Tichys Einblick
Keine Wahl

Erbschaftsteuer Flat-Rate

Die Parteien wollen es sich mit einer Mogelpackung einfach bei der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen machen. Die Zeche zahlt der Mittelstand. Und das betrifft uns alle.

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Wie zu erwarten war, schwelt nach der missglückten Erbschaftsteuerreform die Debatte weiter. Zum einen besteht große Einigkeit darüber, dass das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht nach wie vor äußerst kompliziert ist. Nun ist Kompliziertheit an sich nicht verwerflich. Im gegebenen Fall geht das Komplizierte allerdings mit Auslegungen und Bewertungen einher – etwa bei der Ermittlung des Unternehmenswerts oder der Abgrenzung des Verwaltungsvermögens oder der Bewertung des Privatvermögens. Da ist dann leicht sowohl der steuerkreativen Gestaltung als auch dem Auseinanderdriften von steuerlicher Fiktion und Realität Tür und Tor geöffnet. Von Steuergerechtigkeit kann dann schnell nicht mehr die Rede sein.

Zum anderen hat das links-grüne Agenda-Setting die soziale Gerechtigkeit zum Top-Thema des Bundestagswahlkampfs 2017 erkoren. Dabei bleibt – wie meistens – unklar, was gerecht und was sozial sein soll. Umso klarer erscheint den sozialen Gerechtigkeitskämpfern aber, dass es jedenfalls das Gemeinwesen mehr Geld kosten wird, und daher unbedingt mehr Umverteilung erforderlich ist. Derart, dass man an die Substanz gehen muss. Ja, in höchster Not mahlt der Bauer auch das Korn, das zur Aussaat im nächsten Jahr gedacht war, und schlachtet die zähe Milchkuh.

So wird die Erbschaftsteuer wohl auch 2017 wieder in alle Wahlprogramme einziehen. Nach Stand der Dinge sogar mit erstaunlich großer Einigkeit zumindest über die Ausgestaltung: Eine Flat-Tax soll es sein. Ein Steuersatz, keine Ausnahmen – nur Freibeträge nach dem Verwandtschaftsgrad. Ein wachsender Kreis von Politikern will mit Vereinfachung punkten. Am Rande dazu: Dass die Abschaffung der Erbschaftsteuer sowohl die verfassungsrechtlich stabilste, als auch einfachste Lösung ist, auf diese schlichte Idee kommt tatsächlich niemand.

Thomas Gambke und Dieter Janecek – der eine Mittelstandsbeauftragter, der andere wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion – meinen, dass 15 Prozent einheitlicher Steuersatz auf alles außer Freibeträgen der Königsweg wäre. Gambke hält das sogar für „in Expertenkreisen unumstritten“.

Die FDP in Nordrhein-Westfalen um den Parteichef Christian Lindner hält bereits eine Flat-Tax von zehn Prozent für einnahmestabil und meint, dass man nur den Steuersatz einfach machen muss, um bürokratiearm Rechtssicherheit zu erlangen. Eine Flat-Tax wäre „einfach, niedrig und gerecht“.

Die Mittelstandsunion MIT von CDU und CSU legt sich mit 12,5 Prozent dazwischen und schreibt auch Flat-Tax drüber, baut aber im Kleingedruckten wenigstens noch ein paar Verschonungsregelungen für typische Familienunternehmen und Kleinunternehmer ein. Bei der MIT ist dieser Sündenfall in die Substanzbesteuerung besonders bedauerlich, weil die bayerische Mittelstandsunion eigentlich eine kluge Alternative in petto hatte: Bei Betriebsvermögen sollte die Erbschaftsteuer nur auf tatsächlich damit erwirtschafteten Gewinn erhoben werden, drei Prozent über zehn Jahre. Um der unionsinternen Harmonie willen loben nun aber auch die Bayern die Flat-Tax auf die Substanz anstatt auf den Gewinn als mittelstandsfreundlich.

Bei den Linken würden die meisten sowieso am liebsten alle Unternehmen in Belegschafts- oder besser Volkshand übertragen. Und 100 Prozent Steuer kann man ja auch irgendwie als Flat-Tex verstehen. Allein die SPD lässt systematisch noch nichts raus, aber wenigstens hat Martin Schulz die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer schon einmal zu Kampfbegriffen der Bundestagswahl erklärt. Nachdem aber Schulz ohnehin ein Freund der Vereinfachung beim politischen Zu-Ende-Denken ist, wollen wir ihn mal vorauseilend auch dem Flat-Tax-Lager zuordnen.

Also eine ganz große Koalition für eine einheitliche Besteuerung von gleichermaßen Vermögen und investiertem Betriebsvermögen im Erbschafts- oder Schenkungsfall. Nur beim Steuersatz muss noch ein wenig gefeilscht werden.

Jedem aber, der sich nur ein wenig mit der Thematik beschäftigt, ist sonnenklar, wer die Zeche zahlt, wenn eine Flat-Tax eingeführt wird. Nachdem das jedoch offenbar alle im Simplifizierungseifer übersehen haben, hat es das Institut der Wirtschaft in Köln jetzt noch einmal en detail vorgerechnet: Im Gegensatz zum Status quo ist ein „Flat-Tax-Modell schlecht für kleine Unternehmen“.

