Tichys Einblick
Was man noch sagen darf

Elon Musk, die Meinungsfreiheit und die SPD

Ein US-Milliardär schimpft über den Bundespräsidenten, und die Sozialdemokraten hyperventilieren. Das absurde Theater führt vor, wie sehr unsere Politikerkaste inzwischen das offene Wort fürchtet.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Jaque Silva

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus: Das pflegte meine Großmutter immer zu sagen, Gott hab’ sie selig. Und das merkt jetzt auch ein gewisser Frank-Walter Steinmeier.

Der Mann gehört zur Klasse der deutschen Berufspolitiker, derzeit im Rang eines Bundespräsidenten. Gerade hat ihn Elon Musk, der Eigentümer der Kurznachrichtenplattform X-früher-Twitter, einen „anti-demokratischen Tyrannen“ genannt.

Jetzt springen die Sozialdemokraten im Sechseck vor Empörung.

Der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, fordert wegen Musk eine „andere Gesetzgebung“: „Es ist so (…), dass wir offensichtlich inzwischen eine Gruppe von Superreichen haben mit eigenen Kommunikationskanälen, die sich völlig außerhalb jeder Regulierung bewegen und die man ja auch mit irgendeiner Strafe kaum noch erreicht.“

Das ist leider gleich auf mehreren Ebenen ausgemachter Blödsinn. X ist nicht Elon Musks persönlicher Kommunikationskanal, nur weil er ihm gehört. Das wäre der Fall, wenn Musks Kritiker X nicht benutzen dürften oder dort zensiert würden. Beides ist nicht der Fall. Lustigerweise weiß Michael Müller das auch, denn als er noch Berliner Landesvater war, hat er den „offiziellen Kanal des Regierenden Bürgermeisters“ auf X-damals-noch-Twitter selbst aktiv genutzt (@RegBer) – so wie derzeit etwa acht Millionen Menschen in Deutschland.

Auch bewegt sich X mitnichten „außerhalb jeder Regulierung“. Für Musks Plattform gelten alle deutschen Gesetze sowie sämtliche EU-Vorschriften natürlich ganz genauso wie für jedes andere Unternehmen. Dass man den Mann „auch mit irgendeiner Strafe kaum noch erreicht“, ist von Müller vermutlich so gemeint, dass auch hohe Geldstrafen dem Milliardär nicht fürchterlich wehtun. Das gilt allerdings auch für jeden herkömmlichen Berliner Zuhälter und Drogengroßhändler, der für seinen getunten Luxussportwagen ein Bußgeld wegen Falschparkens bezahlen soll. Für diese Zielgruppe hat Michael Müller noch nie neue Gesetze gefordert.

Interessanterweise ist die EU gegen Musk wegen dessen Meinungsäußerungen auf X noch gar nie vorgegangen. Keine Verfahren, keine Strafen. Müllers Klage bewegt sich also komplett im luftleeren Raum. Warum erzählt der Mann nur solchen Quatsch?

Möglicherweise hat das damit zu tun, dass die Berliner Sozialdemokraten mit ihrer berüchtigten eigenen Vorstellung von Solidarität und Dankbarkeit ihren Ex-Chef gerade nach allen Regeln der Kunst abgemeiert haben. Müller wurde kurzerhand von der Landesliste der Bundestagskandidaten getilgt. Seine einzige Chance, doch wieder ein Mandat nebst dazugehörigen Diäten zu bekommen, ist nun das Direktmandat in seinem enorm umkämpften Wahlkreis.

Da kann es nicht schaden, wenn ich mit ein bisschen Musk-Bashing ordentlich Schaum schlage, mag der Ex-Bürgermeister sich gedacht haben. Mal sehen, ob die Berliner darauf reinfallen.

Denn bei näherem Hinsehen bleibt unklar, was Müller und seine Genossen dem Beelzebub Musk eigentlich vorwerfen. Gewiss, „anti-demokratischer Tyrann“ ist kein Kompliment – aber ganz sicher auch keine „Missachtung demokratischer Werte“, wie Katja Mast behauptet. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion versteigt sich allen Ernstes zu der Aussage, Musks Kommentar sei „nicht nur unangemessen, sondern auch Hetze“.

Das ist besonders spannend angesichts des Umstands, dass Frank-Walter Steinmeier, um den sich die SPD jetzt so sorgt, ja nicht immer Bundespräsident war. Er war auch mal deutscher Außenminister. In diesem Amt hat er am 4. August 2016 bei einer Veranstaltung in Rostock den damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump als „Hassprediger“ bezeichnet.

Das war dann ja wohl auch Hetze. Ganz sicher war es eine direkte Einmischung in den US-Wahlkampf – nur dass Steinmeier keine Privatperson war, wie Musk heute, sondern oberster Diplomat der Bundesrepublik Deutschland.

Wie man in den Wald hineinruft …

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) geht noch einen Schritt weiter. Er wirft Musk vor, die Demokratie in Deutschland „zersetzen“ zu wollen. „Herr Musk hat nicht nur den Bundeskanzler kritisiert und zur Wahl der AfD aufgerufen. Nun attackiert er auch noch den Bundespräsidenten und damit den demokratischen Repräsentanten des deutschen Volkes“, so Thierse im Tagesspiegel. Das sei ein fundamentaler Angriff auf die deutsche Demokratie, eine Infragestellung der deutschen Demokratie. Er hoffe, dass „alle demokratischen Parteien“ und „alle demokratischen Journalisten“ in Deutschland „diese Attacken auf die Demokratie zurückweisen“.

Die eigentliche Absicht, die hinter den Attacken auf Elon Musk und X steht, offenbart dann Konstantin von Notz. Musk habe „offenkundig Gefallen daran gefunden, liberale Demokratien zu destabilisieren“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag.

Man mag seinen Ohren kaum trauen: Eine rüde Bezeichnung für einen völlig zu recht selbst in Deutschland unpopulären Bundespräsidenten soll jetzt also gleich die Demokratie destabilisieren? Ja, geht’s noch?

Doch von Notz legt nach und fordert eine Debatte über die Macht sozialer Plattformen. Deutschland habe nach dem Dritten Reich ein System etabliert, das die „Gleichschaltung des öffentlichen Diskurses“ durch einzelne Parteien oder finanziell potente Akteure verhindern solle. Jetzt gebe es Versuche, dieses System zu zerstören.

Das, mit Verlaub, ist eine geradezu infame Verdrehung der Wahrheit.

Denn von Notz beschwert sich ja nicht darüber, dass ER seine eigene Meinung nicht frei äußern kann. Zu einer solchen Beschwerde hätte er auch nicht den Hauch eines Anlasses. Er selbst ist bei X und kann dort schreiben, was immer und wann immer er will.

Von Notz beschwert sich darüber, dass ANDERE ihre Meinung frei äußern dürfen.

Wenn in diesem Moment irgendetwas unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet, dann ist es nicht Elon Musk. Die wirkliche Gefahr geht von den selbsternannten Demokraten aus, die immer nur dann für die Meinungsfreiheit sind, wenn es um ihre eigene Meinung geht.

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