Tichys Einblick
HOMOSEXUELLENFEINDLICHER ANSCHLAG DRESDEN

Eine Kanzlerin und ein Bundespräsident des Schweigens und Verschweigens

In Dresden wurde 2020 ein islamistischer Anschlag auf zwei homosexuelle Männer verübt. Die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident und weitere Spitzenpolitiker schweigen diese Tat aus – was muss noch passieren, um das Schweigen der Regierung zu brechen?

Blumen und Kränze in Erinnerung an den Mord an Thomas L. in der Innenstadt von Dresden auf der Schloßstraße, 13.11.2020

IMAGO / Sven Ellger

Ein islamistischer Anschlag aus homosexuellenfeindlichen Motiven – dies ist in der deutschen Anschlagsserie historisch ein neue Stufe des Extremismus. Ein tödliches Attentat aus Homosexuellenfeindlichkeit hat es in Deutschland bisher noch nie gegeben, so weit dies bekannt ist. Radikale Muslime sind per se feindlich gegenüber Homosexuellen, dies hat sich in Dresden nicht zum ersten Mal in brutaler Gewalt offenbart. Mit der Tötung in Dresden hat sie jedoch eine neue Dimension erreicht. Doch die Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, Innenminister Horst Seehofer und weitere Spitzenpolitiker schweigen diese Tat regelrecht aus – warum? Über die entsetzlichen Enthauptungen in Paris und Nizza konnte unsere Regierung den Mund aufmachen. Zu Dresden nicht. Was muss denn noch passieren, um das Schweigen der Regierung zu brechen?

Eine Chronologie des Schweigens

Es war der Abend des 4. Oktobers 2020, als das homosexuelle Paar Thomas L. und Oliver mit einem Küchenmesser mutmaßlich von dem Syrer und dem als Gefährder eingestuften Abdullah Al. H. H. angegriffen wurde. Sie waren als Touristen in der Dresdner Altstadt unterwegs. Der 55-Jährige Thomas L. aus Krefeld starb im Krankenhaus, der 54-Jährige Oliver aus Köln überlebte den Angriff schwer verletzt.

Achtzehn Tage nach der grauenvollen Tat, am 22. Oktober, veröffentliche der SPIEGEL die Informationen, dass die Beamten gezielt der Frage nachgehen, ob eine homophobe Einstellung des Islamisten den Angriff ausgelöst haben könnte. Am Tag darauf, den 23. Oktober, berichtete ebenfalls der SPIEGEL, dass Abdullah Al. H. H. seinen Hass auf Homosexuelle schon in seiner Vergangenheit offenbart hatte.

Das Verschweigen der Bundesregierung

Seit dem 22. / 23. Oktober stand folglich fest im Raum, dass Schwulenhass als ein ausschlaggebendes Motiv sehr wahrscheinlich ist. Den Sicherheitsbeamten war dies zweifellos seit der Tat bekannt, auch wenn sie sich dazu offiziell nicht äußerten. Gleichzeitig wurde in diesen Tagen bereits die Todesanzeige publik, die beide betroffene Männer eindeutig als ein Paar identifizieren ließ.

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In der Regierungskonferenz vom 23. Oktober saß Stefan Seibert statt Angela Merkel auf dem Stuhl. Seibert ließ „für die Bundesregierung“ verlautbaren, dass am „4. Oktober ein grauenvollen Verbrechen verübt worden ist“. „Im Namen der Bundesregierung möchte ich sagen, wir trauern um den Ermordeten, unsere aufrichtige gesamte Anteilnahme gilt seiner Familie und seinen Freunden“, sagte Regierungssprecher Seibert. Bezüglich des Motivs teilte Seibert nur mit, dass es den „Verdacht eines radikal islamistischen Hintergrundes“ gibt. Aufrichtig? Einerseits wurde das Motiv einer Homosexuellenfeindlichkeit eindeutig verschwiegen, andererseits hat die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung allen ernstes bloß durch einen Sprecher ihr Mitgefühl bezüglich eines brutalen Anschlags verkünden lassen. Fakt ist: Die Ermittler prüften zu dieser Zeit Schwulenhass als Tatmotiv und die Bundesregierung hat diesbezüglich stillgeschwiegen.

