Tichys Einblick
Entwicklung Sozialversicherungsbeiträge

Die Zahlen zur Rente, Krankenkasse und Co strafen die Wahlkämpfer Lügen

Entlastung heißt das Schlagwort im Wahlkampf. Doch jeder halbwegs schlaue Bürger weiß schon heute: Das ist morgen das Geschwätz von gestern. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, sie strafen die Wahlkämpfer Lügen.

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Kann sich noch wer an das tolle Versprechen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) erinnern? Zwei Cent Steuernachlass auf die Salatgurke zu gewähren? Schon vergessen. Kein Wunder. Denn allein die gewaltigen Erhöhungen der Krankenkassen-Beiträge haben diesen Vorteil zig tausendfach aufgefressen. Sie hätten. Wenn denn Scholz’ Worte mehr als das morgige Geschwätz von gestern wären. Doch in „unserer Demokratie“™ ist der Feudaladel der Berliner Blase der Souverän und erwartet vom Pöbel außerhalb der Blase, seine Versprechen ernst und wörtlich zu nehmen – um sie dann nach der Wahl sofort zu vergessen.

So sehr der Berliner Blasen-Adel auch Erleichterungen im Wahlkampf verspricht. Das Gegenteil davon wird passieren. Allein die Kosten für die Sozialversicherung werden die Bürger bald derart drücken, dass der Blasen-Adel das Erinnern an Erleichterungen nach der Wahl vermutlich zu Fake News oder Hass und Hetze neu etikettieren wird. Der Kassenbeitrag steigt in den nächsten fünf Jahren von jetzt 17,5 auf über 20 Prozent im Schnitt, warnt der Vorstand der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Und um die anderen Sozialversicherungen steht es nicht besser, wie eine „Große Anfrage“ der Unions-Fraktion im Bundestag ergeben hat.

Schon in den zurückliegenden zehn Jahren sind die Beitragssätze der Kranken- und der Pflegeversicherung enorm gesprungen. Von 15,5 auf 17,5 Prozent in der Krankenversicherung und von 2,35 auf 3,6 Prozent in der Pflegeversicherung. Da sind die Sondertarife für Kinderlose nicht mitgerechnet. Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer bedeutet das eine zusätzliche Belastung von etwa 70 Euro im Monat. Belastung. Egal, was die Wahlkämpfer auch immer versprechen mögen. Demgegenüber stehen Senkungen von 0,5 Prozentpunkten in Renten- und Arbeitslosenversicherung. 10 Euro tatsächlicher Entlastung sind also mit 70 Euro zusätzlicher Belastung zu verrechnen. Für Grüne: Das macht einen Verlust von 60 Euro. Jeden Monat.

In der Anfrage möchte die Union von der Bundesregierung wissen, was sie denn gedenke zu tun, um die Kosten für die Sozialversicherung stabil zu halten oder gar zu senken. Die Antwort ist in bestem Kauderwelsch verfasst: „Die Bundesregierung richtet ihre Sozialpolitik darauf aus, eine nachhaltige Finanzierung der Sozialversicherung unter ausgewogener Berücksichtigung der Interessen von Beitragszahlerinnen und -zahlern sowie von Leistungsempfängerinnen und -empfängern zu gewährleisten.“ Auf Deutsch übersetzt heißt das: nichts. Die Bundesregierung beabsichtigt, gar nichts zu tun, um die Kosten für die Sozialversicherung stabil zu halten oder sogar zu senken. Außer zu gendern. Womit auch schon alles aufgezählt wäre, was rot-grünen Ideologen wichtig ist.

Wobei es eine Ausnahme gibt: Wenn es um die Kosten der unkontrollierten Zuwanderung geht, will die Bundesregierung nicht nur nichts für Betriebe und ihre Beschäftigten tun. Sie vermeidet aktiv, überhaupt zu erfahren, wie hoch diese Kosten sind. Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Union strotzt vor Formulierungen wie: „In den amtlichen Statistiken der gesetzlichen Krankenkassen und des Gesundheitsfonds werden weder die Einnahmen noch die Ausgaben nach Nationalität oder Migrationshintergrund differenziert.“

Geld ist da in der Sozialversicherung. Die Kosten für Rentner, Betriebe und deren Beschäftigten sind in den zurückliegenden zehn Jahren enorm gestiegen. Vor zehn Jahren mussten sie noch 206,2 Milliarden Euro für die Krankenversicherung erwirtschaften. Im vergangenen Jahr waren es 296,8 Milliarden Euro. Eine Steigerung von 43,9 Prozent in acht Jahren. Die Ausgabenwut ist damit noch längst nicht gebremst, wie die TK mitteilt. Mit der Inflation steigen die Summen, auf die der Staat Krankenkassenbeiträge nimmt. Mit den Prozentzahlen wachsen die Anteile, die Rentner, Betriebe und deren Beschäftigten aufbringen müssen. Die Politik bestraft sie also gleich zweimal. Wenn ihre Vertreter währenddessen von Entlastungen schwafeln, dann ist das eine pure Verhöhnung.

