Tichys Einblick
Birnbaum spricht Klartext – ein bisschen

Windparks an der falschen Stelle und warum der Strom günstiger werden könnte

Oft wundert die Unfähigkeit zum Klartext bei Spitzenmanagern. Sie sind nur befristet Angestellte, abhängig von Aufsichtsräten, und sie wollen gutes Geld verdienen. Bedenkt man diese Umstände, hat sich der Eon-Vorstandsvorsitzende Leonhard Birnbaum schon sehr deutlich geäußert.

IMAGO / Ardan Fuessmann

Eon-Chef Leonhard Birnbaum gab ein sehr aufhellendes Interview bei n-tv. Vorrangig ging es um die Netzentgelte, insgesamt aber werden die Fehlsteuerung im System und das absehbare Desaster deutlich. Wir sehen den Chef eines Großkonzerns, der unbequeme Fakten benennt und trotzdem den großen Kurs akzeptiert.

Die Fachjournalisten eröffnen mit der Frage, wann denn der Tag käme, an dem die günstigen Stromerzeugungspreise der „Erneuerbaren“ an die Kunden weitergegeben würden. Kaum vorstellbar, dass sie tatsächlich nicht die Zusammensetzung des Strompreises kennen, aber für den Beginn eines Interviews sind einfache Fragen üblich, um die Möglichkeit einer grundsätzlichen Antwort zu geben. Herr Birnbaum verweist auf die Belastungen auf den Strompreis und erwähnt sogar, dass die Integration des Naturstroms ins Netz Geld kostet, weil Reserven, wie Batterien, bezahlt werden müssten.

„Solar produziert den billigsten Strom, aber nicht in der Nacht.“

Loriot hätte an dieser Stelle „ach, was?“ gesagt. Dann steigern die Fragesteller die Spannung durch eine provokante Frage:

– „Dann wird der Strom durch die Energiewende teurer?“
– „Nein. Es gibt einfach neue Komponenten, die zusätzlich bezahlt werden müssen.“

Also: ja statt nein. Früher sei es kein Problem gewesen, weil die konventionelle Reserve das System stabilisiert habe.

„Aber die Kernkraftwerke wurden abgeschaltet, demnächst folgt die Kohle. Stattdessen wird eine Gasreserve geplant, die bezahlt werden muss.“

Erst, wenn alle Projekte gebaut und abgeschrieben sein würden, käme eine tolle Zeit. Unklar ist, ob er den Zeitraum 2060 oder 2070 meint. Das erinnert an die Prophezeiungen realsozialistischer Zukunftsvorschau: So, wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben. Das Paradies kommt später.

Zur aktuellen Lage nennt er das Kraftwerk Isar 2, 1.500 Megawatt Leistung, 8.000 Betriebsstunden im Jahr, 12 Milliarden Kilowattstunden Stromproduktion pro Jahr. Für die gleiche Menge müsste man nun 12.000 Megawatt Solarleistung installieren. Die produzieren aber, siehe oben, nicht in der Nacht.

Es scheint eine stille Übereinkunft zu geben zwischen den Fragestellern und dem Befragten, nicht zu thematisieren, dass Isar 2 ja schon abgeschaltet ist, aber weder 12.000 Megawatt Photovoltaik mitsamt Flächen, Leitungen, Anschlüssen, Transformatoren, Speichern, zusätzlich verfügbar sind. Diese Frage unterbleibt, stattdessen die vernebelnde Aussage:

„Die günstige Solarenergie hat Nebenkosten.“

Kosten sind das eine, Versorgungssicherheit das andere. Kein Thema in diesem Interview. Die Ziele (2030 80 Prozent „erneuerbar“, 2040 100 Prozent) werden als gegeben hingenommen, ohne jede Erörterung der Plausibilität der zur Verfügung stehenden Kräfte, Mittel und Finanzen.

