Tichys Einblick
Neuer Sand im Brüsseler Getriebe

EU und Euro-Zone nach der Italien-Wahl

Schon bisher hatte sich von Holland über Dänemark und Finnland eine Front gebildet, die mehr Transfers im Eurosystem ablehnend gegenübersteht. Diese Gruppe wird durch das italienische Ergebnis weiter gestärkt werden.

© FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images

Italien hat gewählt. Das Ergebnis ist für die EU bitter: Die großen Gewinner sind die Fünf-Sterne-Bewegung mit 32,7% und die Lega Nord mit 17,4%. Beide Parteien sind EU-kritisch und stehen auch dem Euro-System skeptisch gegenüber. Während die Lega weiterhin möchte, dass Italien den Euro verlässt, haben die Fünf-Sterne ihre Position im letzten Jahr modifiziert und wollen aktuell im Euro bleiben. Wie Italien das schaffen soll, bleibt angesichts der großen wirtschaftlichen Probleme des Landes unklar. Die Lösung der Fünf-Sterne wäre, eine stärkere Vergemeinschaftung von Schulden und zusätzliche Transfers in der Euro-Zone einzurichten. Gleichzeitig möchte man die „Austerität“ beenden und die Sozialausgaben erhöhen.

Für die EU bedeutet das Resultat, dass eine stabile Regierung in Italien zunächst nicht absehbar ist. Eigentlich könnten die Fünf-Sterne inhaltlich gut mit der sozialdemokratischen PD zusammenarbeiten. Die PD hat aber am 6.3. angekündigt, in die Opposition gehen zu wollen. Wenn es zu einer Regierungsbildung kommt, wird diese sich in jedem Fall wohl nur dann Brüssel-freundlich zeigen, wenn Brüssel Zahlungsbereitschaft erkennen lässt.

Eigentlich hatte man sich das in Brüssel alles ganz anders vorgestellt. Der Plan war, nach der Bundestagswahl mit einer großen Koalition in Berlin schnell eine Reform der EU auf den Weg zu bringen und die Italiener mit Geldtransfers aus Deutschland zu bestechen. Sie hätten dann, so die Hoffnung in Brüssel und so auch die Hoffnung Macrons, eine pro-europäische aber auch reformbereite Regierung gewählt.

Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Das Zeitfenster, welches zwischen der Bundestagswahl am 24.9.17 und der Italien-Wahl am 4.3.18 immerhin fünf Monate lang war, wurde nicht genutzt. Das Hin- und Her der SPD hat die pro-Europäer möglicherweise das entscheidende halbe Jahr gekostet, das sie für ihre Reformen gebraucht hätten.

Gerade für die SPD ist das bitter, denn große Teile ihres Führungspersonals, z.B. Sigmar Gabriel und Martin Schulz, gehören zu den größten Befürwortern einer weiteren EU-Zentralisierung in Europa. Jetzt werden sie den deutschen Wählern noch schwerer vermitteln können, warum diese für die Italiener zahlen sollen. Vielleicht wird man eines Tages sagen, dass es die SPD-Spitze um Martin Schulz war, die mit ihrem unbedachten Beschluss gegen eine Große Koalition am Wahlabend den EU-Einheitsstaat verhindert hat.

Ebenso sieht es in den anderen potentiellen Zahler-Ländern aus. Schon bisher hatte sich von Holland über Dänemark und Finnland eine Front gebildet, die mehr Transfers im Eurosystem ablehnend gegenübersteht. Diese Gruppe wird durch das italienische Ergebnis weiter gestärkt werden.

Bisher hat Wolfgang Schäuble gegenüber den Zentralisierern in Brüssel und Paris die Linie vertreten, dass die EU keine weiteren Schritte in Richtung Transferunion gehen soll. Nach dem Ausscheiden Schäubles aus der deutschen Regierung hat sich die deutsche Linie geändert. Im Koalitionsvertrag finden sich die Forderungen Junckers und Macrons fast 1 zu 1 wieder. In Anbetracht der deutschen Euphorie, sehr viel mehr Geld für die EU bereitzustellen, hat nun der niederländische Ministerpräsident Rutte die Rolle des Oppositionsführers übernommen. Am Montag den 6.3., wohl nicht ganz zufällig am Tag nach der Italien-Wahl, haben acht nordeuropäische Regierungen in einem Brief angekündigt, sich neuen Transfers zu verweigern. Zu den bisherigen drei Staaten sind Irland, Schweden und die drei baltischen Staaten hinzugekommen.

