Als wir noch Kinder waren, spielten wir das Spiel »Invasorische Kuhhirten und Indigene Völker Amerikas«, wenn es auch damals, glaube ich, noch anders hieß – wie Twix. Die einen Kinder fuchtelten mit Plastik-Pistolen herum, die anderen Kinder schwangen Stöcke, welche Tomahawks darstellen sollten. Zum Schluss wurde die Friedenspfeife geraucht, denn nichts geht über Frieden. Genau genommen war es eine von diesen Gipspfeifen, die im Herbst mit dem Sankt-Martin-Weckmann kommen.
Einmal versuchten wir, trockene Blätter in der Pfeife zu verbrennen. Der Rauch stank, der Gips platzte, und wir stellten schnell fest, dass Rauch widerlich ist, und wir beschlossen, dass diese rauchenden Erwachsenen allesamt komisch im Kopf sein müssen, und ab da taten wir wieder nur als ob. Wenn ich daran zurückdenke, spüre ich bis heute den Geschmack des sich durch die Spucke auflösenden Gipses auf der Zunge.
Irgendwer wird sich schon empören
Heute ist es nicht ganz so einfach, »Cowboy und Indianer« zu spielen. Irgendwer wird sich schon empören. Empörung und Rassismus haben heute oft denselben Zweck: Der Empörte und der Rassist wollen sich beide moralisch über den Mitmenschen erheben, ohne irgendwas dafür geleistet zu haben.
In den Niederlanden, genauer: Utrecht, wurde letztes Jahr im TivoliVredenburg ein Fest gefeiert, zu dessen Anlass man die Kinder aufgefordert hatte, sich als Cowboys und Indianer zu verkleiden (siehe z.B. bbc.co.uk, 4.5.2018). Eine Aktivistengruppe namens »De Grauwe Eeuw« hatte die Veranstalter angezeigt, den Kindern würde in dem Spiel beigebracht, Völkermord sei etwas Schönes. Nun hat ein Gericht entscheiden, dass die Vorwürfe falsch seien und nichts Illegales am Cowboy-und-Indianer-Spiel sei, doch das Zentrum hat seine Lektion gelernt: Lege dich nicht mit Social Justice Warriors an. Das Zentrum wird keine Indianerspiele mehr veranstalten.
Kommt eine Konservative ins Café
Stellen Sie sich folgende Szene vor: Eine Schwarze besucht ein amerikanisches Café, das in der Tendenz vor allem von Weißen frequentiert wird, um zu frühstücken. Plötzlich kommen junge Weiße hinein und beginnen, sie übel zu beschimpfen.
In welchem Jahr würden Sie die Szene einordnen? 1950-er? 2018? – Beides wäre richtig.
Candace Owens ist eine schwarze Publizistin, in den USA – und sie ist konservativ. Sie lässt sich nicht in das Opfer-Schema von US-Demokraten und Hollywood-Linken pressen, welche nur dünn verhüllt in Schwarzen noch immer die Sklaven von einst sehen. Sie tritt als Kommentatorin im TV auf und ist sehr beredt – und um Längen mainstream-kompatibler als etwa US-Demokraten wie Alexandria Ocasio-Cortez oder Maxine Waters.
Als Owens vorgestern im Green Eggs Cafe, Philadelphia, frühstücken ging, kamen ihr weiße Antifa-Individuen hinterher und schrien sie mit der üblichen linken Mischung aus inkohärenten Beleidigungen und pseudopolitischen Schlagworten an. Es sind die bekannten gehirngewaschenen Fanatiker, die meisten davon weiß wie Marshmellows, viele mit den Insignien der Idiotie am Kopf, von Topfschnitt bis zu rosa gefärbtem Pony, welche sogar mit Megaphon auf die konservative Candace Owens einbrüllten.
Das Schöne am Smartphone-Zeitalter ist, dass es immer gleich ein Video von der Angelegenheit gibt. Schauen Sie sich das Video an! Versuchen Sie, irgendeinen kohärenten Sinn in den Slogans der kaltgesichtigen, manisch brüllenden linken Fanatiker zu finden. (Die bekannte Journalistin Sibel Schick notiert, in anderem Kontext doch wohl auch aus eigener Erfahrung, die rassistischen Neigungen der gesamten linken Szene.) Es ist fast, als ob sie nur ein »legitimes« Ventil suchen, endlich wieder eine Schwarze zu demütigen. Es ist fast, als wollten sie »Cowboy« spielen, aber in echt, und linke Ideologie gibt ihnen die gefühlte Berechtigung, endlich wieder die Fremden zu jagen.
