Die beiden aneinander grenzenden Bundesländer im Süden und Süd-Westen Deutschlands haben bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Strukturen eine überwiegend konservativ–bürgerliche Wählerschaft, die der CDU bei Bundestagswahlen immer überdurchschnittliche Ergebnisse garantierte. In beiden Ländern galt das auch lange Zeit für Landtagswahlen, in der Zwischenzeit sieht das allerdings ziemlich anders aus.
In Baden–Württemberg (7,7 Millionen Wahlberechtigte) führte der Reaktorunfall in Fukushima vom 11. März 2011 zu einer Verdoppelung des Wahlergebnisses der Grünen bei der zwei Wochen später stattfindenden Landtagswahl. Die CDU, die bis dahin die Nutzung von Kernkraft befürwortet hatte, erreichte bei dieser Wahl, die in einer sehr stark durch den Reaktorunfall geprägten Stimmung stattfand, eines ihrer schwächsten Ergebnisse, das nicht mehr für eine Regierungsbildung mit der FDP ausreichte. Grüne und SPD konnten somit die seit 1956 regierende CDU ablösen und wählten Winfried Kretschmann (Grüne) zum Ministerpräsidenten. Bei der darauffolgende Landtagswahl 2016 wurden die Grünen zur stärksten Partei, mussten aber, aufgrund des schwachen Abschneidens der SPD, die neue Landesregierung mit der ebenfalls stark geschwächten CDU bilden.
Wahlkampf in Zeiten einer Pandemie bedeutet Verzicht auf Großveranstaltungen, Straßenwahlkampf und jede Art von Canvassing, was für den Herausforderer eines Ministerpräsidenten zweifelsohne nachteiliger ist als für den Amtsinhaber. Aber auch ohne diesen Nachteil hätte es die Spitzenkandidatin der CDU, Kultusministerin Susanne Eisenmann schwer gehabt, Winfried Kretschmann in Bedrängnis zu bringen. Kultusminister sind in jeder Landesregierung von besonderer Bedeutung, weil es hier um eine der Kernkompetenzen der Länder geht. Da aber so ziemlich jeder im Land von Bildungspolitik direkt oder indirekt berührt ist, ist es auch kaum möglich allen Erwartungen gerecht zu werden. Es war daher auch nicht zu erwarten, dass Susanne Eisenmann allein aufgrund ihrer Arbeit in der Landesregierung besondere Vorteile genießen würde.
Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland wählen nur noch wenige Wähler eine Partei allein aus Tradition, also egal wer Spitzenkandidat ist und egal wie die Haltungen einer Partei zu den wichtigsten politischen Themen sind. Für die meisten Wähler vermittelt der Spitzenkandidat das Vertrauen in seine Partei, die aktuell wichtigsten politischen Probleme angemessen zu bearbeiten und lösen zu können. Für Landtagswahlen, bei denen die Wechselbereitschaft der Wähler besonders groß ist, gilt das noch mehr als für Bundestagswahlen.
Aufgrund der Dominanz von Kretschmann ist es daher nur folgerichtig, dass den Grünen in Baden-Württemberg auch die größte Kompetenz zugesprochen wird, das zur Zeit wichtigste politische Problem „Corona-Krise“ im Sinne der Befragten zu bearbeiten, zumal Kretschmann in dieser Frage der Haltung von Bundeskanzlerin Merkel stets näher stand als die Herausforderin der CDU. Schon vor der letzten Landtagswahl unterstützte der grüne Ministerpräsident die Bundeskanzlerin entschiedener als die CDU-Politiker, als er die Migrationspolitik von Angela Merkel als alternativlos bezeichnete. Allen anderen Themen wie Klimawandel, Bildung und Schule oder Wirtschaftslage wird weit weniger Bedeutung gegeben. Daher ist es auch bedeutungslos, wenn bei Themen wie Schule und Bildung oder Wirtschaftslage der CDU etwas mehr Kompetenz eingeräumt wird als den Grünen.
In Baden-Württemberg gab es zu keinem Zeitpunkt eine Wechselstimmung. Es kann daher keinen Zweifel geben, dass die Grünen am kommenden Sonntag als stärkste Partei bestätigt werden, wobei nach 30,3% vor fünf Jahren jetzt eher ein Ergebnis um 35% zu erwarten ist. Die CDU, die 2016 nur noch 27% erreicht hatte, wird weiter in Richtung 20% absinken. Aufgrund der absehbaren Verluste der CDU wird die FDP, die zuletzt 8,3% erreicht hatte, auf ein schwach zweistelliges Ergebnis hoffen. Der AfD, die 2016 mit 15,1% vor der SPD drittstärkste Partei geworden war, wird nach einer Vielzahl von Querelen in den eigenen Reihen nur ein knapp zweistelliges Ergebnis zugetraut, was der im „Ländle“ traditionell schwachen SPD die Chance eröffnet, auch mit einem ähnlich schwachen Abschneiden wie 2016 (12,7%) drittstärkste Partei zu werden. Ob es danach zu einer Fortsetzung der grün-schwarzen Landesregierung kommt oder Winfried Kretschmann sich andere Koalitionspartner sucht, bleibt abzuwarten.
