Tichys Einblick
Islamisten-Lobby in NRW

DITIB-Kooperation: Armin Laschet hat ein „Erdogan-Problem“

Weil NRW wieder mit DITIB kooperiert, wirft Cem Özdemir (Grünen) der CDU NRW zurecht ein „Erdogan-Problem“ vor. Denn keine andere Partei ist von Erdogan-Lobbyismus so betroffen – Ministerpräsident Armin Laschet selbst bewegte sich in diesem Umfeld.

Armin Laschet mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei dessen Staatsbesuch am 29.09.2018

IMAGO / Ralph Sondermann

„Die Entscheidung muss rückgängig gemacht werden. Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat ein Erdogan-Problem. Das hat sich in der Vergangenheit auch bei Personalien gezeigt“ sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir der Welt am SonntagGemeint ist die neue Entscheidung, mit dem Verein DITIB für Islamunterricht in den Schulen zusammen zu arbeiten. Özdemir spricht an, was gewissermaßen tabu ist, was viele Politiker sich nicht mit deutlichen Worten zu sagen trauen. Denn seit Jahren ist in keinem anderem Bundesland die Unterwanderung von Parteien mit Lobbyisten von Erdogans AK-Partei und Grauen Wölfen so groß wie in NRW, das unter der Führung des Ministerpräsidenten Armin Laschets steht. Und seit Jahren ignoriert die Landes-CDU die Unterwanderung ihrer eigenen Partei. Die Kooperation mit DITIB steht nun ebenfalls in dieser Tradition eines „weiter so“ bezüglich des Einflusses Erdogans – und das unter der Führung Laschets, der selbst sich schon im Umfeld des erdoganschen Lobbyismus bewegte. 

Wieso kooperiert die Landesregierung NRW, die sich aus CDU und FDP zusammensetzt, wieder mit der DITIB? Diese Frage muss gestellt werden. Die „Türkische-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) wurde vom türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) gegründet und untersteht unmittelbar dem türkischen Präsidenten. Die Anweisungen für DITIB kommen aus Ankara. In der Vergangenheit schrieb DITIB etliche Male große Negativschlagzeilen. So ist seit langem bekannt, dass in den ihr nahestehenden Vereinen Staatspropaganda betrieben wird. 2018 wurde in Moscheen für den Sieg der Türkei nach dem Einmarsch in kurdischen Gebieten Nordsyriens gebetet. Der Vorsitzende der DITIB-Moschee Bielefeld posierte am Grab des rechtsextremen Grauen-Wölfe-Gründers. Etliche Imame standen im Verdacht, für den türkischen Staat Spionage betrieben zu haben. In der Moschee in Herford mussten Kinder in Militäruniform samt Spielzeuggewehren eine Schlacht üben.

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Immer wieder fallen Vereine durch antisemitische Aussagen sowie Gewaltverherrlichung auf. Besonders während des derzeitigen Nahost-Konflikts offenbaren sich zutiefst antisemitische Propagandakampagnen seitens Diyanet und DITIB. DITIBs Dietzenbach postete eine falsche, propagandistische Landkarte, die Israel als einen Dieb des Landes darstellen soll – mit den Worten „Free Palastine“. Diyanet befeuert in seiner Freitagspredigt, im türkischen Fernsehen, auf der eigenen Webseite sowie in sozialen Medien Antisemitismus. Und trotzdem kooperiert das Land NRW unter der Führung von Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit Erdogans verlängertem Arm namens DITIB. Jedem Politiker müsste spätestens heute klar sein: Wer mit DITIB jetzt noch kooperiert, der nimmt offen Antisemitismus im Kauf.
Das „Erdogan-Problem“ der CDU NRW wird vertuscht

Mit Armin Laschet als CDU-Vorsitzenden ist wohl für die CDU nahezu ein Ende des Kampfes gegen türkische Rechtsextreme, Erdogans wachsenden Einfluss und den politischen Islam zu erwarten“, schrieb ich, als Laschet zum CDU-Vorsitzenden gewählt wurde. Jetzt scheint sich diese These zu bestätigen. Das „Erdogan-Problem“ in der CDU NRW existiert seit langem – und das Problem umfasst Ministerpräsident Armin Laschet selbst in besonderem Maße. Im Zuge der NRW-Kommunalwahlen 2020 entlarvten einige Medien etliche Erdogan-Lobbyisten in verschiedenen Parteien, nicht zuletzt in der CDU. Auch Armin Laschet stand mit solchen Lobbyisten in Kontakt.

