Berlin, 28. Juli 2023. Es sind 20 Grad. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt seinen Hitzeschutzplan vor, der die Zahl der Hitzetoten halbieren soll. Das sind genug Pointen für einen Artikel. Doch leider endet die Surrealität damit nicht.
Lauterbach kommt frisch aus dem Italienurlaub zurück, der vor allem damit endete, dass nun eine ganze Reihe von Italienern – der Tourismusverbandschef und der Lebenspartner von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni inklusive – seinen Namen kennt. Nicht im positiven Sinne. Dass Touristen nach Italien kommen und sich beständig beschweren, ist zwar nichts Neues. Dass es aber nun ausgerechnet das Wetter ist, was doch für den Großteil der Nordeuropäer erst der Grund ist, in den Süden zu fahren, ist neu. Besonders, wenn das Wetter eigentlich „gut“ ist.
Aber heute ist nichts mehr gut. Überall lauert die Katastrophe. Als Lauterbach bei 30 Grad in Bologna über die spektakuläre Hitzewelle twitterte, war das ein Auftakt. Die Ära der südlichen Urlaubsländer sei vorbei, ihre Zukunft bedroht. Lässig schickte Lauterbach anschließend aus der Toskana Bilder oder von seinem Rom-Trip am Trevi-Brunnen. Dort waren es 36 Grad. Hitzehölle pur in den Hundstagen des späten Julis, aber Lauterbach hat es irgendwie überlebt.
Leider ist die Hitzewelle nunmehr vorbei und Lauterbach aus Italien zurück. Deutschland ist so kalt und verregnet wie zuvor, aber dennoch ist es jetzt schon der heißeste Juli aller Zeiten. Dass das italienische Hitzespektakel keine Live-Begleitung durch Krisenreporterin Antonio Rados erhielt, war wohl nur darauf zurückzuführen, dass es in Süditalien noch tödlicher war als am Hindukusch unter den Taliban. Man hat den Eindruck, dass das ganze mediterrane Hölleninferno international ausgeschlachtet werden musste, weil der Jahrtausendsommer im Norden ausblieb. In Großbritannien, wo sich das Wording frappierend ähnelte, brachte es der Daily Telegraph auf diese Formel.
Lauterbach behauptet weiterhin, dass sich der Hitzeschutzplan nur an dem französischen Modell anlehne. 80 Prozent entsprächen dem, was in Frankreich getan würde. Gegenfrage: warum wird dann „an weiteren Maßnahmen“ gearbeitet, wie der Gesundheitsminister anfügte? Brauchen wir mehr Sonnenschutzcreme in Hamburg? Oder steht ein baldiger Mittelmeeranschluss bevor, von dem wir noch nichts wissen, und der solche Maßnahmen nötig macht? Mit Sicherheit würde der alte Wunsch vom 17. Bundesland Mallorca so manche Maßnahme rechtfertigen, ansonsten ist die Strandkorbsuche an der Ostsee vermutlich noch das größte Problem.
Wie so häufig dürfen Maßnahmen der Bundesregierung von Ländern und Kommunen ausgebadet werden. So eben auch wieder beim Hitzeschutzplan. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte mehr Geld vom Bund. Die „ohnehin schon klammen Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Kommunen“ würden vor weitere Probleme bestellt. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge, kritisierte, dass der gesunde Menschenverstand Richtschnur bleiben sollte, der Alarmismus Lauterbachs sei nicht angemessen.
Anderen geht es noch nicht weit genug. Die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Inge Paulini, warnte davor, dass die Bevölkerung wegen des Klimawandels immer mehr von UV-Strahlung bedroht sei. „Welche Veranstaltungen müssen wirklich in der heißen, strahlenintensiven Mittagszeit sein? Der Sportunterricht in der prallen Sonne sollte dringend überdacht werden“, sagte Paulini. Außerdem müsse es „grüne Inseln“ in den Städten geben, die zudem zum Klimaschutz beitrügen und hilfreich für die Biodiversität seien. Auch Paulini verwies auf Sonnenschutzcremespender und nannte konkret die niederländische Nordseeküste als Vorbild.
Notabene: TE hat in der Vergangenheit diese Kette von Surrealitäten dokumentiert. Dazu die Connections mit der Öko-Lobby dargestellt. Die Verbindungen zu Corona-Maßnahmen aufgezeigt. Er ist damit ein Ablenkungsmanöver: für staatliche Maßnahmen durch die Hintertüre, als Selbstbedienungsladen, als Erstaz für einen milden Sommer, der nun zum Horror stilisiert werden muss. Doch zuletzt bleibt vor allem eines hängen. Lauterbach geht es in erster Linie nicht um Hitzetote, sondern um Lauterbach. Es gibt eine Gesundheitspolitik jenseits der Hitzeschutzpläne und Klimawandelaufmerksamkeit. Das bringt Presse, das gibt Aufmerksamkeit in den sozialen Medien. Aber es bringt nichts, wenn man einem Krisenministerium wie dem Gesundheitsministerium vorsteht, das in einer ganz anderen Krise steckt.
Kollege Mario Thurnes hat es über Monate ausgearbeitet. Pflegeversicherung, Krankenhaussterben, leere Kassen. Lauterbach tänzelt mit Spaßthemen wie Hitze und Cannabis durch den Presseball. Aber hinter den OP-Türen sieht es düster aus. Das deutsche Gesundheitswesen ist ein Kartenhaus geworden. Bekanntlich hat Odysseus den Verrückten gemimt, um den Trojanischen Krieg zu entgehen. Am Ende musste er dennoch mit Agamemnon ziehen. Lauterbachs Clownerie fällt dagegen noch etwas einfältiger aus. Die dicke Rechnung kommt. Da wird weder Hitzeschutzplan noch Cannabislegalisierung helfen. So lange feiert Lauterbach noch seine Party, wie er es eben kann.