Tichys Einblick
Politisch unpolitisch

Es grünt so grün, wenn Baerbocks Blüten blühn

Grünen-Chefin Baerbock sagt, in Thüringen sei beinahe jemand Ministerpräsident geworden, der »nicht auf dem Boden des Grundgesetzes« stehe. Autor Dushan Wegner hat in Thüringen jemanden gesehen, der die Werte der Demokratie mit Füßen trat, doch die ist bereits Kanzlerin.

Ich will es gestehen, will es zugeben, will Farbe bekennen, selbst wenn der Gegenstand meines Bekenntnisses bei Gelegenheit schwarzweiß mit Klecksen von Grautönen daherkommt. Ich will es offenbaren, und dieses Es ist: Ich mag abstrakte Kunst. Ich mag abstrakte Kunst wirklich gern. Aus den Pinseln, Farbdosen und Werkstätten der Künstler erfahren wir zuweilen (manche sagen: seit Jahrhunderten schon!) präzisere Wahrheit als aus den Redaktionen (manche sagen: das ist auch nicht schwer heute, bei diesen Redaktionen).

Zur Illustration: Ich erinnere mich an die Retrospektive des US-Amerikaners Christopher Wool. Ich erinnere mich an den Moment, als Elli und ich vor einem seiner großformatigen Werke standen – und ich war geschockt (auf die bestmögliche Art).

Ich will mich hier nicht in blumige Klischees verlieren, wie ich »am Herz berührt« oder »bis ins Mark getroffen« war, erstens da das betreffende Bild weder Blumen noch Herzen darstellte, nicht einmal Knochen, Mark oder Euro (der letzteren aber viele kostete).

»Das ist doch nur Gekritzel und Geschmier!«, hätte ein anders empfindsamer Mensch als ich lapidar ausrufen können (sagt jemand eigentlich noch »das könnte mein kleines Kind auch«?), und beim »nur« hätte ich ihm widersprochen, aber dass es ein sehr edles »Gekritzel und Geschmier« war, da wäre beinahe etwas dran. (Bei artobserved.com, 29.5.2009 gibt es ein paar Bilder der Bilder.)

Es war ein gesiebdrucktes Geschmier, das wäre sachlich richtig – doch sträflich unvollständig – denn es berührte mich, so pathetisch das klingen mag. (Mein eigener Definitionsversuch zu Kunst enthält, dass Kunst kommuniziert, was in formaler Sprache allein nicht zu beschreiben wäre. Der Biochemiker beschreibt, warum die Madeleine im Ofen so hübsch aufgeht, der Bäcker beschreibt, was es überhaupt braucht, damit sie so hübsch aufgeht, es braucht jedoch den Künstler, dessen Kunst uns etwas nachspüren lässt, wie etwa der feine Duft einer in Tee getunkten Madeleine uns bei der Erinnerung, auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Mir blieb sekundenlang die Luft weg, als ich vor Wools Großformatigen stand, das ist wahr – doch ich erinnere mich (und darum erzähle ich es hier) eben auch daran, dass mir in selbem Moment dann doch durchaus bewusst wurde, dass es eben »Gekritzel und Geschmier« ist.

Ich mag abstrakte Kunst wirklich gern. Ich bin mir zugleich bewusst, dass sie »konventionellen« Maßstäben nach abbildender Qualität nicht standhält, dass sie teils weniger »ästhetischer Wohlgenuss« als vielmehr »Philosophie mit Wandaufhänger« ist – und die Tauglichkeit der Philosophen als Wandbehang (oder Nachtlektüre) ist durchaus umstritten.

Ich mag abstrakte Kunst, doch ich würde niemandem empfehlen, die Raketenfahrt nach Vincents Nachthimmeln zu planen oder die Uhren seiner Produktionsstätten nach Salvadors Beständigkeit der Erinnerung.