„Das klingt nach steigenden Strompreisen“,

ist dann eher eine Feststellung als eine Frage. Dies zu bejahen, so viel Energiewende-Defätismus kann sich ein hochrangiger Manager in Deutschland schon aus Gründen der politischen Korrektheit nicht leisten. Der Aufsichtsrat soll seinen Vertrag verlängern und dieser verfolgt auch politische Ziele. Also weicht er der Frage aus und kündigt an, dass es trotzdem für die Haushaltskunden günstiger werden könne, wenn auch bei Wärme und Mobilität der Umstieg gelänge.

Kurz zusammengefasst: Wir haben weniger und teureren Strom, aber wenn der auch für Wärme und Mobilität eingesetzt wird, kann es günstiger werden. Um bei Loriot zu bleiben: Früher war nicht so viel Lametta.

Weil der Energiewendekurs nicht kritisiert werden soll, schimpft Herr Birnbaum noch ein wenig auf die Windkraft-Investoren, die an den falschen Stellen bauen würden und so die Netz- und Systemkosten treiben. Sie würden die Anlagen dort bauen, wo viel Wind weht, aber eben weitab der Verbrauchszentren. Das tun die, um möglichst viel Geld zu verdienen. Ach, was?

Besser für die Netzbetreiber wie Eon wären Windkraftanlagen am Berliner Stadtrand, weil die kaum abgeregelt werden müssten. Im Berliner Raum beträgt die kumulierte Windenergieleistung nach Angaben des Handelsblatts 19 Kilowatt pro Quadratkilometer. In Schleswig-Holstein sind es 541. An dieser Stelle hätte ich dann keine Fragen mehr an Herrn Birnbaum gehabt.

Als Beispiel für eine bessere Lösung führt er Texas an, wo die Windkraftinvestoren selbst das Risiko tragen, wenn sie an falscher Stelle im Netz investiert haben und dann wegen Überlastung abgeschaltet werden müssen. An dieser Stelle auf das anarchische und nicht mehr zeitgemäße EEG hinzuweisen, das dringend reformiert werden müsste, so verwegen ist der Manager dann doch nicht. Die Ansage an die „Erneuerbaren“ könnte nur sein: raus aus dem Streichelzoo.

Herr Birnbaum findet es toll, dass die Netzbetreiber immer mehr gebraucht würden, 3.500 Leute seien eingestellt worden. Die Kosten gehen an die Kunden. Noch eine Position, die seiner vorherigen Aussage widerspricht, es könne für die Kunden günstiger werden.

Nur verhalten kommt der Hinweis auf das schlechte Energiewendemanagement.

„Es ist fast egal, ob wir unsere Ausbauziele (gemeint sind die Windparks) für 2030 erreichen. Entscheidend ist das Netz. Das Gigawatt Wind oder Solar kann zwei oder drei Jahre später fertig sein, wenn bis dahin das Netz ausgebaut ist. Umgekehrt wird’s teuer.“

Das ist der springende Punkt, der eigentlich zu einem Ausbaumoratorium der „Erneuerbaren“ führen müsste, bis der Netzausbau nachfolgt. Diese Forderung erhebt er nicht, denn gegen die politische Macht dieser Branche kommt er ohnehin nicht an.

Die Investitionsplanung wurde von 20 auf 33 Milliarden Euro angehoben. Rechnungsadresse? Die Kunden, deren Strompreise günstiger werden könnten, siehe oben.

Die bange Frage der Interviewer am Schluss, ob denn über die Entwicklung ausreichend und ehrlich gesprochen wird, führt zur Aussage, dass 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung eine negative Entwicklung wahrnehmen.

„Eine große gesellschaftliche Transformation über einen längeren Zeitraum gegen die Mehrheit der Gesellschaft voranzutreiben, wird schwierig.“

Deswegen müsse mehr das Gespräch gesucht werden. Kann man machen, aber das Lametta ist so gut wie weg.


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