Tichys Einblick
Diskriminierung nach Impfstatus

Ein Ökonom erklärt Triage zum Mittel der Impf-Motivation

Der Verhaltensökonom Marcus Schreiber holt die "Keule" raus. Was vor einem Jahr als Schrecken galt, den die Corona-Politik unbedingt verhindern wollte, hält er für ein probates Mittel, die Impfbereitschaft zu erhöhen: Triage, also die nachrangige Behandlung von Ungeimpften in Krankenhäusern.

IMAGO/phototek

Erst vor wenigen Tagen beschwor der Virologe Christian Drosten den Beginn der „Winterwelle“ ab Mitte Oktober. Dabei sinken die Zahlen der Neuinfektionen und der Krankenhauseinweisungen. Aktuell liegt die 7-Tage-Inzidenz bundesweit bei 64,3, die Hospitalisierungrate bei 1,65. Drosten und andere verbreiten dennoch Alarmstimmung. Grund? Die niedrige Impfquote in Deutschland von aktuell 64,6 Prozent. Diese sei nicht ausreichend, um einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland zu verhindern. 

Auf der neuen Panikwelle surft auch der Spiegel und hat ein Interview mit der Virologin Melanie Brinkmann und dem Verhaltensökonom Marcus Schreiber geführt. Thema: Wie kann die Impfquote gesteigert werden?

Marcus Schreiber, Volkswirt und Vorstandsvorsitzender einer Beratungsfirma, hat da ganz konkrete Ideen: „Wenn wir über die positiven Anreize nicht weiterkommen, bin ich sehr wohl dafür, massiv zwischen Geimpften und Nichtgeimpften zu diskriminieren.“ Dabei hat er konkret eine „Keule“ gegen Ungeimpfte im Sinn: „Wenn Sie sagen: Ab dem 1. Dezember gilt eine klare Triage-Regelung in unseren Krankenhäusern: Wenn die Krankenhäuser voll sind, gibt es Vorfahrt für Geimpfte. Das wäre eine Keule, mit der viele Zögerer wohl zu einer Entscheidung gezwungen werden könnten.“

Auf die Nachfrage des Spiegels, ob er das für eine gute Idee halte, antwortet Schreiber: „Absolut. Wir haben schließlich eine Pandemie.“ Der „Umgang mit einer möglichen Ansteckung“ sei für ihn „keine Privatsache“. Denn jeder Infizierte sei auch ein Risiko für andere. Schreiber erklärt: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Krankenhauspersonal ungeimpft sein darf. Menschen müssen schließlich ins Krankenhaus, wenn sie sehr krank sind, und dann sind sie dort Ungeimpften ausgesetzt. Ich verstehe auch nicht, warum ein Kassenarzt mit Kassenzulassung ungeimpft sein darf. Und bei Lehrerinnen und Lehrern verstehe ich es genauso wenig.“

Schreiber scheint von der Idee der Selbstverantwortung jedes Individuums nicht viel zu halten. Seit wann eigentlich ist es nicht mehr Privatsache eines jeden Menschen, mit sich, seinem Körper und seiner Gesundheit so zu umzugehen, wie er es möchte? Wann ist ein Mensch für die Gesundheit anderer Menschen verantwortlich geworden? Und was ist eigentlich aus der im Grundgesetz verankerten „unantastbaren Menschenwürde“ geworden? Die Behandlung im Krankenhaus abhängig vom Impfstatus zu machen, würde bedeuten, dass der Staat darüber entscheidet, welches Leben „lebenswerter“ ist. Es würde bedeuten, dass ein Ungeimpfter im schlimmsten Fall mit seiner Gesundheit oder gar seinem Leben dafür „bezahlen“ müsste, dass er nicht gemacht hat, was der Staat ihm gesagt hat. Den Regierungswillen durch Todesdrohungen durchsetzen zu wollen – das kennt man nur aus Diktaturen schlimmster Sorte. Gilt das bald auch für Raucher, Übergewichtige und bei verletzungsgefährdenden Sportarten wie Fußball?

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