Als der bekannte Graue Wolf und Ex-CDU-Politiker Zafer Topak damals behauptete, dass der Landesvorsitzende Laschet und der NRW-CDU-Landesgeschäftsführer über seine Anhängerschaft bei den türkischen rechtsextremen Grauen Wölfen Bescheid gewusst hätten, dachte man noch, dies sei nur eine Behauptung. Durch das CDU-Schweigen gelang es Topak 16 Jahre in der CDU aktiv Politik mitzugestalten. Im letzten Jahr hat sich dann herausgestellt, dass der Graue Wolf und Erdogan-Funktionär Sevket Avci (CDU) von Laschet persönlich vertuscht wurde. Bereits vor vier Jahren wurde in einem von CDU-Politikern verfassten Papier die Nähe des AKP-Lobbyisten Avcis zu den Grauen Wölfen festgehalten. Der CDU-Politiker Salim Cakmak offenbarte in einer Reportage von Report Mainz, dass das Papier an die nordrhein-westfälische CDU und Armin Laschet persönlich ging – und dass die Reaktion folgende war: Das Papier sollte aus dem Verkehr gezogen werden, mit der Begründung, dass Wahlen anstehen. Armin Laschet hat damit den Erdogan-Lobbyismus in Schutz genommen. 

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Armin Laschets Unterstützung für fragwürdige Akteure im Umkreis von AKP-Lobbyisten begann bereits damit, dass er das damalige „Deutsch-Türkische-Forum“ (DTF) unterstützte, was die Vorgänger-Organisation der „Union der Vielfalt“ (UdV) und eine Nähe zu den Grauen Wölfen zeigte. In dem erwähnten, von CDU-Politikern erstellten Papier über türkische Lobbyisten, wird genau diese „Union der Vielfalt“ als „Eingangstor zur CDU“ genannt. In diesem Papier wird auch Serap Güler (CDU), Laschets Vertraute und Staatssekretärin für Integration, explizit genannt. In dem Papier wird Güler als Beisitzerin der UdV erwähnt, die mit islamistischen, türkisch-nationalistischen Organisationen kooperiert. So traf Güler sich beispielsweise mit Vertretern der vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuften „Islamischen Gemeinschaft Milli-Görüs“ (IGMG) zu einem Iftar-Essen.

Heute kann man die UdV als ein Forum werten, das direkt türkisch-rechtsradikalen Grauen Wölfen und Lobbyisten der türkischen Regierungspartei AKP zu Kontakten in die CDU verhalf. Dass seine Vertraute in dem Papier vorkommt, könnte ein Grund gewesen sein, wieso Armin Laschet es vertuschen wollte. Doch damit umging Laschet auch das „Erdogan-Problem“ in der NRW-CDU, statt es anzugehen. Diese Ignoranz machte es möglich, dass seit Jahren Erdogans Funktionäre problemlos in der CDU agieren können. 

Die nordrein-westfälische CDU schweigt bis heute auch über die von Journalisten offenbarten Verbindungen von Politikern aus den eigenen Reihen zu Erdogan-Funktionären. So standen Cemile Giousouf, ehemalige Referentin im Integrationsministerium NRW, und Oliver Wittke, Ex-Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU und ehemaliger Verkehrsminister, immer wieder im begründeten Verdacht des AKP-Lobbyismus – doch niemals folgten irgendwelche Konsequenzen. So war auch in Duisburg stadtbekannt, dass Ilhan Bükrücü ein AKP-Lobbyist ist. Erst als die Medien letztes Jahr massiv Druck ausübten, musste er seine Ämter in der CDU niederlegen. 