Die wahren Eltern

Die »The Holy Spirit Association for the Unification of World Christianity« (auch »Moon-Sekte« genannte, siehe Wikipedia: »Vereinigungskirche«) hatte jahrzehntelang an ihrer Spitze von Sun Myung Moon und dessen Ehefrau Hak Ja Han, die als »Wahre Eltern« galten. Ähnlich wie die »Moonies« werden auch die Grünen immer von einem ganz traditionell mit einem Mann und einer Frau besetzten Paar geleitet.

Aktuell werden die Rollen der »wahren Eltern« der Grünen vom Kinderbuchautor Robert Habeck und der Trampolinspringerin Annalena Baerbock bekleidet. (Ich habe jeweils die mir bekannten letzten Tätigkeiten außerhalb von Politik oder Studium genannt.)

Beide, Herr Habeck und wie auch Frau Baerbock, werden von ihrer Zielgruppe und wohl auch von sich selbst, für sehr klug gehalten. Beide sagen sie – es sind ja Grüne – nicht selten nicht kluge Dinge.

Frau Baerbock ist bekannt für ihre Theorien zum Strom, wo das »Netz« angeblich als »Speicher« dient (heise.de, 31.1.2018) und in Batterien kleine Kobolde schuften (focus.de, 31.7.2019). Auch Habeck fiel in letzter Zeit mit seinen »gefühlten Wahrheiten« auf, etwa zur Pendlerpauschale (welt.de, 23.9.2020) oder zur Bankenaufsicht (Essay vom 4.8.2020). (Und nein, es häuft sich nicht gerade zufällig – schon 2016 listete ich im Essay »Es gibt kein Recht auf Dummheit« eine Reihe typischer grüner Fehlleistungen – man könnte es beliebig fortsetzen, doch wer wollte und sollte das lesen? Exemplarische Beleuchtung muss genügen.)

Die neueste spektakuläre Fehlleistung von den Grünen »Papi und Mami« stammt von Frau Baerbock, und sie wurde zur Premium-Sendezeit im grünenverliebten Staatsfunk zelebriert.

Die Sendung beginnt mit dem für den deutschen Staatsfunk obligatorischen Trump-Bashing. Anschließend erhält Frau Baerbock die Möglichkeit, in typisch linken Kindergärtnerinnen-Sprachduktus ihre Talking Points zu positionieren.

Man vergisst das so schnell, vor einem halben Jahr, Thüringen, da standen wir kurz davor, dass ein Nazi, dass jemand, der nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht, in einem unserer Bundesländer zum Ministerpräsident gewählt wird. (Lanz: Das stimmt, ja.) Dieser Moment hat mich erschüttert. Ich glaube, der hat wahnsinnig viele Menschen in diesem Land erschüttert. (Lanz: Ja) (Annalena Baerbock bei Markus Lanz, zdf.de, 18.8.2020, ab Minute 29)

Staatsfunker Lanz stimmt bereitwillig zu, niemand im Staatsfunk-Studio widerspricht.

In Thüringen war tatsächlich der FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt worden, und die Demokraten unter uns freuten sich, dass es vielleicht in Merkels Propagandastaat etwas demokratische Souveränität geben könnte. Mein Essay dazu trug den hoffnungsvollen Titel »FDP-Mann wird Ministerpräsident von Thüringen – endlich etwas Normalität«.

Doch, die hoffnungsvolle Freude unter den Freunden von Demokratie und Rechtsstaat sollte von kurzer Lebensdauer bleiben. Die in Thüringen aufflackernde Flamme der Demokratie wurde schon bald von Merkels Stiefel ausgestampft.

Die FDP kuschte vor der Merkelin (siehe mein Text »Kann Merkel-Deutschland sich ›Demokratie‹ nennen?«). »Die FDP ist überflüssig wie eine dritte Brustwarze«, schrieb ich damals als Reaktion, und dem habe ich weiterhin wenig hinzuzufügen.

