Tichys Einblick
Dreikönigstreffen der FDP

Albtraum des linksgrünen Mainstreams – oder doch fehlender liberaler Mut

Drei Jahre lang war Christian Lindner der Erfüllungsgehilfe des rot-grünen Mainstreams. Nun hat er drei Monate, um sich als Albtraum dieses Mainstreams zu inszenieren - dabei zuzuschauen, provoziert Fremdscham.

picture alliance / Eibner-Pressefoto | Sandy Dinkelacker

Phoenix überträgt die Rede Christian Lindners vom Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart. Der ehemalige Finanzminister spricht davon, dass Deutschland wieder effektiver werden müsse. Die Leitung bricht zusammen. Der Sender muss die Übertragung unterbrechen. „Das ganze Bild“, heißt der Werbeslogan des öffentlich-rechtlichen Ereigniskanals. Das ganze Bild von Deutschland transportiert Phoenix in diesem Moment des Versagens: Ein Industriegigant, der viel über die Digitalisierung spricht, aber sie derart verschlafen hat, dass er auf dem Weg der Verzwergung immer weiter voranschreitet.

Wie passend. Denn wirtschaftlich stark sein, mutig und dabei offen für den technischen Fortschritt. Das alles gehört zur Agenda der FDP. Zumindest auf dem Papier. Will sie die Umfragen Lügen strafen und am 23. Februar mindestens fünf Prozent der Stimmen holen, dann muss die liberale Partei wieder glaubwürdig für diese Werte stehen. Das ist aber nicht ganz so einfach.

Zum einen wegen der besagten Umfragen und wegen deren Ursachen: dem unterirdischen Auftreten der FDP in der Ampel. In der Regierung war die Partei entgegen ihrer eigenen Darstellung nicht das liberale Korrektiv. Sie war der Ermöglicher rot-grüner Planwirtschaft mit ins Totalitäre reichender, staatsgläubiger Attitüde: Klimasozialismus a la Verbrennermotorverbot, Atom-Aus und Heizungs-Hammer hat die FDP mitgetragen. Zu Medienverboten und politischen Razzien der sozialdemokratischen Innenministerin hat die Partei-Führung selbst auf mehrfache Nachfrage geschwiegen. Und Robert Habecks (Grüne) Atomaus-Inszenierung hat Lindner geschehen lassen und nur der Statler und Waldorf der FDP, Wolfgang Kubicki, hat dies lautstark kommentiert. 25 Prozent höheres Bürgergeld in nur einem Jahr, der Nero-Befehl gegen die Gasversorgung oder Selbstbestimmungsgesetz – all das hat die FDP in der Ampel mitgetragen, teilweise selbst formuliert. Das alles ist noch nicht vergessen, egal wie sehr die Führung jetzt versucht, so zu tun, als ob sie damit nichts zu tun hätte.

Das andere Problem der FDP ist ihr Personal: Was die baden-württembergische Spitzenkandidatin Judith Skudelny vorträgt, nennt selbst Christian Lindner später eine „Verteidigungsrede“. Was Generalsekretär Marco Buschmann vorträgt, ist ein Schulreferat von einem mittelmäßig charismatischen Elftklässler. Er sagt, dass die FDP für Wirtschaft und Freiheit stünde. Ob Buschmann glaubwürdig ist, muss jeder für sich entscheiden. Zu aupten, der ehemalige Justizminister sei mitreißend, erfordert indes eine massiv blau-gelb eingefärbte Sichtweise.

Zumal auch Buschmann an der Erfolgsbilanz scheitert. Er will aufzeigen, dass die FDP in der Ampel der Freiheits-Faktor war. Der ehemalige Justizminister nennt drei Beispiele auf. Eines davon ist das Gesetz, das sicherstellen soll, dass die AfD keine Richter am Verfassungsgericht installieren kann. Das zweite ist die Verhinderung weiterer Corona-Maßnahmen. Ernsthaft. Das führt Buschmann als Erfolg auf. Als Justizminister hat er zusammen mit Karl Lauterbach (SPD) die Maßnahmen verlängert. Seiner Parteifreundin, Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, lag an dem Tag ein Gutachten vor, dass die „Durchseuchung“ längst abgeschlossen und das Virus ungefährlich sei.

Stark-Watzinger hat das Gutachten zurückgehalten. Buschmann hat die Pandemie verlängert, obwohl der Inhalt dank TE bereits bekannt war. Er hat durchgesetzt, dass Soldaten ins Gefängnis müssen, wenn sie sich einer Impfung verweigern. Dass die Mitfahrer in Fernzügen weiter Maske tragen müssen. Buschmann lässt sich wirklich feiern, weil Passagiere in Flugzeugen zeitgleich keine Maske mehr tragen mussten. Wer sich für diesen lauen Kompromiss zelebrieren lässt, dem ist nichts mehr peinlich. Wer das als Erfolg auflisten muss, der steht mit seiner Bilanz nackt da.

