Vor einem Monat hatten bereits Medien wie der Focus oder die Wirtschafstwoche über die Mogelpackung namens Jahressteuergesetz gesprochen. Haus & Grund, eine Interessenvertretung von Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümern, warnte damals vor dem Jahressteuergesetz 2022. Auch TE hat über diese Falle berichtet. Das Gesellschaftsbild der Ampel sieht vor, dass die Montur von Solaranlagen steuerlich erleichtert wird, aber nachher das Haus wegen horrender Steuern verkauft werden muss. Die vor einer Woche geschriebenen Worte haben nichts an Aktualität verloren: Die vielgepriesene Transformation ist eine Transformation in die Armut.
Dass auch die FDP an dieser Jahressteuergesetzgebung ihren Anteil hat, wird für einige Liberale unangenehm – zu Recht mehren sich jetzt kritische Stimmen. Am Montag ist auf der Webseite der Tagesschau zu lesen: FDP fordert höhere Freibeträge für Erben. In „letzter Minute“ wolle die FDP die erwarteten Zusatzkosten begrenzen und die Freibeträge durch die Koalition anheben lassen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr: die Abgaben beträfen „keinesfalls nur Menschen mit hohem Einkommen“.
Das klingt fast entschuldigend – sonst könnte man noch auf die Idee kommen, die FDP helfe nur den Reichen. Dass sie damit den zwischen den Zeilen versteckten Vorwurf schon vorher abwehren will, ist offenkundig, denn „Erbe“ und „Boden“, bedeutet in der Bundesrepublik de facto immer gleich Millionäre mit Luxusvillen, und niemals Oma Erna, die nur noch mit Müh‘ und Not ihr Häuschen erhalten kann. Noch einmal Dürr: die Koalition habe sich vorgenommen, die „Bürgerinnen und Bürger nicht zusätzlich zu belasten“. Dies müsse auch für die Erbschaftssteuer gelten.
Man beachte: ging es früher noch um Entlastungen, sind es nunmehr keine zusätzliche Belastungen. Die Worte suggerieren, dass man sich nur um ein paar Prozentpunkte streitet. In Wirklichkeit geht es um massive Erhöhungen, die ohne eine Öffentlichkeitmachung Ende des Jahres klammheimlich verabschiedet worden wären. Das Gesetz lag dem Bundestag auch schon zur ersten Lesung vor – haben etwa Rot und Grün die Texte verfasst, die Gelb dann nicht gelesen hat?
Entweder hat die FDP diese Pläne mitgetragen und fühlt sich nun ertappt; oder man hat auch in der FDP-Zentrale erst jetzt vom Kleingedruckten erfahren. Beides nicht gerade schmeichelhaft. Doch muss man zumindest der FDP zugutehalten, nun nach einer Korrektur zu suchen. Wer sich allerdings in dieser Meldung am meisten blamiert, ist nicht Fraktionschef Dürr, sondern die Tagesschau. Woher auch immer die FDP nun von der Angelegenheit Wind bekommen hat: von der Tagesschau mit Sicherheit nicht. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben bei der Berichterstattung mehrheitlich geschlafen. Die ARD beschäftigt sich erst mit dem Thema, nachdem die FDP es nicht mehr mittragen will. Auch das eine typische Erscheinung der real-existierenden Bundesrepublik.
Doch der Streit um die Erbschaftssteuererhöhung gewinnt an Absurdität. Die SPD im bayerischen Landtag etwa kritisierte Bundesfinanzminister Christian Lindner, man habe sich eine „frühere Kommunikation“ erhofft. Man mag es auf den bayerischen Oppositionsbänken leicht vergessen, aber im Berliner Kanzleramt sitzt ein SPD-Kanzler. Und Ministerpräsident Markus Söder beklagte jüngst „eine Steuererhöhung durch die Hintertüre“ – gut, dass die CSU mit dem CDU-Beschluss nichts zu tun hatte! Auch die Fraktionsgemeinschaft in Berlin erscheint als Nebensächlichkeit, wenn man bei verdeckter Steuererhöhung auf frischer Tat ertappt wird.
Am Ende will es keiner gewesen sein. Nun schieben sich Regierung und Opposition den Schwarzen Peter zu. Vielleicht in der Hoffnung, dass das Gesetz dann doch noch geräuschlos durch den Bundestag gebracht werden kann? Der Hinweis auf die „Anpassung der Grundbesitzbewertung“ im neuen Jahressteuergesetz ist jedenfalls von der Seite des Bundesfinanzministeriums verschwunden. Schade! Glücklicherweise gibt es ja noch Wirtschaftswoche, Focus und TE, sollte sich niemand mehr erinnern können.