TK-Chef Baas liegt mit seiner Vermutung eines Beitragssatzes von über 20 Prozent vermutlich gar nicht so daneben. Das lässt ein Blick auf die Finanzreserven der Krankenkassen erahnen. Die hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von 16,8 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 8,3 Milliarden Euro im Jahr 2023 schrumpfen lassen – während zeitlich die Beitragssätze für Rentner, Betriebe und Beschäftigte explodiert sind. Die Zahlen für 2024 und eine Prognose 2025 liegen noch nicht vor. Sagt die Bundesregierung. Sie kommt allmählich in eine Situation, in der ihr aktuelle Zahlen nur schaden und sie den Verweis auf diese Zahlen zu „Hass und Hetze“ neu etikettieren muss.

Auch die Zahlen der Pflegeversicherung sind verheerend für Rentner, Betriebe und deren Beschäftigte. Das heißt, nein. Sie sind noch verheerender: 30,6 Milliarden Euro mussten sie noch vor zehn Jahren für die Pflegeversicherung aufbringen, im vergangenen Jahr waren es bereits 58,5 Milliarden Euro. Ein Anstieg von 91,2 Prozent in nur acht Jahren. Im rot-grün-merkelianischen Deutschland mag es als Hass und Hetze gelten, angesichts einer solchen Explosion das Versprechen von Entlastungen als Gefasel zu bezeichnen – in einem Land, in dem die Vernunft regiert, wäre das noch eine verharmlosende Beschreibung. Lügen träfe es eher.

Ob der Beitragssatz für die Pflege in diesem Jahr steigt, kann „derzeit nicht abschließend“ eingeschätzt werden, wie die Bundesregierung mitteilt. Also vermutlich ja. Halt nach der Wahl. Aber die ist ja schon im Februar. Nach eigenen Untersuchungen geht die Regierung von einem Beitragssatz von 4,07 Prozent in fünf Jahren aus. Also nochmal 0,67 Prozentpunkte mehr als aktuell.
Noch viel trüber sind die Perspektiven in der Rente. Mit diesem Thema will der Kanzler die Wahl drehen. Bisher war Olaf Scholz (SPD) der Ritter von der Warburg. Immer zur Stelle, um superreiche Müllmänner und Verkäuferinnen zu bestehlen – sorry – zu besteuern, um dann ihr Geld an arme sozialdemokratische Banker zu verteilen. Doch künftig will Scholz der Retter der Witwen und Waisen sein. Zumindest sollen ihm das vor der Wahl genug glauben, um den Herrscher mit dem schlechten Gedächtnis im Amt zu halten. Deswegen verspricht Scholz, die Rente sei sicher. Koste es, was es wolle. Was praktisch ist. Für ihn. Denn es kostet ja nicht ihn, sondern die besagten Müllmänner, Verkäuferinnen und alle anderen Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitgeber.

Die Ausgaben der Rentenversicherung lagen vor zehn Jahren noch bei 277,8 Milliarden Euro. Dieses Jahr werden es voraussichtlich 426,1 Milliarden Euro sein. Ein Anstieg von 53,4 Prozent in zehn Jahren. Bisher haben die Bundesregierungen den Beitragssatz in der Rente stabil gehalten. Künstlich. Doch dieser Damm wird brechen. Muss brechen. Angesichts der Kostenexplosion.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geht mit den zu erwartenden Steigungen vergleichsweise offen um. Anders als Lauterbach, der Anstiege solange als hetzerische Verleumdung bekämpft, bis er sie selbst verkündet. Den Zuschuss zur Rente muss der Bund laut Heil in den nächsten zehn Jahren von jetzt 85 Milliarden auf dann 140 Milliarden Euro erhöhen. Im gleichen Zeitraum rechnet er mit einem Beitragssatz, der 21,9 Prozent betragen wird – statt jetzt 18,9 Prozent.

3 Prozentpunkte in der Rentenversicherung. 2,5 Prozentpunkte für die Krankenkasse und mehr als 0,5 Prozentpunkte für die Pflege. Allein diese drei Punkte verteuern jeden Arbeitsplatz demnächst um 240 Euro in jedem Monat. Allein diese Verteuerungen fressen jede Rentenerhöhung auf. Wer angesichts dieser Zahlen Entlastungen verspricht, der wird Trump für Vertrauensverlust anklagen müssen. Oder Putin, das Internet, die Rechten, Elon Musk und so weiter. Denn wer angesichts dieser Zahlen Entlastungen verspricht, wird so unglaubwürdig sein, dass er sich selbst vor dem Spiegel kaum noch aushalten wird.

Und es kommt noch schlimmer. All diese Hochrechnungen gehen von einer moderat wachsenden Wirtschaft aus. Jener Wirtschaft, die in den letzten beiden Jahren tatsächlich geschrumpft ist – und deren Anzeichen nicht auf Besserung stehen. Die Politik kommt also bald an einen Punkt, an dem die Kosten für die Sozialversicherungen entweder auf deutlich über 50 Prozent wachsen werden – oder zu einem Zusammenbruch eben jener Sozialversicherungen führen werden. Mit all den Konsequenzen für den inneren Frieden.

Entlastungen versprechen. Die Sozialversicherungen nicht sanieren wollen. Bei der unkontrollierten Einwanderung weiter blind bleiben wollen. All das geht noch, weil die Berliner Feudal-Blase kaum auf kritische Journalisten stößt, dafür auf umso mehr Höflinge, Hofberichterstatter und Hofnarren. Doch die Realität bricht irgendwann über jeden hinweg, der Wegschauen zur einzigen Strategie erklärt. Die Zahlen dazu sind da. Etwa in der Sozialversicherung. Man muss nur hinschauen wollen.

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