Tichys Einblick
„Die wahren Europäer sind wir“

EU: Kundgebung der Souveränisten in Mailand

Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini hatte zur Manifestation, „Prima L'Italia“ nach Mailand eingeladen.

Pier Marco Tacca/Getty Images

Traut man den Umfragen EU-weit und nimmt man die aktuellen Daten in Italien zur Hand, die besagen, dass Matteo Salvinis Lega zwischen 30 und 32 Prozent erreichen könnte, dann wird sich die (bisherige) EU auf eine Kürzung ihrer bisherigen Pfründe einstellen müssen. Die rechtskonservativen Parteien finden regen Zulauf und Zustimmung.

Jedenfalls war die Piazza Duomo in Mailand, der Hauptplatz am Dom, komplett mit Besuchern aus Italien, aber auch aus anderen EU-Nationen, sehr gut besucht. Ja, zu Tausenden waren die Bürger zur Kundgebung geströmt. Trotz andauernden Nieselregens. Linke Gruppierungen versuchten lautstark zu stören.

Es blieb beim Versuch. Politische Banner gegen Salvinis Politik waren vereinzelt sichtbar. Das gehört zu einer Demokratie, selbst wenn sich die Parolen oft unwürdig, pietät- und geschmacklos gegen Salvini richteten.

Der guten Stimmung tat dies alles aber keinen Abbruch. Innenminister und Lega-Chef Salvini hatte zur Manifestation, „Prima L’Italia“ eingeladen, doch mit seinen europäischen Mitstreitern wie Jörg Meuthen, Geert Wilders (freiheitliche Partei der Niederlande) sowie Marine Le Pen oder dem Dänen Anders Vistisen (von der Bürgerpartei) auf der Bühne, könnte man den Slogan auch in ein, „Europa den wahren Europäern“, umwandeln.

Denn daran ließ das „Trio Infernale“ der Rechtspopulisten (aus Sicht der europaweiten Linken) keinen Zweifel aufkommen. Salvini, Meuthen und Le Pen, meinten unisono in ihren Reden, die frenetisch applaudiert wurden: „Wir sind keine Anti-Europäer, wie die EU-Elite stets behauptet, im Gegenteil, wir sind die echten Europäer“, weil ihnen der Kontinent eben nicht egal sei, wie den derzeit herrschenden EU-Politikern.

Dass sich innerhalb der EU bereits Nervosität und Unruhe breit mache, nahm Salvini als Bestätigung und bezog das Publikum am Domplatz ständig mit ein. Die EU mit den etablierten Parteien habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht, und sich von „uns Bürgern mit gesundem Menschenverstand“, einfach entfernt.

Doch bevor der Lega-Chef selbst seine flammende Rede hielt, sprachen die Freunde und Parteichefs der europäischen Rechten ihre Begrüßungsworte und stellten ihre Ziele vor.

WILDERS PFERD IN DER SCHLACHT

Da war zum Beispiel auch Jaak Madison, Vize-Parteichef der Konservativen Volkspartei (EKRE), der dritten Kraft in Estland, smart auf Englisch parlierend (stets simultan übersetzt), der offen die Marschroute angab: „Europa und die nationalen Eigenheiten“ gehören geschützt, und „Juncker sollte mal nach Italien kommen, um selbst zu sehen“, wie man die EU und auch die einzelnen Staaten schütze. Man könne Identitäten und regionale Gegebenheiten nicht vereinheitlichen. Eine EU, sei immer eine Union unterschiedlicher Menschen und Sprachen.

Boris Kollar aus der Slowakei wiederum, Parteiführer der SME Rodina, zu deutsch, „Wir sind eine Familie“, begann mit dem Bonmot, dass Salvini der beliebteste Politiker in der Slowakei sei. Warum das so ist? „Weil Matteo die Traditionen bewahren und schützen möchte, und die Probleme mit den Immigranten gelöst hat“, deshalb mögen sie ihn in der Slowakei.

Geert Wilders wiederum, der widerborstige Holländer, trat auf, wie man ihn kennt, direkt und offen, und eine Spur zu populistisch, klar, Wilders wetterte gegen den Islam. Ja, seit Jahren führt er damit sein Pferd in die Schlacht. „Genug mit dem Islam“, man könne den EU-Eliten nicht vertrauen, die die eigene Identität und Sicherheit abschaffen und Europa gleichzeitig mit Migranten auffüllen wollen.

