Tichys Einblick
Ab sofort

Das Ende der Maskenpflicht: Endlich wieder Gesicht zeigen!

Die Maskenpflicht ist an vielen Orten in Deutschland tatsächlich vorerst Geschichte. Damit kommt die Normalität zumindest ein Stück weit zurück. Jetzt müssen wir das normale Leben auch offensiv annehmen.

IMAGO / Christian Ohde

Endlich wieder durchatmen! Fast zwei Jahre ist es her, dass in Deutschland die allgemeine Maskenpflicht in Innenräumen eingeführt wurde. Egal, ob im Supermarkt, in Schulen und Unis, bei der Bank oder im Club – der Lappen vor dem Gesicht war nervig-juckende Konstante. Nun ist in den ersten Apriltagen mit dem neuen Infektionsschutzgesetz in fast allen Bundesländern die Maskenpflicht ausgelaufen (nur Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern halten daran fest). Bis auf ein paar Ausnahmen – zum Beispiel in Arztpraxen und in öffentlichen Verkehrsmitteln – darf man jetzt wieder ganz ungeniert sein Gesicht zeigen – und ich sage euch: Ich bin heilfroh darüber!

Denn das Bedrückende ist doch: Man hatte sich langsam dran gewöhnt. Während ich in den ersten Monaten der Maskenpflicht bei jedem Supermarktbesuch ins Keuchen gekommen bin und bei jedem Flug ausgekostet habe, wie weit ich die Maske „runterrutschen“ lassen kann, bis die Stewardess meckert, habe ich inzwischen in einem Krankenhauspraktikum sechs bis acht Stunden am Stück (gezwungenermaßen) eine FFP2-Maske getragen, ohne es überhaupt noch zu bemerken.

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Obwohl sich meine junge Lunge anscheinend an den mangelnden Sauerstoff gewöhnt hat (für sie war jeder Praktikumstag mit Maske wohl wie ein Alpen-Höhentraining), habe ich mich nie damit abgefunden, den Menschen, die mich umgeben, nicht mehr ins Gesicht gucken zu können. Wie oft habe ich es nun schon erlebt, dass ich eine Person nicht mehr erkannt habe, sobald sie ihre Maske abgelegt hat. Das ist doch irgendwie irre. Da spricht man tagelang mit einem Kollegen, und im Pausenraum erkennt man ihn plötzlich nicht mehr und kommt erst ins Grübeln, wenn man seine Stimme hört. Teilweise versteckt sich hinter der Maske ein ganz anderer Mensch, als man erwartet hatte. Ein verschmitztes Lächeln, erbost aufgeblähte Nasenflügel, verkniffene Lippen – all das bleibt einem vorenthalten. Von Nasenpiercings und Gesichtstätowierungen ganz zu schweigen.

Noch schlimmer war: Wenn man wie ich eh nicht der extrovertierteste Mensch ist, war die Maske immer eine Möglichkeit, seinen eigenen Unsicherheiten nachzugeben und sich hinter ihr zu verstecken. Blasse Haut, Pickel im Gesicht, ein schlecht gelaunter Mund – alles ließ sich hinter der Maske verbergen. Der Gang durch die Öffentlichkeit hat nicht mehr bedeutet, sich der Welt zeigen zu müssen und das – trotz ein bisschen Unsicherheit – auch genießen zu können. Viele haben sich angewöhnt, sich zu verstecken und sich gegenseitig nicht mehr anzusehen. Das Leben ist dadurch langweiliger geworden.

Wie lächelt man eigentlich mit Maske?

Die seltsamsten Maskenerlebnisse hatte ich aber mit Abstand beim Ausgehen. Im Sommer 2020 wollten meine Freundinnen und ich es uns nicht nehmen lassen, die begrenzten Möglichkeiten, die es trotz Pandemie im Berliner Nachtleben gab, auszunutzen. Also sind wir auf die ulkigste Party gegangen, die ich bisher in meinem Leben erlebt habe. Schon in der Schlange vor dem Eingang musste man sein Gesicht verdecken und hat dabei den liebevoll aufgetragenen Lippenstift schon einmal komplett ans Maskentextil verloren. Am Ticketverkauf wurde einem ungefragt eine Pistole an den Kopf gehalten – die sich nach dem ersten Schreck als Fieberthermometer herausstellte. Wenn du die korrekte Temperatur hattest, durftest du eintreten.

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Drinnen wartete ein Bild für die Ewigkeit: In dem Open-Air-Club (Indoor war Tanzen gar nicht erst erlaubt), drängten sich hunderte junge Menschen mit Masken im Gesicht. Die meisten waren in dicken Jacken eingemummelt, denn es war ziemlich kalt, ab und zu nieselte es sogar. Wir liefen auf die Tanzfläche, auf der sich schon einige junge Leute maskiert zum Takt bewegten – ich wusste nicht so recht, was ich von diesem Anblick halten sollte. Maskenbälle mögen ja im 20. Jahrhundert ’ne tolle Sache gewesen sein – mir kam die Chose aber einigermaßen bekloppt vor. Dass wir alle paar Minuten ermahnt wurden, unsere Masken wieder über die Nasen zu ziehen, machte die Sache nicht besser. Und es gab noch andere Schwierigkeiten – als ich mich umguckte, fragte ich mich: Wie lächelt man eigentlich mit Maske?

In der Uni war es ähnlich: Während ich mich in den Semestern vor Corona immer mal wieder mit meinen Kommilitonen über Veganismus, die Bürgerversicherung und andere Themen gezankt und mir damit den Tag versüßt hatte, ist mit der Maske Apathie und Stille in den Seminarraum eingekehrt. Den wenigen Unterricht, den wir noch hatten (das meiste war ja gleich ab April 2020 online), verbrachten wir oft schweigend – und sobald die Dozenten am Ende der Veranstaltung unsere Anwesenheit mit einer Unterschrift quittierten, haute jeder für sich schnell ab. Ich bin sehr gespannt, wie das in meinem kommenden Semester sein wird. Jetzt haben wir wieder kompletten Präsenzunterricht – ob wir Masken tragen müssen, weiß ich noch nicht.

Doch ich fürchte: Auch wenn die Pflicht passé ist – die Masken werden uns trotzdem noch eine Weile begleiten. Als ich in den letzten Tagen meine neue Atemfreiheit ausgekostet habe und durch Supermärkte, Drogerien und – ganz aufregend – Flughäfen ohne Maske spaziert bin, war ich damit fast die einzige. Nur ein paar Omis, ein paar Türken, ein paar Ökos hier und da zeigten ihr Gesicht – und in ihrer Mimik mischten sich Freude und Unsicherheit. Ich sah wahrscheinlich genauso aus. Eine Lehrerin hat mir erzählt, dass selbst in den Schulen kaum ein Schüler die Maske abnimmt, obwohl sie diese nun nicht mehr tragen müssen. Auch die meisten Lehrer tragen weiter Maske.

Ich hoffe, dass sich das nach einer Gewöhnungsphase legt. Hier auf Apollo jedenfalls ist die Maske Geschichte!


Dieser Artikel erschien auch im Jugendmagazin Apollo News. 

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