Sofort nach seiner Wahl wurde Kemmerich von den Antifa-Truppen bedrängt, sein Büro wurde beschmiert und seine Familie angegriffen (welt.de, 10.2.2020). Wen interessiert, dass einer gewählt wurde, wenn die Kanzlerin es für »unverzeihlich« erklärt?

Den demokratisch gesinnten Bürgern blieb wenig übrig, als symbolisch einen »Kakao« zu trinken, während »die Idee der Demokratie in Flammen steht«.

Ich habe in den Ereignissen von Thüringen durchaus einen Akteur gesehen, dessen Handeln länger schon nicht mit meinem Verständnis von Rechtsstaat und freiheitlicher Demokratie in Einklang zu bringen ist, und diese Person ist Frau Merkel.

Eine große Kleckserei

Zwei Tage nachdem Frau Baerbocks Worte den FDP-Politiker Kemmerich zum »Nazi« erklärten, der »nicht auf dem Boden des Grundgesetzes« stehe, schaltet Kemmerich seinen Anwalt ein (bild.de, 19.8.2020) – mehr als eine halbgare Fake-Entschuldigung wird er kaum erhalten. Auf BILD-Anfrage rudert die Annalena »Kobold« Baerbock zurück – und sie behauptet, sie habe »unpräzise formuliert«.

Ich habe schon ein oder zwei mal formuliert (etwa bei Twitter), das Weltbild von Linken sei auf Lügen gebaut.

So faktisch richtig diese Aussage ist, trifft sie doch nicht die Funktionsweise linker Lügen.

Aussagen haben für Linke eine andere Funktion als für Nicht-Linke. Linke Aussagen transportieren Emotion, etwa Panik oder Empörung, nicht Fakten oder Erörterung wahrscheinlicher Konsequenzen.

Wenn eine Claudia Roth faktenfrei behauptet, es habe 16.000 »Atomopfer« von Fukushima gegeben, dann will sie nicht Inhalte transportieren, sondern eine Emotion wecken. Die Worte »Sechzehntausend«, »Atomopfer« und »Fukushima« sollen in Grünen-Wählern bestimmte Gefühle triggern – wer die Fakten prüft, der gilt als »Populist«, »Nazi«, »Faschist« et cetera. (»Faktennazi« ist tatsächlich ein im Deutschen verwendeter Begriff für jemanden, der auf korrekten Fakten besteht – nicht zu verwechseln mit dem zynisch benannten »Faktenfinder«, welcher innerhalb des Staatsfunks ein »Ein-Mann-Wahrheitsministerium« zu spielen scheint.)

Wenn Frau Baerbock von »Nazi« spricht, Habeck irgendwelche »gefühlten Wahrheiten« zu Behörden oder geltenden Gesetzen erzählt, wenn Linke ihre politischen Gegner routiniert des »Faschismus« zeihen oder wenn Frau Roth von 16.000 Atomopfern spricht, dann transportieren sie nicht Inhalt – und wollen es vielleicht auch nicht, weil ihre Zielgruppe lieber fühlt als prüft – sondern sie malen mit Worten ein emotionales Bild – eine Kleckserei.

Der klitzekleine Unterschied

Erlauben Sie mir, einen Test-Satz zu konstruieren (und anschließend kurz mit Ihnen zu besprechen): »Es ist nicht schlimm, wenn der Robert sich mal vertut, denn er begreift tiefere Wahrheiten, welche die Rechten doch nicht verstehen. Der Robert, der ist echt.«

Können Sie sich vorstellen, dass obiger Satz tatsächlich in vollem Ernst unter Linken oder im extrem grünenfreundlichen Staatsfunk gesagt wird? Natürlich können wir das – es wäre mit Abstand nicht das peinlichste journalistische Liebesbekenntnis an den »Robert« (mehr zum Robert H. im Essay vom 18.1.2020).

Ich mag abstrakte Kunst. Grüne Politrhetorik ist wie abstrakte Kunst, wo ein paar Farbkleckser viele Emotionen wecken können.

