Tichys Einblick
Wochenrückblick

Ein Sozialismus mit dem Antlitz von Robert Habeck

Alexander Wendt möchte diesen späten Wochenrückblick nutzen, um einen konkreten Wohnraumbeschaffungsplan für Berlin Mitte zu unterbreiten.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Am Wochenende demonstrierten in Berlin, Tausende für die Enteignung mehrerer Berliner Wohnungsgesellschaften, zur, wie es heißt, Bekämpfung der Wohnungsnot. An der Spitze marschierte die Senatorin für Wohnungsbaubekämpfung Katrin Lompscher von der Linkspartei, und von fernher unterstützte Robert Habeck via Interview die Bemühungen, endlich einmal den Staat machen zu lassen, der in Berlin zwar sechs landeseigene Wohnungsbaugesellschaften unter der Aufsicht von Frau Lompscher besitzt, der aber, warum auch immer, seine auf den Gebieten Sauberkeit, Sicherheit und Flughafenbau schon bewährte Lösungskompetenz im Wohnungsbewirtschaftungssektor bislang nicht ganz durchzusetzen vermag.

In einem Interview in der WELT am Sonntag bemühte Habeck das Beispiel unbebauter städtischer Grundstücke in Privathand – es gebe, meinte er, jedenfalls habe er das von Boris Palmer gehört, in Tübingen ein solches Grundstück oder sogar mehrere – , jedenfalls, wie auch immer, solche Grundstücke sollten ruhig enteignet werden, um Wohnungen darauf zu bauen. Die Forderung verband er auch gleich noch mit der nach dem Verbot von Inlandsflügen. In der allgemeinen Diskussionslage verstehen viele Habecks Einlassung als mentale Unterstützung für alle, die lieber schon fertig bebaute Grundstücke sog. Miethaie enteignen beziehungsweise gleich die Gesellschaft in Deutschland der in Venezuela angleichen möchten, gerade jetzt, wo der antikapitalistische Geist in Venezuela eine Schwächephase durchmacht.

Ich möchte diesen späten Wochenrückblick nutzen, um einen konkreten Wohnraumbeschaffungsplan für Berlin Mitte zu unterbreiten. Zum einen geht es um ein unbebautes Grundstück ganz in der Nähe des alten, von Albert Speer entworfenen Flakbunkers an der Reinhardtstraße. Hier, behauptet die Stiftung der grünen Partei, wolle sie einen Erweiterungsbau für ihre Denkzentrale schaffen und dafür 21 Bäume des Reinhardt-Parks umlegen. Bis jetzt ist allerdings nichts passiert. Wahrscheinlich lässt die Stiftung das Areal aus spekulativen Gründen brachliegen. Dafür gibt es zwar keine Belege, aber hey, wie Annalena Baerbock sagen würde, es fühlt sich doch irgendwie nicht richtig an. Das Grundstück könnte also enteignet und mit einem Sozialwohnungshaus bebaut werden. Das Bäumefällen ginge dann schon in Ordnung. Warum sollte es dem städtischen Bewuchs denn besser gehen als den Bäumen in einem Xbeliebigen Windraderwartungsforst?

Der zweite Fall betrifft die Grünen-Parteizentrale am Platz vor dem Neuen Tor 1 in Berlin. Es handelt sich hier zweifellos um ein klassisches Berliner Wohnhaus, das zu einer Parteizentrale zweckentfremdet wurde. Durch beide Enteignungen entstünde sogar – im Gegensatz zur Enteignung schon vorhandener Wohnungsbestände – neuer Wohnraum. Zwar immer noch weniger, als allein der grüne Baustadtrat von Kreuzberg-Friedrichshain Florian Schmidt bisher verhindert hat, und zwar allein durch die Weigerung, baureifen Projekten seine Genehmigung zu erteilen. Aber irgendwo muss man ja mit dem fairen Ausgleich anfangen und „einen Kompass, ein Fundament setzen“ (R. Habeck).

Und mit dem Argument, dass sie ihr Grundstück für die Böllstiftung und außerdem ihre Parteizentrale brauchen, sollten sie gar nicht erst angewanzt kommen. Brauchen, brauchen – so klingt ja wohl die dümmste Ausrede, seit es Eigentümer gibt. Die Partei kann und sollte Robert Habeck von seinen vier Grünenpfalzen aus leiten, die ihm zum gewöhnlichen Aufenthalt dienen, nämlich Anne Will, Maybrit Illner, Dunja Hayali und dem Morgenmagazin der ARD. Sein Sidekick Annalena Baerbock muss sowieso nicht an einem festen Ort zwischengespeichert werden; sie lebt gut und gern im Diskursnetz. Die Maßnahme schüfe also nicht nur Wohnraum, sie trüge auch dazu bei, sinnlose Fahrten einzusparen, womöglich sogar Kurzstreckenflüge.