„Gleiche Erbschaftsteuer für alle hat Tücken“ titelt Daniel Eckert dazu in der WELT mit Recht. Über Modellrechnungen kommt das IW Köln zu dem Schluss: „Erben großer Unternehmen würden von einer Flat-Tax profitieren“. Bei der angestrebten Aufkommensneutralität geschieht das unweigerlich zu Lasten der kleinen und mittleren Betriebsvermögen. „Es wird deutlich, dass die Belastung für kleine und mittlere Unternehmen bei einem einheitlichen Steuersatz von 8 Prozent bereits deutlich größer ist als nach der aktuellen Gesetzeslage.“ Das ist eigentlich logisch, quasi systemimmanent, aber ist das denn wirklich so gewollt?

Und macht es denn wirklich Sinn, den Bürgern mit der Flat-Tax vorzugaukeln, dass es vollkommen egal ist, wie ein Vermögen angelegt ist? Ein Picasso an der Wand gleich Edelmetallen im Schließfach gleich Aktien auf dem Depot gleich den Unternehmensanteilen eines haftenden Gesellschaftergeschäftsführers? Überall mit dem gleichen Hobel drüber ohne Rücksicht auf Verluste, ist das verantwortungsvolle Politik?

Der Staat lässt der Gesellschaft zu wenig Platz
Marktwirtschaft oder Krieg
Firmeninhaber sind Firmeninhaber und Familienunternehmer sind Familienunternehmer, weil sie aus eigenem Vermögen etwas unternehmen wollen. Daher investieren sie in ihre Unternehmung und haften dafür. Der überragende Teil unserer Arbeits- und Ausbildungsplätze und unseres Steueraufkommens hängt buchstäblich vom Vermögen der Unternehmer ab. Von vielen kleinen und mittleren, aber nicht minder von einigen großen. Vom investierten Betriebsvermögen und vom haftenden, krisensichernden Privatvermögen. Allesamt gebildet aus ordentlich versteuerten Gewinnen. Mit der Absicht es über Generationen zu hinterlassen, um die unerlässlichen Kapitalstöcke aufbauen zu können.

Jede Steuer, die nicht an der Wertschöpfung ansetzt, sondern am Vermögen, schmälert unweigerlich die Substanz oder wenigstens die künftigen Potenziale dieser Kapitalstöcke. Jede Steuer auf Betriebsvermögen – egal ob als Erbe, Schenkung oder im Bestand – mindert unmittelbar die Wirtschaftskraft. Das wird bei mäßigen Steuersätzen freilich das eigenverantwortliche Unternehmertum nicht unterbinden und die einbehaltenen Steuern können über die Staatsausgaben später möglicherweise an anderer Stelle wieder Unternehmen befördern – gegebenenfalls aber ausländische – jedoch muss man sich fragen, wo das Geld besser aufgehoben ist: In den Händen von Unternehmerfamilien, die damit seit Jahrzehnten wachsenden Wohlstand schaffen, oder in der sowieso bereits überbordenden Umverteilungsmaschinerie des Staates?

Und noch weit darüber hinaus ist die populistisch naheliegende Verknüpfung von Einfachheit und Gerechtigkeit eine Schimäre: Allein schon weil der allergrößte Teil der Vermögen in Immobilien und Betriebsvermögen angelegt ist, kann auch eine Flat-Tax nie einfach und unbürokratisch werden. Für eine faire Behandlung dieser Vermögen sind unweigerlich komplexe Bewertungen nötig.

Im Gegensatz zu Geld kann man bei investiertem Vermögen außerdem nicht per se von einer halbwegs kontinuierlichen Wertstabilität ausgehen. Den Zufall des Todesfalls als Stichtag der Wertermittlung ist daher ein mehr als gewagtes Konstrukt. Aktien oder Unternehmen und sogar Immobilien können in kürzester Zeit erheblichen Wertschwankungen unterliegen oder zu Zeiten faktisch wertlos sein, weil sie weder Umsatz erwirtschaften noch liquidierbar sind.

Das wird meistens leichthin weggewischt, nach dem Motto, wer das Glück hat zu erben, braucht sich gegebenenfalls über ein wenig Pech bei der Bewertung nicht zu beschweren. Meine Vorstellung von Gerechtigkeit ist es aber nicht, dass der Staat über Glück und Unglück zu richten hat.

Eine Flat-Tax auf Erbschaften und Schenkungen belastet also die Investitionsfähigkeit unseres Mittelstandes und damit einen Haupttreiber des allgemeinen Wohlstands in Deutschland. Sie ist außerdem nur dem Namen nach einfacher und birgt tatsächlich die Bewertungsprobleme aller Vermögenssteueransätze. Dabei fußt sie zudem noch mit erheblich wertbestimmenden Parametern auf purem Zufall. Alles in allem: Das Konzept der Flat-Tax auf Erbschaften und Schenkungen ist eine Mogelpackung, mit dem sich die politischen Entscheider aus dem Dilemma zwischen einem zu Ende gedachten und dann sehr komplizierten Steuergesetz oder der Abschaffung der Steuer als einzige probate Lösungen schleichen wollen.

Noch sind die Wahlprogramme allerdings nicht geschrieben. Bin gespannt, ob noch jemand zur Vernunft kommt.

Vom Autor ist im September 2015 eine umfassende Auseinandersetzung zur Erbschaftsteuerdebatte „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“ im FinanzBuch-Verlag erschienen.

 

 

 

 

 

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