JAPANISCHER TSCHECHE

Applaus bekam nicht nur Wilders, sondern auch Tomio Okamura aus der Tschechischen Republik. Eine interessante Personalie. Okamura, 46, Unternehmer und japanisch-tschechischer Abstammung, wurde als politischer Euro-Skeptiker bekannt. Anno 2012 wurde Okamura Politiker, gründete die Partei „Morgendämmerung“, nun ist er Chef seiner SPD, aber halt, diese hat nichts mit den deutschen Sozialdemokraten am Hut. Okamuras SPD steht für „Freiheit – direkte Demokratie“, und ist vierte Kraft in Tschechien. Ein Hauptanliegen Okamuras ist es, den Islam in Tschechien zu verbieten.

Okamura also sprach in Mailand folgende Sätze, die er aus dem Willen vieler Tschechen, herauslesen will: „Es liegt an uns, ob Europa, Europa“ bleibe, oder ob „Wir dieses Europa von Merkel und Macron weiter islamisieren“, und unsere europäischen Werte und Traditionen abschaffen ließen.

LE PEN GEGEN MACRON

Stichwort Macron, der liegt momentan gleichauf, andere Demoskopen sagen ein wenig hinter Marine Le Pen. Salvinis Freundin im Geiste, wie die anderen Redner auch, möchte eine Allianz innerhalb der EU, eine Vereinigung der Souveränisten. Le Pen gewann das Publikum, indem sie die Globalisierung als Instrument der Banken und der Starken innerhalb der EU in Frage stellte.

Sie führte aus, dass diese unkontrollierte Migrationspolitik aufhören müsse, die den Nationen übergestülpt werde. Auch werde sie es nie akzeptieren, dass „unser materielles wie immatrielles Erbe“, abgeschafft würde. Es gehe schlichtweg um die Bewahrung unserer Kultur.

Matteo Salvini bleibt es also vorbehalten, die europäischen Parteien der Souveränisten innerhalb der EU zu einer dritten, wenn es ganz gut läuft, zu einer zweiten Kraft zu bündeln. Den Linken, mit den Sozialisten und der EVP, dürfte dann stets ein heftiger Contrawind ins Gesicht blasen.

Matteo Salvini, dem ein paar Banner mit Parolen wie, „Offene Türen, offene Herzen“, nicht entgangen waren, zählte nochmals auf, dass die Allianz der freiheitlichen und souveränen Nationen, die Wirtschaft stärken und die Massenarbeitslosigkeit der Jugendlichen EU-weit senken wolle. Erst die eigenen Bürger, bevor man sich um Millionen von Fremden kümmere, die unqualifiziert und nicht integrierbar seien.

ROHFASSUNG DES MANIFESTS

Kurz zusammengefasst, das Manifest der Europäischen Allianz der souveränen und freiheitlichen Nationen, beinhaltet:

1. Bekenntnis zu demokratischen Werten;

2. Beibehaltung der Souveränität der Nationen und deren Bürger, und die Förderung von Kooperationen zwischen den Ländern, jedoch werde ein Superstaat klar abgelehnt, der in die Souveränität der Mitgliedsstaaten eingreife;

3. Wahrung der eigenen (kulturellen) Identitäten;

4. Die Spezifizierung – die ganz eigenen und speziellen ökonomischen, kulturellen wie sozialen und auch territorialen Modelle der Staaten werden innerhalb der EU anerkannt und auch verteidigt. Die Allianz schützt und stärkt nationale Unterschiede;

5. Freiheit – auch in der Umsetzung von eigenen Verteidigungs- und Schutzkonzepten. Auch der Schutz der Meinungsfreiheit und des Ausdrucks müssen gegeben sein. Momentan scheint es nämlich so, dass die digitale Freiheit total bedroht und eingeschränkt wird;

6. Der Schutz der Kultur als Basis der Politik. Soll heißen, die Kultur ist die Essenz des politischen Bewusstseins eines jeden Bürgers. Politisches Bewusstsein wird durch eine kulturelle wie wissenschaftliche Pädagogik entwickelt und vermittelt.

ITALIEN RETTET WEITERHIN

Außerdem, es werde stets verschwiegen, so Italiens Innenminister bereits im Vorfeld, dass das Land weiterhin „Frauen, Kinder und Kranke“ aufnähme, eben alle die, die auch dankbar und in guter Absicht kämen. Italien aber bleibe für die Masse an Männern, die nicht vor Terror und Krieg fliehen, geschlossen.

FINGERZEIG AN PAPST FRANZISKUS

Übrigens auch zum Wohle der anderen Staaten. Und, in Richtung Papst Franziskus, seit Salvini regiere, und die Gesetze griffen, gäbe es „zero morti“, keine Toten, im Mittelmeer. Kurz, Europa müsse europäisch bleiben.


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.

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