Tichys Einblick
Recht versus Scharia

Staatliche Duldung und das tragische Schicksal von Zohra G.

Die Frage, ob es sich um Mord oder Totschlag handelt, erübrigt sich, denn es handelt sich zweifelsohne um beides. Hinzu kommt die Rechtsverhinderung. Ehrenmord ist ein abscheulicher Ausdruck patriarchaler Dominanz und rückständiger kultureller Normen, die Frauen unterdrücken und ihre grundlegenden Menschenrechte verletzen.

Berliner haben am 30.4.2022 an der Stelle Blumen und Kerzen abgelegt, an der zuvor die sechsfache Mutter Zohra G. mit Messerstichen getötet wurde

IMAGO / Poolfoto

Vor dem Landgericht Moabit in Berlin steht der 43-jährige Afghane Gul A. unter Anklage. Ihm wird vorgeworfen, seine Ehefrau Zohra G. auf offener Straße in der Nähe des U-Bahnhofs Pankow mit 13 Messerstichen getötet zu haben. Der Ermordung von Zohra G., der Mutter der sechs gemeinsamen Kinder, folgt ein Gerichtsprozess, der seit einem Jahr andauert und weit über die Gerichtsmauern hinausreicht. Dennoch scheint er nur über wenig politische Relevanz zu verfügen, da es abgesehen von einigen Artikeln, die meistens hinter einer Bezahlschranke versteckt sind, wenig Berichterstattung über diese Tat gibt.

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Gul A. hat die Tat bereits gestanden, aber der Prozess ist von ungewöhnlichem Verhalten des Angeklagten, Verteidigungsstrategien und der Auseinandersetzung mit dem Motiv hinter dieser Tragödie geprägt.

In einem Artikel der Berliner Zeitung wird deutlich, dass Gul A. angibt, seine Frau getötet zu haben, weil sie ihm verboten habe, die gemeinsamen Kinder weiterhin zu sehen. Aber nicht nur das, laut eigenen Aussagen von Gul A. war Zohra A. „ein Jahr in Deutschland (…) völlig in Ordnung“, sagt er, „plötzlich war sie völlig verwandelt.“ In Berlin sei sie plötzlich faul gewesen, eine „schlechte Mutter“. Sie habe ihn verlassen, einen neuen Mann getroffen, Gut A. kein Geld gegeben. Er reibt sich die Augen: „Warum hat sie mir das angetan?“ Sie habe zu ihm gesagt, dass er in Berlin keine Macht über sie mehr habe. Die Behauptung wird als Ehrenmord interpretiert, bei dem die Tat aus der vermeintlichen Verteidigung der familiären Ehre begangen wurde. Diese Interpretation wird durch das Geständnis des Angeklagten und einige Zeugenaussagen gestützt.

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Die Verteidigung argumentiert, dass es sich nicht um Mord, sondern um Totschlag handelt. Der Unterschied liegt in den Beweggründen und der Absicht des Täters. Totschlag wird oft mit niedrigeren Beweggründen in Verbindung gebracht und kann zu einer geringeren Strafe führen. Die Verteidigung behauptet, dass Beweise und Indizien für niedrige Beweggründe fehlen, was die Absicht zur Tötung in Frage stellt. Es wird darauf hingewiesen, dass Gul A. nach der Tat zurückgekehrt ist, ohne Blutflecke zu verstecken, was auf fehlenden Vorsatz hinweisen könnte.

Dabei wird wieder einmal deutlich, dass solche Argumente meist nur von Unwissenden oder naiven „Kulturfremden“ kommen und nur von diesen als vermeintlich gutes Argument aufgefasst werden können. Die Sichtbarkeit des Blutes ist ein wesentlicher Bestandteil solch einer vermeintlichen „Reinigung“, weil man mit dem Blut die Ehre „wäscht“. Das Verstecken des Blutes wäre wie ein Verwischen der Absichten. Nach solch einer „Waschung“ steht derjenige dazu, das gehört dazu, und genauso hat es der Täter auch getan. Hinzu kommt, dass solch ein Täter sich um die „Drecksarbeiten“ innerhalb einer Gesellschaft gekümmert hat, um kulturelle Werte und Normen wiederherzustellen und dafür in seiner Gesellschaft auch hohes Ansehen erlangt. Natürlich wird getrauert um die Tat an sich und die Kinder vor allem. Aber es herrscht auch ein Konsens in diesen Gesellschaften.

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Wenn Zohra nicht „herumgehurt“ hätte, hätte Gul A. so eine Untat nicht begangen – nicht begehen müssen. Warum sollte dieser Kerl diese Tat vertuschen? Dafür ins Gefängnis zu gehen, sich selbst also zu opfern, kommt einer Krönung zum Märtyrer gleich. Immerhin opfert er jetzt seine Lebenszeit für das Vergehen seiner Ex-Frau, für seine Kinder. Archaischer Altruismus auf höchstem Niveau.

Insofern haben wir es mit einem Rechtsvakuum zu tun, denn in genau solchen Situationen versagt unser Rechtssystem, weil es nicht da greifen kann, wo es greifen will oder müsste, sodass es nicht selten zur Straflosigkeit oder zur Unfähigkeit führt, Rechtsverletzungen angemessen zu verfolgen und zu bestrafen. Vor der Scharia ist und bleibt er ein ehrenwerter Mann, der tat, was getan werden musste und ehrenwert seine Strafe dafür annimmt.

