Tichys Einblick
Ibiza-Gate

Einmischung in fremde Wahlen? Die deutschen Linken sind dabei Europameister

Mit dem diffusen Strohmann über die Einmischung fremder Mächte in heimische Wahlen sind die Linken schneller bei der Hand als Lucky Lukes Schatten. Sie schließen dabei aber nur von ihrem eigenen Verhalten auf andere. Der bisher eklatanteste Fall eines Staatscoups: Jan Böhmermann im Nachbarland Österreich. Von Richard Schmitt

IMAGO - Collage: TE

Elon Musk soll ja schrecklich böse sein, weil er seine Meinung zur deutschen Politik kundtut und die AfD als Lösung vieler Probleme anpreist – zumindest meinen das Grünen- und SPD-Politiker sowie einige klar positionierte Medien. Entweder leiden diese Kritiker an Amnesie oder verdrängen einfach die allergrößte Einmischung Deutschlands in den Wahlkampf in einer anderen Nation: nämlich Jan Böhmermanns Verwicklung in den Ibiza-Krimi und die Sprengung der FPÖ mit einer von deutschen Medien gestarteten Kampagne am 17. Mai 2019.

Böhmermann hat weder die Millionen oder Milliarden noch den Erfolg von Elon Musk – aber er konnte trotzdem die bisher gewaltigste Einmischung deutscher Politik und Medien in einem Nachbarland starten: Der umstrittene TV-Spaßmacher Jan Böhmermann (43) lieferte bei einer TV-Preisverleihungs-Gala der Wiener Tageszeitung Kurier am 12. April 2019 den Startschuss zur folgenschweren Ibiza-Kampagne gegen die FPÖ. Der TV-Blödler meinte in seiner Video-Botschaft zu seinem Nichterscheinen wörtlich: „Ich hab’ mich gerade ziemlich zugekokst und verhandle mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in der russischen Oligarchenvilla auf Ibiza darüber, ob und wie ich die Kronen Zeitung übernehme.“

Wenige Wochen später war die EU-Wahl angesetzt, die FPÖ hätte schon damals unter Heinz-Christian Strache die Chance gehabt, stimmenstärkste Partei in Österreich zu werden. Und viel wichtiger für die politische Gesamtsituation in Europa: In Kürze stand damals ein Zusammenschluss aller bedeutenden Rechtsparteien in einem Arbeitsübereinkommen samt Partnerschaftsvertrag bevor.

Nach dem Sager von Böhmermann brodelte die Gerüchteküche in Wien – bis dann am 17. Mai 2019 die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel einige Film-Schnipsel aus einem 7,5 Stunden langen Video veröffentlichten, das heimlich in einer Finca auf Ibiza gedreht worden ist. In den Ausschnitten zu sehen: ein ziemlich schlecht gekleideter, Red-Bull-trinkender FPÖ-Chef, dazu sein Freund und FPÖ-Kollege Johann Gudenus, eine Litauerin, die sich als russische Oligarchen-Nichte ausgab und ein Wiener „Sicherheitsexperte“, der als Vermittler für dieses Treffen auftrat.

Dank ausreichender Vorinformation aus Deutschland waren die österreichische Kronen Zeitung, der ORF und auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf diesen „Tag X“ bestens vorbereitet, sogar eine Band war für die noch am Abend stattfindende „spontane“ Demo vor dem Bundeskanzleramt in Wien schon gebucht.

Und aufgrund der Vorarbeit von Böhmermann gingen dann die Wogen besonders hoch – immerhin erinnerten sich alle an seine Aussagen über Drogen, die Finca und die Kronen Zeitung. Strache wurde somit mehr zum Verhängnis, dass ziemlich viel vermutet wurde, aber nicht das, was tatsächlich mit dem Filmchen aufgetaucht ist. Und wer die ganzen 7,5 Stunden der Aufnahmen kennt, der weiß: Es wurde nicht gekokst, es gab keinen Sex, es gab keine Korruptionszusagen, Strache wollte auch nicht Anteile an der Kronen Zeitung kaufen, sondern allein die falsche Oligarchin sprach von diesem Plan, den der FPÖ-Chef „super“ fand.

Der Coup – manche sagen dazu Staatsstreich – gelang jedenfalls: HC Strache trat zurück, sein damaliger Innenminister Herbert Kickl wurde auch von Van der Bellen des Amtes enthoben. „Die FPÖ am Ende“, titelte dazu in fetten Lettern die Kronen Zeitung.

Tatsächlich folgten Neuwahlen mit einer krachenden Niederlage der FPÖ und einem Wiedereinzug der Grünen ins österreichische Parlament. Auch der Zusammenschluss der europäischen Rechtsparteien mit der FPÖ war abgesagt.

Die deutsche Einmischung in die Innenpolitik des kleinen Nachbarn war erfolgreich: Rechts geschwächt, Links gestärkt. Die Politik-Intriganten bei der Süddeutschen, beim Spiegel und in der Redaktion Böhmermanns konnten sich als Europameister der politischen Einmischung feiern.

Allerdings erleben die Österreicher und auch die politischen Beobachter aus dem Ausland, dass der Ibiza-Coup nur kurzfristig von den Defiziten der Sozialdemokraten und der Grünen in der Staatsführung ablenken konnte: Am 29. September 2024 gewann FPÖ-Chef Herbert Kickl die Nationalratswahl und dürfte nun auch der erste FPÖ-Kanzler Österreichs werden.

Außer …


Richard Schmitt, Journalist, Wien


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