Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Land in Mitteleuropa. 83 Millionen Menschen nennen das Land ihre Heimat. Ihre Landesherren kommandieren eine Armee von 180.000 Soldaten und 300.000 bewaffnete Polizisten. Der Bundeshaushalt ist so groß wie das Bruttosozialprodukt Ägyptens und der öffentliche Sektor circa zwei Billionen Euro schwer.
Die Außenministerin dieses Landes, Annalena Baerbock, hetzt einem Bürger die Staatsanwaltschaft auf den Hals, weil er schrieb, sie sei „die dümmste Außenministerin der Welt“. Sie fühlt sich in ihrer Ehre gekränkt. Weil ein Unternehmer auf dem Lande ein Plakat aufstellt, das grüne Politiker verspottet, soll er 6.000 Euro Strafe zahlen. Da kennen Polizei und Gericht keine Satire. Und der Oppositionsführer im Bundestag, Friedrich Merz, schickt seine Frau vor, um ihn gegen ungeliebte Satiriker zu beschützen.
Weil Charlotte Merz auf dem Bundesparteitag der CDU den heute-show-Satiriker Lutz van der Horst „bedrängte“, als der seinerseits Merz bedrängte, schimpften der Union abgeneigte Medien tagelang über einen Angriff auf die Pressefreiheit. Die taz nennt sie sogar „Die Wegboxerin“.
Da möchte man Merz gratulieren: Charlotte Merz, Vorsitzende des Arnsberger Amtsgerichts, ist eine taffe Frau. Gute Wahl. Und man muss die CDU bemitleiden, dass ihr Chef seine Gattin vorschicken muss. Nicht so gute Wahl.
Übrigens: Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ist die wohl eifrigste Anzeigenschreiberin Deutschlands. Im vergangenen Jahr will sie 250 Anzeigen geschrieben haben – pro Monat. Mancher vermutet dahinter ein regelrechtes Geschäftsmodell: Sie verlangt via umstrittener Rechtsauslegung hohe Gelder von den Beklagten und freut sich über die Zusatzeinnahmen Einnahmen, die möglicherweise sogar ihre Diäten übertreffen.
Lächerlich beleidigt
Die Bundesrepublik ist ein Gigant in Europa und der Welt. Ein Gigant, der seine Macht nicht spielen lässt, der sie in sinnlosen Gesten verschwendet. Aber wenn die deutsche Wirtschaft zuckt, bebt immer noch die Welt. Auch wenn diese Macht schwindet. Deutschland wird allerdings von einer Klasse regiert, die unsouveräner nicht sein könnte.
Die Beispiele von Merz, Habeck, Baerbock, Strack-Zimmermann und Ricarda Lang sind nur Symptome. Die Politiker, die dieses Land regieren, ertragen die Kritik der Kleinen nicht. Weil irgendein dahergelaufener Twitter- bzw. X-User mit drei Dutzend Followern sie beleidigt, unterschreiben sie einen Strafantrag. Weil sie den Missmut der Kleinen nicht hören wollen, haben die Großen sich ein eigenes Gesetz geschaffen.
Paragraf 188 StGB stellt üble Nachrede, Beleidigung und Verleumdung von Personen des politischen Lebens unter besondere Strafe – schlimmer wird es noch, wenn ein Gericht befindet, dass eine etwaige Beleidigung geeignet ist, das Wirken dieser Politiker zu behindern. Wenn ein pensionierter Richter den Wirtschaftsminister „Idiot“ nennt, ist Robert Habeck dann in seiner Arbeit behindert? Wird die Arbeit eines der mächtigsten Männer des Landes durch ein Schmähgedicht behindert?
„Ja!“, findet der Minister. Und der Pensionär wird zu 60 Tagessätzen (7.800 Euro) verdonnert.
Das ist keine neue Entwicklung. Als 2021 ein Twitter-Nutzer den Innensenator Hamburgs, Andy Grote, mit „Du bist so 1 Pimmel“ beschimpfte, stürmte die Polizei dessen Wohnung. Also, nicht Grotes. Sondern des Twitter-Nutzers. Sicher, er hatte sich keiner schönen Sprache bedient und Beleidigung gehört sich nicht. Dass seine Haustür aufgebrochen und die Wohnung durchsucht wurde, ist aber unverhältnismäßig.
Hier kann man viel Ungerechtigkeit aufzählen. Es ist auffällig, wie oft Beleidigungen auf der einen Parteiseite verfolgt werden – „Idiot“ kann dann teuer werden –, aber auf der anderen Seite nicht. „Nazischlampe“ ist dann eine Meinungsäußerung. Die Minister verklagen den Bürger nicht auf eigene Kosten, sondern bürden diese Kosten dem Steuerzahler auf. Ob ein Politiker dann gewinnt oder verliert, ist egal. Dem Normalo ist das nicht so egal. Er muss erst einmal genug in der Kriegskasse haben, um den Streit vor Gericht auszufechten. Wer Satire abdrucken will, der braucht einen guten Anwalt, mehr Mut und tiefe Taschen. Außer, man ist beim ÖRR beschäftigt. Aber das sind Kleinigkeiten.
Politiker, die glauben, sie sind mehr wert
Neu ist, dass die Innenminister in Folge von Angriffen auf Politiker der Grünen und der SPD debattieren, einen Majestäts-Verletzungs-Paragraphen einzuführen. Angriffe auf Politiker sollen dann härter geahndet werden als Angriffe auf normale Bürger. Das bedeutet in Zukunft: Kitzelt man einen zufälligen Passanten auf der Straße mit der Messerspitze, sollte man das lieber in Bottrop denn in Berlin-Mitte tun. Die Gefahr einer tatsächlichen Strafe ist in letztem Fall einfach zu hoch. Das ist keine Kleinigkeit. Und noch ein Unterschied zu Bottrop wurde am Jahrestag des Grundgesetzes sichtbar: Die Mächtigen schirmen sich von Gefahren ab. Wachdienst, Zäune und bewaffnete Polizisten halten die bedauernswerten Einzelfälle draußen auf der Straße, den Spielpätzen und Bahnsteigen. Wer sich darüber beschwert, der gefärdet die Demokratie.
Deutschland ist der Motor Europas, Heimat brillanter Ingenieure und manchmal sogar Fußballweltmeister. Manchmal schön, manchmal Ludwigshafen und immer einen Besuch wert. Gibt es auf dem Erdenrund mehr als drei Menschen mit Schulabschluss, die Deutschland nicht auf einer Karte finden können? Allzu oft sind Land und Leute vermessen, arrogant und größenwahnsinnig. Aber es wird regiert von Leuten, die es nicht ertragen, als Dampfwalze persifliert zu werden.