In der Ampel hat die FDP versagt. Jetzt muss sie in einem eineinhalb Monate dauernden Ritt so tun, als ob sie nie mehr so handeln würde, wie sie drei Jahre gehandelt hat. Das braucht eine starke Kommunikation. Der Slogan des Dreikönigstreffen ist da durchaus gut gewählt: „Alles lässt sich ändern.“ Betreiber guter PR-Agenturen hatte die FDP schon immer in ihren Reihen. Doch derzeit fehlt ihr halt das Spitzenpersonal, um deren Linien umzusetzen.

Dass es Skudelny und Buschmann nicht sind … Geschenkt. Aber ihr Parteivorsitzender und ihre One-Man-Show Christian Lindner ist es eben auch nicht. Er inszeniert sich auf dem Treffen als „der schlimmste Albtraum des links-grünen Mainstreams in Deutschland“. Das ist frech, kämpferisch und zukunftsgewandt. Ein gutes Wording. Doch, doch, die PR-Leute der FDP wissen, was sie tun. Nur Christian Lindner ist in der Rolle des links-grünen Albtraums so wenig glaubwürdig wie Robert Habeck als Wirtschaftsexperte.

Lindner ist eben nicht mutig. Im fehlt der Schneid, der „Albtraum des links-grünen Mainstreams“ zu sein. Diese Rolle nicht nur zu beanspruchen, sondern sie auch zu leben. Vor gut einem Monat hat der FDP-Chef einen rausgehauen und gemeint, Deutschland müsse mehr Musk und Milei wagen. Jetzt spricht er in Stuttgart von der „Intervention eines gewissen amerikanischen Unternehmers in unseren Wahlkampf“. Lindner rudert nicht nur zurück. Der links-grüne Mainstream hat seinem vermeintlichen Albtraum so stark zugesetzt, dass der sich noch nicht mal mehr traut, den Namen des Tesla- und X-Chefs zu nennen.

Drei Jahre lang hat Lindner inhaltlich alles mitgetragen, was der links-grüne Mainstream diktiert hat. Das muss er nun durch starke Worte überspielen. Das Wording der PR-Berater mit dem links-grünen Albtraums ist gut. Aber die Glaubwürdigkeitslücke zwischen Lindner und diesem Wording ist nahezu unüberbrückbar. Dass Lindner sich von seiner Musk-Forderung abgesetzt hat, ist nur die aktuelle Volte. Die ersten vier Wochen nach dem Ende der Ampel hat der FDP-Chef damit verbracht, zu dementieren, dass seine Partei sich auf dieses Ende vorbereitet habe. Statt stolz dazu zu stehen, dass die liberale Partei dem rot-grünen Staatsschrecken ein Ende gesetzt hat.

Schon das Ende der Ampel hat Lindner verbockt. Statt es selbst herbei zu führen, hat der FDP-Chef so lange gezaudert, bis letztlich Kanzler Olaf Scholz (SPD) – eigentlich selbst ein Zauderer vor dem Herren – gehandelt hat. Damit hat Lindner die Deutungshoheit aus der Hand gegeben und muss in Stuttgart sagen: „Niemand bedauert es mehr als ich, dass die Deutung über das Ende der Ampel sehr stark von unseren politischen Gegnern bestimmt wird.“ Das erinnert an die gescheiterten Koalitionsverhandlungen von 2017. Da hat er erkannt, dass ein Weiter-So mit Angela Merkel (CDU) nicht zu verantworten wäre. Aber ihm fehlte schon damals der Mut, das genau so zu benennen – aus Angst vor dem links-grünen Mainstream, der damals hinter der Kanzlerin der offenen Grenzen stand.

Nicht mutig genug, sich klar gegen Angela Merkel zu positionieren. Nicht mutig genug, links-grüne Klimaplanwirtschaft zu verhindern. Nicht mutig genug, das Ende dieser Planwirtschaft herbeizuführen oder auch nur selbstbewusst zu vertreten. Es ist ein kluger Schachzug, der PR-Experten der FDP, ihren Chef als den „Albtraum des links-grünen Mainstreams“ inszenieren zu wollen. Doch der hat schon mehrfach gezeigt, dass er glaubwürdig nur in der Rolle des links-grünen Erfüllungsgehilfen ist.

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