Nach Tweets mit lautem Protest wie dem von Thomas Sattelberger, war es dann der 27. Oktober 2020, als in der Öffentlichkeit die Kritik lauter wurde, dass die Bundesregierung in Berlin das mögliche Motiv eines Homosexuellenhasses nicht anspricht. Die Ermittlungsbehörden gaben immer noch keine Auskunft. „Zur sexuellen Orientierung der Opfer äußern wir uns nicht“, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt in einer Pressekonferenz eine Woche zuvor. War dies von der Berliner Parteispitze gar gewollt? Obwohl Politiker wie Reinhard Naumann (SPD) oder Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt (FDP) in den soziale Medien das Schweigen direkt kritisierten, kam keine Reaktion. „Ein Mensch wurde getötet, weil er in seiner gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebte. Vor diesem Hintergrund wäre eine klare Verurteilung dieser extremistischen Straftat, ein klares Bekenntnis zu den Werten unserer freiheitlichen Gesellschaft, auch seitens der Bundesregierung, dringend geboten. Doch in den meisten politischen Lagern bleibt es auffallend still“, schrieb Rosenberg und legte am Tatort mit Fraktionskollege Johannes Vogel Blumen nieder. Wo waren Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und Innenminister Horst Seehofer? Keiner von ihnen legte einen Kranz nieder und ehrte das verstorbene Opfer des Anschlages, obwohl dieses schon seit drei Wochen tot war. Wie wenig Respekt und Aufrichtigkeit besitzt unsere Bundesregierung?

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Schließlich schaltete sich der „Christopher Street Day Dresden e.V.“ (CSD) ein. Der CSD schrieb am 29. Oktober einen offenen Brief an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung, die Staatsregierung des Freistaates Sachsen und an die Landeshauptstadt Dresden. In diesem Brief forderte der CSD: „Lassen Sie dieses Hassverbrechen nicht unkommentiert und zeigen Sie mit uns gemeinsam am 01. November 2020 in Dresden Haltung.“ Der CSD lud also Merkel, Steinmeier und die gesamte Bundesregierung ein, dem Opfer des Anschlages gemeinsam zu gedenken und ein Zeichen zusetzen. Der CSD teilte TE mit, dass die Reaktion komplett ausgeblieben ist seitens Merkel, Steinmeier und der Bundesregierung. Auch die sächsische Gleichstellungsbeauftragte Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) wäre nicht erschienen; als Grund gab sie „per Whatsapp“ die „Haushaltsverhandlungen“ an. Der Vorstand der CSD erklärte aufgebracht: „Der Landtag ist nicht einmal sieben Minuten entfernt, man hätte sich kurz die Zeit dafür nehmen können.“ Auch wurde nur auf Druck des CSD vier Wochen nach der Tat der Kulturpalast Dresden in Regenbogenfarben beleuchtet.

Nur zwei Tage nach dem offenen Brief, am 31. Oktober, ein Tag vor dem organisierten Gedenktag des CSD, gab Bundespräsident Steinmeier dem Rundfunksender Deutsche Welle ein Interview. Thema war Islamismus, anlässlich des zweiten Anschlages in Frankreich, in Nizza. Das einzige, was der deutsche Bundespräsident über Dresden sagte, war: „Es gab zuletzt einen Anschlag in Dresden, mit immerhin einem Verletzten und einem, der gestorben ist, nach diesem Anschlag. Insofern, glaube ich, können wir nicht so tun, als seien wir hier in Deutschland gefeit vor solchen Angriffen.“ Gleichzeitig schob Steinmeier sofort die Gefahr eines „Hasses“ hinten an, den er gegenüber Muslimen meinte: „Aber vor allen Dingen dürfen wir uns in unseren demokratischen Gesellschaften auch nicht auf einen Kurs festlegen, der Hass und Ausgrenzung zum Maßstab staatlichen Handelns macht.“ Mit keinem Wort ging er auf die islamistische Tat an sich ein, sondern nur auf die etwaigen Folgen wie Muslimfeindlichkeit: „Das Entgegenstellen gegenüber solchen Akten brutaler Gewalt, islamistischen Motiven, ist das eine, aber zu versuchen, die Offenheit unserer Gesellschaft aufrechtzuerhalten, ist die andere Herausforderung.“ Auch hier hat der Bundespräsident ein mutmaßliches homosexuellenfeindliches Motiv verschwiegen, obwohl er längst, wie auch die gesamte Bundesregierung durch die Sicherheitsbehörden, darüber informiert gewesen sein musste. Stattdessen kam er am darauffolgenden Tag nicht nach Dresden, um dieses brutalen und tödlichen Anschlages zu gedenken.