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Mit demselben Ilhan Bükrücü war Armin Laschet im Jahr 2014 auf einer Veranstaltung der AKP-Lobbyorganisation UETD in einem Restaurant in Gelsenkirchen aufgetreten, ein Foto davon liegt TE vor. Dieses Restaurant diente jahrelang als Lobbyistentreffpunkt, der Besitzer selbst gehört der UETD an. Oliver Wittke war zu dieser Zeit Vorsitzender der CDU-Gelsenkirchen und trat zusammen mit Bükrücü auf Lobby-Veranstaltungen in Erscheinung. Brisanterweise hat diese Gelsenkirchener UETD genau in diesem Restaurant 2016 DITIB-Funktionären Urkunden verliehen für ihre Wahlwerbung für AKP und Erdogan. Von dem damaligen UETD-Chef und Oliver Wittke finden sich Belege für Treffen, die bis 2013 zurück reichen – auch in diesem Restaurant.

Anders als Bükrücü bekam Sevket Avci trotz großer medialer Empörung von der CDU keinerlei Konsequenzen zu spüren. Er durfte sogar bei der NRW-Kommunalwahl 2020 antreten und ist tatsächlich erneut in den Stadtrat eingezogen. Die Autorin zeigte mehrmals belegte Verbindungen von Oliver Wittke zu hochkarätigen Erdogan-Vertrauten bis nach Ankara auf. Wittke befand sich nachweislich im direkten Umfeld von wichtigen AKP-Lobbyisten. Oliver Wittke war in der Kanzlerkandidatenfrage ein bekennender Unterstützer von Armin Laschet.

Es existiert auch ein Foto, das den Grauen Wolf Sevket Avci und Armin Laschet lächelnd zusammen zeigt. Mit auf dem Foto ist auch Gürsel Dogan (CDU) – einer der bekanntesten AKP-Lobbyisten und Grauen Wölfe Deutschlands seit über sieben Jahren, was die nordrhein-westfälische CDU offenbar nie gestört hat. Dogan wurde von der CDU-Duisburg für die Kommunalwahl 2020 auf die Reserveliste gesetzt. Da die CDU jedoch nur 22 Sitze erreichte, hat er mit Platz 26 dieses Mal den Einzug in den Stadtrat verfehlt, zuvor war er jahrelang Ratsherr! Sein Freund Avci bekam Platz 11, wodurch die CDU ihm als Grauer Wolf den Einzug sicherte. Dogan ist derzeit stellvertretender Vorsitzender im Ortsverband Hochfeld, Avci ist Beisitzer. Die CDU-Landesspitze in NRW unternimmt hinsichtlich dieser Unterwanderung und Erdogans wachsenden Einfluss in der CDU nichts. TE stellte vor diesem Hintergrund im November letzten Jahres die Frage: „Gehen die Verbindungen bis in den NRW-Landtag, ja bis zu Ministerpräsident Laschet?

Laschet und Erdogan – wer unterstützt womöglich wen? 

Es ist außergewöhnlich, wenn der türkische Präsident Erdogan einem deutschen Politiker zu einem Wahlsieg gratuliert – dafür muss es bei Erdogan stets einen Grund geben. Um so kurioser ist es, dass Erdogan Laschet gratulierte, als er zum CDU-Vorsitzenden wurde. Auch einige wichtige türkische Abgeordnete, Vertraute von Erdogan, gratulierten Laschet. Vor einem Monat gab es ein Lobby-Gipfeltreffen in Ankara, mit dabei waren auch die Vertreter von DITIB, Milli-Görüs, der UID (größte AKP-Lobbyorganisation), der ATIB und ADÜTÜF (Verbände, die den Grauen Wölfen zugerechnet werden). Das YTB (Amt für Auslandstürken) schrieb auf Twitter: „Wir haben die Aktivitäten [Anmerkung der Redaktion: gemeint ist Lobbyarbeit], die sie mit wertvollen Vertretern durchführen, und die Unterstützung, die unser Ministerium leisten kann, bewertet.“ Man könnte also den Schluss ziehen, dass die türkische Regierung mit ihren Ministerien noch stärker die Lobbyorganisationen in Europa unterstützen will. Wenige Tage danach reiste der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu nach Deutschland, wo er feste Termine in Berlin mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte. 