Der klitzekleine Unterschied: Abstrakte Kunst hängt an der Wand, und wenn wir uns sattgeschaut haben, gehen wir aus dem Museum heim – in eine Welt, die (hoffentlich) weder kubistisch noch expressionistisch noch linksgrün organisiert ist.

Zmalovaný

Ich liebe moderne Kunst. Ich liebe das Chaos auf der Leinwand, welches den Sturm in der Seele des Künstlers widerhallt – und damit auch mir ein Werkzeug gibt, meine »inneren Stürme« irgendwie zu bewältigen. Ich liebe die Versuche, unser Scheitern an der Ordnung der inneren wie der äußeren Welt buchstäblich zu bebildern.

Doch bei allem riesengroßen Respekt, den ich für jeden einzelnen Künstler hege, dessen »Gekritzel und Geschmiere« meine Seele berührt – ich hätte gern deren Bilder an den Wänden, in denen ich wohne – doch ich bin mir absolut, unmissverständlich sicher, dass ich nicht in deren Bildern leben möchte.

Es hat seinen Grund, dass sich Künstler zur »emotionalen Linken« hingezogen fühlen. Künstler klecksen und wecken darin Emotionen – linke Politiker ebenso. Es ist eine Liebe in zwei Richtungen! Auch linke Politik fühlt sich der Kunst verbunden! Man beachte etwa die herzerwärmende Liebeserklärung, die Michelle Obama anlässlich eines Empfangs junger Filmstudenten und Filmstudentinnen im Weißen Haus an Harvey Weinstein richtet (siehe YouTube) – oder die vielen anderen Liebesbekundungen Hollywoods an jenen Herren (auch auf YouTube).

Ich bin mir »ein wenig unsicher«, ob »Kulturschaffende« gute Politikberater sind. Ich bin absolut sicher – und alle Erfahrungen bestätigen es – dass Grüne keine guten Politiker sind, denn statt zu denken und zu argumentieren, klecksen sie bloß mit Worten.

Im Tschechischen kennt man den Ausdruck »zmalovat«, und er bedeutet wörtlich etwa »bemalen« oder »mit Farbe beschmieren«, wird aber öfter als »verprügeln« verstanden. Jemanden »anzumalen« bedeutet im Tschechischen, ihn zu verprügeln. Einer, der verprügelt wurde, der ist »zmalovaný« – wobei »zmalovaný« auch »sturzbetrunken« bedeuten kann.

Wer Grüne an die Macht lässt, der sieht bald »zmalovaný« aus. Das ist ja nicht (nur) Polemik! Dank des Föderalismus (soweit Merkel ihn nicht »unverzeihlich« findet) haben wir ja die Vergleichsmöglichkeit. Fragen Sie mal die Schüler und die innere Sicherheit in Ländern und Städten, wo Grüne die Politik mitbestimmen.

Von den Klecksern fern

Gegen Grüne (und den Staatsfunk) zu sein ist auch, aber nicht nur, politisch.

Gegen die Grünen zu sein bedeutet, gegen Lügen und Dummheit zu sein. Und andersherum: Gegen Lügen und Dummheit zu sein muss bedeuten, gegen die Grünen zu sein.

Unser aller Lebenszeit ist beschränkt. Nicht jeder möchte sein Leben dem politischen Streit opfern – vor allem nicht, wenn all deine Arbeit vor Ort mit einem Stiefeltritt aus Berlin wieder zunichte gemacht werden kann. Ich kann verstehen, wenn Menschen sich aus dem Politischen zurückziehen.

Gegen die Grünen zu sein, das ist nicht (zwingend) politisch. Wer gegen die Grünen ist, der sagt zuerst, dass er gegen die Dummheit ist.

Die Grünen sind gefährlich, weil Dummheit gefährlich ist. Unsere Geschichte wie auch die Gegenwart lehren uns: Haltet die Kleckser von der Politik fern – und euch selbst haltet von den Klecksern fern!


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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