Gemeinsam gegen Links
Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass heute – womöglich mit Absicht – viele politische Begriffe auf den Kopf gestellt werden. Mitläufertum wird »Haltung« genannt, Andersdenkende zu bedrängen heißt »Zivilcourage«, Gefühlsäußerungen werden als Nicht-Meinung diffamiert. In der Welt darf ein Zukunftsforscher praktisch anti-konservative Geisteshaltungen als »konservativ« anpreisen (welt.de, 6.6.2018). Es sind auch weiterhin orwellsche Zeiten.
»Links« bedeutet heute nicht mehr »für die kleinen Leute da«. Heutige Linke kämpfen für die Interessen von Konzernen und Spekulanten. Die Nation ist die letzte und stärkste Vertretung des Arbeiters und Bürgers; indem die Linke gegen die Nation agitiert, kämpft sie gegen die kleinen Leute, die sie einst vertrat.
Bedeutet »Links« also überhaupt nichts mehr? Warum benutze ich es dann?
Die Bedeutung von »Links« ist heute sehr anders als vor fünfzig oder hundert Jahren – das heißt aber nicht, dass das Wort nichts bedeutet!
Wer heute »ich bin links« sagt, scheint damit schlicht zu meinen, dass er politische Positionen durch Reaktion auf emotionale Trigger ersetzt hat. Der neue Linke stört sich nicht an Widersprüchen in seiner politischen Theorie, denn er hat keine – er hat nur Trigger. Er ist für und gegen Windkraft (Für Vogelhäcksler, gegen Trassen), für und gegen Diskriminierung (kommt drauf an, wer diskriminiert), für und gegen die Existenz des Landes (sinngemäß »Deutschland soll aufhören zu existieren, außerdem fordern wir, dass es diese 3000 Punkte leistet«), man liebt die Arbeiter und hasst sie, wenn sie das Falsche wählen.
Nein, Links sein ist keine Frage der Inhalte. Links-Sein bedeutet heute Getriggert-Sein. Wer heute links ist, will getriggert werden statt selbst zu denken; er ist das perfekte Marketingopfer, und deshalb geben sich selbst die härtesten Konzerne heute »links«. Wer beim CSD die Regenbogenflagge hochhält, dem verzeiht man auch, dass er seine Steuern extra effizient optimiert.
Das neue Links-Sein ist eine Gefahr. Die letzten beiden Weltkriege passierten, weil Menschen sich triggern ließen. Im ersten Weltkrieg (es wird u.a. bei Remarque beschrieben) war geradezu eine Kriegsstimmung unter den Intellektuellen, und im zweiten Weltkrieg hoben auch Professoren die Hand zum Hitlergruß. Getriggert-zu-werden ist gefährlich, tödlich gefährlich.
Links-Sein ist heute keine politische Richtung, sondern die Reduktion des Bürgers auf den Status eines von Propaganda und Marketing täglich neu getriggerten Zombies. (Deshalb geben sich Unternehmen, die besonders marketing-stark sind und mit absurden Margen mehr Illusionen als Wert verkaufen, in der Tendenz links, während Unternehmen mit fairen – was auch immer das Wort »fair« hier bedeutet – Margen und wertbeständigen Produkten eher konservativ auftreten.)
Wir sollten nicht den Fehler der Linken machen, und Menschen bekämpfen, wo gefährliche Verhaltensweisen und Denkmuster gemeint sind. Das Linke im Sinne von Selbstauslieferung an Propaganda und Marketing ist eine Gefahr – »die Linken« aber sind unsere Mitmenschen.
Eine ganze Zahl meiner Leser kennt das bittere Gefühl, mit einem Sohn, einer Tochter oder einem anderen Familienmitglied am Tische zu sitzen, dessen Gedanken komplett vom Links-Sein gekapert sind. Ist Ihnen aufgefallen, wie häufig diese Linken nonstop mit einem Auge am Smartphone kleben? Das hängt zusammen: Links-Sein und die Meldungen des Smartphones reduzieren beide den Menschen auf einen Reagierenden; eine moralisch aufgeladene Meldung, die auf dem Smartphone piepst und zum »Sharen« animiert, ist für Linke wie Heroin und Kokain zusammen.
Wie begegnet man einer Gefahr? Die Reduktion des Bürgers auf einen getriggerten Zombie ist eine Gefahr. Würde »Links« heute noch »auf der Seite des kleinen Mannes« bedeuten, dann wäre ich der lauteste unter den Linken – es bedeutet heute das Gegenteil, und es ist kaum noch demokratisch. Ein Ruck muss durch die Gesellschaft gehen, quer durch alle politischen Lager, auf dass alle Demokraten guten Willens ein klares Zeichen gegen das neue Links setzen.
Cowboys-und-Indianer ist ein Kinderspiel. Ich bin kein Kind mehr. Ich will das Spiel nicht mehr spielen, und schon gar nicht in echt – nicht als Cowboy und nicht als Indianer.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.