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Aber Çavuşoğlu traf sich auch offiziell mit Armin Laschet. „Wir danken Ihnen für ihren Beitrag zur Freundschaft zwischen unseren Ländern. Unser starker Dialog wird in der kommenden Zeit fortgesetzt“, twitterte Çavuşoğlu, der Armin Laschet zum CDU-Vorsitz und zur Kanzlerkandidatur gratulierte. Es existiert ein Foto von diesem Treffen, wo einige Personen an einem Tisch sitzen. Ist es Zufall, dass neben Armin Laschet wieder Oliver Wittke sitzt? In einer Pressemitteilung heißt es: „Ministerpräsident Armin Laschet hat am Donnerstag, 6. Mai 2021, den Außenminister der Türkei, Mevlüt Çavuşoğlu, in Berlin zu einem Gespräch empfangen. Das Treffen fand in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen statt“; im Gespräch sei es um die Pandemie, die Situation der syrischen Flüchtlinge in der Türkei und die Lage im Mittelmeerraum gegangen. Dass Oliver Wittke an dem Treffen teilnahm, wird in der Pressemitteilung nicht erwähnt, zu dieser Zeit war er auch kein Bundestagsabgeordneter mehr, das Mandat legte er am 30. April nieder, um Hauptgeschäftsführer beim Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) zu werden.
Türkischer Außenminister: „Er ist unser sehr alter Freund“

Während in den deutschen Medien über diesen unbedeutend erscheinenden Besuch des türkischen Außenministers wenig zu finden ist, sind die türkischen Medien gut gefüllt. Gegenüber jenen äußerte Çavuşoğlu über Laschet folgendes: „Er ist unser sehr alter Freund. Ein Freund von uns, der als Freund der Türkei bekannt ist und von den hier lebenden Türken, von allen in der Türkei und von der Türkei geliebt wird.“ Die offiziellen Treffen des türkischen Außenministers in Deutschland stehen vor allem im Kontext der neuen Strategie Erdogans, die Beziehungen zu europäischen Staaten, darunter besonders Deutschland wieder aufzunehmen und zu vertiefen. Erdogan hatte sich unter anderem durch die Invasion in Nordost-Syrien, die Einmischung im Bergkarabach-Konflikt und seine Provokationen im Zypern-Konflikt außenpolitisch isoliert.  

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Laschets fragwürdige Politik mit dem Erdogan-Lobbyismus führt unmittelbar zur Frage: Hat dies auch etwas mit der Entscheidung zu tun, dass das Land NRW wieder mit der DITIB kooperiert? Die Antwort bleibt offen. Fakt ist: NRW hat 900.000 türkeistämmige Bürger. Laschet hat einen Ruf als Partner der Türkei und Unterstützer der hier in Deutschland lebenden Türken. Auch das Land NRW hat mit der Türkei einen festen Partner, so belief sich im Jahr 2020 das Handelsvolumen auf rund acht Milliarden Euro und im Jahr 2019 stand die Türkei mit 73 Investitionsprojekten auf Platz 1 der Hauptinvestorenländer.

Um so deutlicher zeigen diese Zusammenhänge, dass Cem Özdemir hier recht hat: Die Entscheidung zur Zusammenarbeit des Landes mit der DITIB muss rückgängig gemacht werden. Es darf kein „weiter so“ bezüglich des Einflusses Erdogans mehr geben.

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