Am vergangenen Sonnabend sollte es eine Sternstunde für die Junge Union werden. Per Video präsentierten sich die drei Kandidaten für die anstehende Wahl zum neuen Vorsitzenden der traditionsreichen CDU. Statements waren gewünscht und im Anschluss daran sollten sich die Recken den Fragen der Parteijugend stellen. Immerhin sollte diese sich eine Meinung bilden, wer denn da am besten in die Schuhe Angela Merkels schlüpfen könnte. Das kurze Intermezzo der Saarländerin Kramp-Karrenbauer kann in der Chronik der Partei als Fußnote betrachtet werden.
Nun denkt man ja, wenn sich drei zur Wahl stellen, werden sie bemüht sein, aus ihren jeweiligen Stärken Unterschiede aufzuzeigen, die sie besonders attraktiv machen. Doch weit gefehlt. Alle drei Kontrahenten schwammen in der gleichen Soße aus Harmonie und Good-Will. Geradezu vom Stuhl gerissen haben dürfte die Jung-Unionisten die euphorisch vorgetragene Devise des Außenpolitikers Norbert Röttgen. Sein Credo: die CDU müsse jünger, weiblicher und digitaler werden. Genauso könnte das der Vorstandsvorsitzende eines Großkonzerns sagen, wenn er über die Zukunft plaudert. Merz legte den Schwerpunkt auf die Generationengerechtigkeit und den Erfindergeist, der unser Land einst groß gemacht habe. Welch fundamentale Erkenntnis! Ach so, fast hätte ich es vergessen, etwas mehr Streitkultur in der Union wäre auch nicht schlecht. Den Vogel vom Ganzen aber schoss NRW-Ministerpräsident Laschet ab. Kurz und bündig lässt sich seine Botschaft in den Slogan fassen: „Wir sind Spitze, und jetzt kann es nur noch besser werden“. Na denn, nach diesem Auftritt des Trios möchte man der Union raten, spart euch doch den ganzen Wahlkampf, ist ja eh alles in Butter.
Bis hierhin bleibt dem Betrachter nur die schiere Fassungslosigkeit. Immer wieder sucht er mit einem Blick auf den Kalender doch noch eine Erklärung zu finden. Aber nein, es ist nicht Karneval und auch keine Corona-Party, die da über die Bühne geht.
Ohne jede Frage ist die Stimmung so kurz vor dem entscheidenden Datum Anfang Dezember äußerst angespannt. Wer jetzt aus der Rolle fällt, inhaltliche Konflikte auf den Tisch legt, könnte psychologisch schnell ins Hintertreffen geraten. Die CDU war schon immer eine Partei mit Seele und Disziplin. Da verletzt man höchstens aus sicherer Deckung mit genügend Schützen an der Seite. Bei aller Kritik an der „Chefin“ entfaltet der Merkel-Nimbus im Zweifel immer noch große Wirkung. Also mögen sich Merz und Röttgen gedacht haben, lieber auf Samtpfötchen durch die Gegend wandeln, als den Tritt ins Fettnäpfchen riskieren.
Ernüchtert haben müssten sie aber die Fragen der JU-Mitglieder. Da beklagte eine Studentin, dass sie gehofft hätte, mehr über die Werte der Union zu erfahren. Eine andere Stimme hatte sich Argumente für kritische Auseinandersetzungen zum Beispiel „mit denen von der AfD“ gewünscht und fügte hinzu, „das sind ja nicht alles Nazis“, da würden wir gern besser gegenhalten. Kurzum – die Junge Union verlangt nach Orientierung und Führung. Womit wir uns der bitteren Wahrheit nähern.
Seit langer Zeit ist jede offene Streitkultur in der Merkel-CDU verschüttet. Von der überraschenden Energiewende, der Finanzpolitik der EU bis hin zu den Migrations- und Ausländerfragen gilt, was von oben vorgegeben wird. Auch die Überbetonung der Klimapolitik zulasten der Deutschen Wirtschaft hat viele Zweifler in den eigenen Reihen. Unter vier Augen und im kleinen Stübchen zu später Stunde beklagen selbst den Kanzler-Zirkeln Nahestehende, dass jeder, der aus der Reihe tanze, abgestraft werde. In der Merkel-Ära gibt es davon viele. Ein Beispiel ist Friedrich Merz persönlich. Eiskalt servierte die Kanzlerin ihn einst ab, und auch Röttgen hat beim erzwungenen Abgang als Umweltminister die stählerne Härte der sanft tuenden Ostdeutschen gespürt.
Eine Zukunft für die Union als Volkspartei kann es nur geben, wenn sie auch traditionelle Werte wie die Familie, die Freude an Leistung und Individualität und auch das altmodisch gewordene Wort „Stolz auf unser Land“ und seine Menschen wieder entdeckt – dazu gehört übrigens auch die Bundeswehr. Allein mit Frauenquote, Genderdebatten und der Abschaffung des Diesels wird es am Ende nicht reichen. Wenn es der Partei Adenauers und Helmut Kohls gelänge, auf diese Weise wieder Fuß zu fassen, würden dem rechten Wettbewerber der Grund entzogen und man könnte sich intensiver der Auseinandersetzung mit der erstaunlich aktiven SED, genannt Linkspartei, widmen.
Ob einer der drei Kandidaten dazu in der Lage ist, konnte man beim JU-Pitch nicht erfahren. Bleibt zu hoffen, dass der an sich sehr smarte CDU-Nachwuchs die Lage durchschaut und ein entsprechendes Votum für den Parteitag im Dezember abgibt. Sonst bleiben sie lediglich als „Die drei von der Tankstelle“ in Erinnerung.