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Auch hat die FDP-Bundestagsfraktion am 31. Oktober einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. „Die Sicherheitsbehörden haben das Attentat lange als „Touristenmord“ verklausuliert und die mutmaßlich homosexuellenfeindliche Motivlage verschwiegen. Auch Ihrerseits ist uns bisher leider keine öffentliche Äußerung zu diesem erschütternden Anschlag bekannt“, hieß es in den Brief. Auch betonte die FDP-Fraktion, dass die Angehörigen das Schweigen der Kanzlerin nicht verdienen: „Wir trauern um Thomas L. Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seinem Lebenspartner und seinen Angehörigen. Sie verdienen nicht das Schweigen aus dem Bundeskanzleramt, sondern die volle Solidarität unserer freiheitlichen Gesellschaft und die höchste staatliche Anteilnahme“.

Die FDP-Fraktion im Bundestag teilte auf Anfrage TE mit, dass in der FDP-Fraktion keine Antwort auf den Brief von der Bundeskanzlerin oder der Bundesregierung einging, weder bei Christian Lindner, Thomas Sattelberger oder Jens Brandenburg. Auch habe Bundespräsident Steinmeier bisher nicht ein einziges Mal das homosexuellenfeindliche Motiv erwähnt.

Die Kanzlerin des Schweigens

Einen Tag nach der CSD organisierten Gedenkfeier, am 2. November 2020, folgte am Abend der islamistische Anschlag in Wien, bei dem vier Menschen getötet und 23 schwer verletzt wurden. Merkel meldete sich zu dem Terroranschlag in Wien sofort zu Wort und sagte: „Der „islamistische Terrorismus ist unser gemeinsamer Feind.“ Wenn es um Anschläge außerhalb Deutschlands geht, kann Merkel sich gegenüber ihrer befreundeten Staaten äußern. Wenn es um Anschläge innerhalb Deutschland geht, schweigt Merkel ihre eigene Bevölkerung an, darunter Lebensgefährten und Angehörige der Opfer. Schon wegen des Terroranschlages am Berliner Breitscheidplatz 2016 wurde Angela Merkel ein Sprachversagen und Versagen hinsichtlich des Umganges mit den Angehörigen attestiert.

Zahlen aus dem Bundesinnenministerium:
Die absolute Mehrheit der "Gefährder" sind Islamisten
Die Bundeskanzlerin scheint auch nach über drei Jahren daraus nicht das geringste gelernt zu haben. Sie führt eine kontinuierliche Politik des Verschweigens und Ausschweigens. Ihr politisches Verhalten bezüglich Homosexuellen wühlt Erinnerungen auf: 2017 stimmte Merkel mit roter Karte gegen eine Homoehe, später rückte sie davon ab. Schon 2012 wollte Merkel homosexuelle Paarte nicht gleichstellen, indem sie sich gegen eine steuerliche Gleichstellung eingetragener homosexueller Partnerschaften mit der Ehe aussprach. Damals sagte sie: „Ich lehne eine rasche Gleichstellung ab“.

Eine ähnliche Politik der Scheinheiligkeit herrscht bei dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Im Mai 2018 schaffte er es mit seiner Rede zum 10. Jahrestag des Denkmals für die im Nationalismus verfolgten Homosexuellen in alle Medien zu erscheinen, weil er Homosexuelle um Vergebung gebeten hatte. Doch den Homosexuellen in der Gegenwart schenkt er nicht einmal die letzte Ehre, und ignoriert eiskalt Einladungen zu Gedenkfeiern. Auch bei ihm werden Erinnerungen seiner politischen Fehlverhalten wach: Steinmeier gratuliert dem iranischen Mullah-Regime – ein Regime, das mit „Nazi-Methoden“ Homosexuelle Kinder foltert, um eine „Homoheilung“ durchzuführen, so wie es die Nationalsozialisten ebenso versuchten – ein Regime, das Homosexuelle in aller Öffentlichkeit exekutiert.

Wie sollen ihm Homosexuelle also jemals vergeben?

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