Was könnte niederer sein als der Gedanke, dass das Leben eines Menschen als Kollateralschaden für die Wiederherstellung der vermeintlichen Ehre einer Familie geopfert werden muss. Die Vorstellung, dass dies in irgendeiner Weise legitimiert werden könnte, ist eine Schande für die Menschlichkeit und eine Verletzung der grundlegenden Prinzipien der Gerechtigkeit und Demokratie. Aber genau diese Werte zählen nicht in der Welt von Gul A., auf die selbe Weise wie sie bei uns im Gesetz stehen.

Sylvia Pantel, MdB
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Ein kleiner Hinweis für das Verfahren: Die Frage, ob es sich um Mord oder Totschlag handelt, erübrigt sich, denn es handelt sich zweifelsohne um beides. Hinzu kommt die Rechtsverhinderung. Ehrenmorde sind ein abscheulicher Ausdruck von patriarchaler Dominanz und rückständigen kulturellen Normen, die Frauen unterdrücken und ihre grundlegenden Menschenrechte verletzen. Diese Rechte haben auch Frauen zwar in Ländern wie Deutschland, können sie aber nicht ausüben, wegen Menschen wie Gul A., die Frauen wie Zohra daran hindern, sie in Anspruch zu nehmen oder sie dafür bestrafen.

Reue oder Schuldgefühle? Ja, die hat er, weil er es als Mann nicht zustande brachte, seine Frau ordentlich zu erziehen und zu kontrollieren. Das tut sicherlich außerordentlich leid. Aber Schuldgefühle dafür einen Mord begangen zu haben? Nein, sicher nicht. Schuldig ist er in seinen Augen nämlich auch nicht. Sondern die Umstände, wie er sagt. Aus dem Artikel der Berliner Zeitung geht auch hervor, dass man dem Täter sehr viel Raum für seine Gefühle und Äußerungen gewährt, warum er tat, was er tat. Als würden sie eine echte Relevanz bieten, dass Zohra A., die Frau und Mutter von sechs Kindern, nun wegen ihm tot unter der Erde liegt. Er ist und bleibt ein Mörder – das ist klar. Genauso klar ist, dass es sich um einen waschechten Ehrenmord handelt. Und genau diese Tatsache sollte in einem säkularisierten demokratischen Land wie Deutschland die Strafe massiv erhöhen, anstatt mit nach Empathie heischenden Erklärungen über Religion und Kultur zu versuchen, sie zu mindern.

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Aber genau das wurde versucht. Denn Gul A. gab an, dass er im Iran und Afghanistan eine positivere Lebenserfahrung gemacht hatte und sogar betonte, dass die Frauen dort „viel weniger Rechte“ hatten. Dies deutet darauf hin, dass er im Iran offenbar eine dominantere Rolle in der Gesellschaft als Mann und mehr Kontrolle über sein Leben, seine Familie und vor allem über seine Frau hatte. Indem er nach Deutschland kam, hat er offenbar eine Veränderung in seiner Lebenssituation erlebt, die ihm weniger Kontrolle und Einfluss über seine Frau und Familie gewährte. Die Bemerkung von Gul A., dass seine Frau sich „plötzlich völlig verwandelt“ habe und er „keine Macht mehr über sie“ gehabt habe, legt nahe, dass er sich in Deutschland machtlos oder entfremdet gefühlt hat.

Doch wem nutzen diese Informationen? Der Politik könnten sie von Nutzen sein, denn: Was als unbestreitbare Tatsache aus all diesen Informationen hervorsticht, ist die schockierende Realität, dass erneut eine Frau – eine Mutter von sechs Kindern – brutal ermordet wurde, aufgrund einer Religion, einer daraus resultierenden Kultur und Sozialisation, deren Werte, Normen und Strukturen in Deutschland längst als verfassungswidrig gelten. Doch die Verantwortung reicht weiter. Wenn der Täter Gul A. selbst nur Opfer der Umstände sein soll, dann sitzen die wahren Verantwortlichen für diesen Mord in der Regierung, die bedenkenlos Menschen aus solchen Kulturen, oft sogar illegal, in dieses Land lässt, in vollem Wissen um den Kulturschock, der nahezu immer auf den Schultern der Frauen ausgetragen wird.

Diese Frauen tragen die Bürde von Missbrauch, Gewalt und Mord durch überforderte Männer aus Kulturen, die nicht begreifen, was Gleichberechtigung bedeutet.

Dies verdeutlicht die schmerzlich Realität der Konsequenzen der Entscheidungen der Politik, die insbesondere die Opfer, vor allem Frauen und Kinder, in dieser gefährlichen Spirale gefangen halten. Hätte diese Frau Deutschland nie betreten, würde sie heute noch am Leben sein. Wenngleich nicht in Freiheit, so hätte sie doch weitergelebt, und ihre sechs Kinder hätten weiterhin ihre Mutter gehabt.
Aber was ist ein Leben Wert ohne Freiheit?

Zohra hat mit ihrem Leben den Preis für die Freiheit bezahlt, die tagtäglich mit den Füßen unserer eigenen Politiker getreten werden.

Wer in diesem Land würde es ihr noch gleich tun? Wer stirbt für Freiheit?

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