In der vergangenen Woche beförderte DER SPIEGEL die Geschichte „Putins Puppen. Wie der Kreml die Rechtspartei für seine Zwecke benutzt“ auf den Titel.

Hauptsächlich geht es darin um den AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier. Über ihn, so heißt es in der SPIEGEL-Geschichte, habe 2017 vor der Bundestagswahl jemand aus der Duma, also dem russischen Parlament (genauere Angaben gibt es nicht) ein Papier an die russische Präsidialverwaltung geschickt, indem es über ihn, Frohnmaier, heißt: „Er wird ein unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter im Bundestag sein.“ Und: „Bisher fehlten die Belege, dass es solche Überlegungen weit oben im russischen Staatsapparat tatsächlich gibt.“

Sie fehlen noch immer, jedenfalls in der Titelgeschichte des SPIEGEL. Dort findet sich weder ein Beweis dafür, dass das Schreiben aus der Duma in irgendwelche Überlegungen einbezogen wurde, noch für eine konkrete Unterstützung Frohnmaiers aus dem Kreml. Frohnmaier sagte tatsächlich über die russisch annektierte Krim: „Die Krim kommt nicht mehr zurück, und ich denke, das muss man jetzt einfach auch akzeptieren.“

Diese Ansicht kann man für richtig oder falsch halten, es handelt sich jedenfalls mehr oder weniger um das gleiche, was der FDP-Politiker und stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki vor einiger Zeit über die Krim meinte.

Ich kann nicht beurteilen, ob es einen illegalen oder legalen Einfluss der russischen Regierung auf Frohnmaier und/oder die AfD gibt. Die Angelegenheit könnte ruhig untersucht werden. Ich bin nur dafür, sie im Zusammenhang aufzuklären, nämlich als Frage nach dem russischen Einfluss auf die gesamte deutsche Politik. Das beginnt natürlich mit Gerhard Schröder, führt aber auch schnell zur Partei Robert Habecks. Im Jahr 2016 ging die mit Abstand größte Einzel-Parteispende Deutschlands an die Grünen: 300.000 Euro, überwiesen von Jochen Wermuth, Gründer der Wermuth Asset Management. Wertmuth, gebürtiger Amerikaner, arbeitete unter anderem für die Weltbank, wurde 1993 Berater des russischen Finanzministeriums, baute von 1997 bis 1998 das Russland-Geschäft der Deutschen Bank in Moskau auf und gründete 1999 seine Vermögensverwaltungsgesellschaft, die sich unter anderem auch auf dem Feld der Erneuerbaren Energien engagiert. Er ist außerdem Mitglied im Deutsch-Russischen Forum e.V.; zu Putin pflegt er ein nicht unkritisches, aber durchaus gutes Verhältnis.

Was für Geschäfte in Russland zu den unbedingten Voraussetzungen gehört. Wermuth zählt auch zu den größeren Spendern von Greenpeace. Dass es zwischen seinem Fonds, der russischen Energieexportstrategie und der grünen Politik unter besonderer Berücksichtigung des Kohleausstiegs gewisse objektive Überschneidungen gibt, liegt auf der Hand. Kann sein, dass eine Untersuchung der Verbindungen von Wermuth und den Grünen (die Großspenden über 100.000 Euro übrigens politisch ablehnen, was sie im Einzelfall dann aber anders sehen) wenig bis nichts ergeben, ähnlich wie die Untersuchungen Robert Muellers zu Donald Trumps Russian gate. Aber einen Versuch wäre es doch wert.

Sollte sich eine konkrete Einflussnahme herausstellen, dann griffe das Parteiengesetz, nach dem Spenden als illegal gelten, wenn sie mit einer konkreten Erwartung an ein politisches Handeln verbunden sind, erst Recht, wenn diese Erwartungen noch erfüllt werden.

In diesem Fall wird die Spende kurzerhand durch die Bundestagsverwaltung enteignet. Würde der obenstehende Vorschlag berücksichtigt, dann gäbe es in diesem Fall noch nicht einmal wütende Demonstrationen vor der grünen Parteizentrale.


Der Beitrag von Alexander Wendt ist zuerst bei PUBLICO erschienen.

Die mobile Version verlassen