europa, von dem die Gründerväter der EU geträumt haben? Mit Sicherheit nicht. Nur wenige Tage nach der Wiederwahl Donald Trumps in den USA sind die Amsterdamer Ausschreitungen ein dringender Weckruf, dass es auch in Europa an der Zeit ist, den einst stolzen Kontinent wieder zu einem sicheren Ort für Juden zu machen.