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Die Lage des Euro-Systems bleibt derweil angespannt. Mehrere Staaten sind eigentlich bankrott. Da aber durch die Niedrigzinspolitik der EZB die Zinsbelastung dieser Länder massiv reduziert wird, haben sich mehrere von ihnen stabilisieren können. Gleichzeitig setzt sich die Verelendung in mehreren Ländern, wie Griechenland oder Italien, fort. Junge Leute wandern ab. Um weitere notwendige Reformen anzugehen, fehlt diesen Ländern zumeist die Kraft. Immerhin könnte Spanien die Wende schaffen. Dem Land gelingt es, mit niedrigen Löhnen ausländische Direktinvestitionen anzuziehen und zur Werkbank Europas zu werden. Bei weiter schnell sinkender Arbeitslosigkeit dürfte dann in den nächsten Jahren auch das Staatsdefizit in den Griff zu bekommen sein.

Ganz anders sieht es in Frankreich aus. Der französische Präsident Macron hat inzwischen einige Reformen auf den Weg gebracht, aber erreicht bisher nur geringes Wachstum. Die Unternehmen finden keine ausreichend qualifizierten Arbeitnehmer mehr, während die Arbeitslosigkeit mit knapp 10% weiterhin relativ hoch ist. Insbesondere große Teile der Bevölkerung arabischer und afrikanischer Herkunft sind für den relativ teuren französischen Arbeitsmarkt nicht ausreichend qualifiziert. Dieser Zusammenhang zeigt das katastrophale Versagen des französischen Schulsystems und der Integration. Außerdem hat Frankreich sein Defizit nicht im Griff. Es liegt weiterhin bei jährlich knapp 3% des BIP.

Die Abhängigkeit der südeuropäischen Staaten von der EZB und die Schwäche Frankreichs bedeuten, dass das Euro-System auf gutes Wetter angewiesen ist. So lange die Konjunktur weiterläuft, kommt das Euro-System zumindest nicht wieder in Existenznot. Einen Einbruch der Konjunktur könnte es aber wohl kaum verkraften. Solch ein Konjunktureinbruch ist aber jederzeit möglich. Mögliche Auslöser sind u.a. ein Handelskrieg mit den USA, ein harter Brexit oder finanzielle Probleme in China.

Ob in einer neuen Krise das Euro-System noch zu stabilisieren wäre, bleibt offen. Die EZB betreibt schon heute mit ihrem Ankaufprogramm PSPP sehr deutlich verbotene monetäre Staatsfinanzierung, weil sie den Kapitalschlüssel des Euro-Systems nicht mehr einhalten kann und überproportional Anleihen von stark verschuldeten Staaten kauft. Eine weitere Expansion dieser Anleihekäufe würde den Verfassungsbruch bestätigen.

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Um die Euro-Zone dauerhaft funktionsfähig zu gestalten, brauchen die „pro-Europäer“ also eine Verlagerung der Transfers weg von der EZB. Der Plan der „pro-Europäer“ in der EU und der SPD ist es, deutsches Steuergeld in den Süden zu schicken, damit der Süden damit deutsche Produkte kaufen kann. Dazu stehen diverse Instrumente, wie z.B. eine Europäische Arbeitslosenversicherung oder Europäische Steuern, im Raum. Es handelt sich also um eine Exportsubvention gigantischen Ausmaßes zu Gunsten der deutschen Exportindustrie und zu Lasten des Steuerzahlers. Das Modell ist zwar absurd, aber es funktioniert, so lange der deutsche Steuerzahler von seinen eigenen Politikern erfolgreich belogen wird und ausgebeutet werden kann. Da die deutschen Altparteien viel zu verlieren hätten, wenn der Schaden offensichtlich würde, müssen sie die Erzählung des „Erfolgsmodells Euro“ aufrechterhalten.

Die SPD hat die Notwendigkeit der Transfers zum dauerhaften Erhalt des Euro erkannt. Die CDU/CSU verweigert sich noch halbherzig. Aber auch die Union hat viele pro-Europäer in ihren Reihen, so z.B. den deutschen EU-Kommissar Oettinger oder den CSU-Mann und EVP-Vorsitzenden Weber. Beide würden liebend gerne mehr Geld und Macht nach Brüssel und so in den Süden transferieren.

Bei Merkel weiß man das nicht so genau. Die Kanzlerin drückt sich zumeist so lange um Entscheidungen, wie es nur geht, und wählt dann die teuerste Lösung. Vor wenigen Wochen hatte sie angedeutet, dass das Zeitfenster für die EU-Reformen nun zu kurz sei und man bis zur nächsten Legislaturperiode des EP warten müsse. Immerhin ist die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai nächsten Jahres und der Wahlkampf wird spätestens im Herbst 2018 beginnen.

Für Brüssel wäre diese Vertagung eine Hiobsbotschaft. Man wäre dann auf eine gute Konjunktur angewiesen und müsste darauf hoffen, dass Länder wie Italien mit den Fünf-Sterne-Politikern und der Lega Nord aus eigener Kraft die Wende schaffen. Man darf skeptisch sein.

Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete (Liberal-konservative Reformer).

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