Eine für Rheinland-Pfalz repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF von Anfang März kommt zum Ergebnis, dass sich das politische Klima in Rheinland-Pfalz in den letzten Wochen zugunsten der SPD und ihrer Koalitionspartner verändert hat. Die Arbeit der Landesregierung – und hier vor allem der Beitrag der SPD – wird insgesamt deutlich besser bewertet als die Arbeit der CDU. Noch klarer werden die Vorteile der SPD bei der Bewertung der Spitzenkandidaten. Spitzenkandidatin der SPD ist wie vor fünf Jahren Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die auf der +5/-5-Skala mit 2,4 nach Meinung aller Befragten einen ganz besonders guten Wert erhält. Die SPD-Anhänger geben ihrer Spitzenkandidatin mit 4,0 einen Sympathiewert, der in Umfragen nur selten erreicht wird. Der für die CDU zum ersten Mal als Spitzenkandidat antretende Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf wird mit einem Sympathiewert von 1,0 insgesamt deutlich schwächer beurteilt. Allerdings kommt Baldauf in den eigenen Reihen mit 2,4 auf eine gute Bewertung. Dennoch ist der Unterschied zu Malu Dreyer erheblich, was sich auch bei der Frage zeigt, wer als Ministerpräsidentin oder als Ministerpräsident gewünscht wird: 59% wünschen sich Malu Dreyer, die auch von fast allen Anhängern der SPD benannt wird. Christian Baldauf wird von 28% aller Befragten gewünscht und erreicht dabei die Zustimmung von 68% der CDU-Anhänger, von denen sich 23% für Dreyer aussprechen. Fairerweise muss man Christian Baldauf zugutehalten, dass für ihn als „neuer“ Spitzenkandidat die Beschränkungen der Pandemie besonders nachteilig waren.
Aufgrund der sehr guten Beurteilung Dreyers und der breiten Mehrheit, die sie wieder als Ministerpräsidentin wünscht, ist es fast selbstverständlich, dass auch die Kompetenz, sich um das aktuell wichtigste Problem „Corona-Krise“ zu kümmern, ganz überwiegend bei der SPD gesehen wird. Auch bei den übrigen weniger wichtigen Themen wie Bildungspolitik und Wirtschaftslage wird die SPD für kompetenter gehalten als die CDU.
Deutlich besser als 2016 (5,3%) werden die Grünen abschneiden, denen die Umfragen eine Verdoppelung zutrauen. Die zu erwartenden Gewinne der Grünen werden auch zu Lasten der SPD gehen. Dass die AfD wieder deutlich zweistellig wird (12,6%) ist eher nicht zu erwarten. Allerdings ist es wie immer schwierig, die Stimmenanteile der AfD so genau zu erheben, wie dies bei den anderen Parteien möglich ist. Das Abschneiden der FREIEN Wähler, die vor fünf Jahren 2,2% erreicht hatten, wird mit Spannung erwartet werden, weil ihnen nun ein Ergebnis nahe der 5-Prozent-Hürde zugetraut wird. Die Stimmen für die FREIEN WÄHLER werden überwiegend zu Lasten der CDU gehen. Auch die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz wird zu einer Bestätigung der SPD als stärkster Partei führen, was eine Regierungsbildung durch die bisherige Ministerpräsidentin Malu Dreyer ermöglichen wird.
Die politische Ausgangslage der Parteien vor einer Landtagswahl wird nie alleine von der Stimmung im Land bestimmt, sondern stets auch durch die politische Großwetterlage in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2020, als die Bundesregierung für ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie viel Lob erhielt, wurden die Unionsparteien in der politischen Stimmung des Politbarometers der Forschungsgruppe Wahlen meist über der 40%-Marke gemessen. In der zweiten Jahreshälfte verringerten sich diese Werte und oszillierten um 40 Prozent oder knapp darunter. Inzwischen, bei anhaltender Kritik an Impf- und Testdebakel sowie der unklaren Situation unter welchen Bedingungen der Lockdown beendet werden wird, werden die Unionsparteien eher bei 35% und darunter gesehen. Gleichzeitig hat die FDP, die sich lange um die 5%-Marke oder nur kurz darüber bewegte, deutlich zugelegt. Dass sich diese Veränderungen bei den anstehenden Landtagswahlen eher zum Nachteil der CDU und zum Vorteil der FDP auswirken werden, kann als sicher gelten. Dass dazu auch die „Maskengeschäfte“ von Bundestagsabgeordneten der Union der CDU am kommenden Sonntag schaden werden, steht außer Frage.