Tichys Einblick
Ausufernde Verwaltung

Die zehn Jobs in der Politik, auf die der Wähler leicht verzichten könnte

Deutschland 2022. Alle müssen sparen. Alle? Nein, die politische Verwaltung wächst und wächst und wächst. Wobei sie ein paar schöne Jobs zu bieten hat. Hier die verzichtbarsten.

IMAGO/E. Contini

Was wird eigentlich aus Sawsan Chebli? Jetzt, da sie nicht mal mehr die Berliner SPD in den Bundestag schicken will. Als Staatssekretärin im Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) wurde sie diese Woche gehandelt. Auf mittlere Sicht sogar als deren Nachfolgerin. Doch das dementierte Chebli zuerst, um sich dann wieder in die Opferrolle einzufinden, vielleicht haben nach dem Dementi einfach nicht genug „Mach et, Sawsan“ gebrüllt. Nun ist Opfer noch kein Beruf. Aber in der woke dominierten Politik eine wichtige Voraussetzung, um sich in einen schönen, wenn auch verzichtbaren Job einzufinden, wie zum Beispiel auf Platz:

10.) Bundespräsident. Die schlechte Nachricht: Kommt die Delegitimierung des Staates als Straftatbestand, dann sitzen viele, die das hier lesen, bald im rot-grün-gelben Gulag. Die gute Nachricht: Dort treffen wir bestimmt auch auf Rainald Grebe. Was er über den Wert des Präsidentenamtes gesagt hat, lässt sich hier nicht toppen: „Jetzt kommt ein Grußwort für Hartz-IV-Empfänger / Ihr Schicksal trifft mich auch persönlich / Sie halten sich für überflüssig / Es geht mir da ganz ähnlich.“ Man sollte sich das Video anschauen, bevor Faeser es verbietet. Aber jetzt genug, denn: „Ich muss da noch diese Fääääähre taufen.“

9.) DGB-Bundesvorsitzender. Der Gewerkschaftsbund DGB ist das Schutzschild der deutschen Arbeiterschaft. Kein Wunder, dass kaum eine andere Arbeiterschaft auf der Welt so hohe Steuern, Abgaben, Mieten und Strompreise zahlen muss. Gewerkschaften wie die IG Metall überlegen daher, ob sie weiter einen Teil der Beiträge an ihren politischen Lobbyvertreter DGB abtreten sollen. Zumal der sich für die staatlich bestimmte Höhe des Mindestlohns einsetzt – und somit das Geschäftsmodell der Mitglieds-Gewerkschaften in Frage stellt: die Tarifautonomie.

8.) Beraterunternehmen. Kommen McKinsey und Co in ein gesundes Unternehmen, läuft das nach einem Dreisatz ab: 1. Kosten senken, Leute entlassen. 2. Prämien für die Einsparungen einstreichen. 3. Weit weg sein, wenn das Unternehmen durch die Kürzungen seine Substanz verloren hat. Unter Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Bundeswehr mehr Berater als funktionierende Waffen. Im Krieg müssten wir daher statt Soldaten sie in fremde Länder einmarschieren lassen. Was solche Berater aber anrichten können, ist so grausam, dass diese Strategie vermutlich nicht mit der Genfer Konvention vereinbar ist.

7.) Weinbau-Staatssekretär in Rheinland-Pfalz. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium ist eine Talentschmiede für den bundespolitischen Politbetrieb. Anne Spiegel kam daher ebenso wie die Erkenntnis, dass vor allem die Sprachregelung zählt. Noch vor Spiegels Geburt begann dort die Karriere eines Staatssekretärs, der in Bonn buchstäblich zur Legende wurde: Jakob Maria Muscheid, sorry, Mierscheid. Leider scheint er nicht mit nach Berlin gezogen zu sein. Mit ihm blieb der Humor am Rhein zurück. Mierscheid und der Posten des Weinbau-Staatssekretärs. Einen gibt es wirklich. Mittlerweile ist er im Wirtschaftsministerium angesiedelt.

6.) Parlamentspoet. Der 20. Bundestag wollte nach seiner Konstituierung ein Zeichen setzen: Das Parlament brauche einen hauseigenen Poeten. Der Vorschlag kam unter anderem von der grünen Freiheitslegende Katrin Göring-Eckardt. Tolle Idee. Deswegen folgt hier ein Bewerbungs-Gedicht für den Posten: „Grau dröhnt der Dämon der Satire / Weiche hinfort, du Satan, du Nichtgrüner / Klar soll das Lied sein und wahr, also grün / drum stimme die Lyra fortan im Tone A15 / Und singe was Freiheit zu sein habe / nämlich zu sagen, was Katreinnen gefällt.“ So, das sollte klappen mit der Stelle.

5.) Fahrradbeauftragter. Diese Stelle ist die Mutter aller Versorgungsposten. Der ehemalige FDP-Chef Guido Westerwelle machte sie berühmt. Er lästerte in einer Rede, dass viele aus dem grünen Milieu nicht für den Arbeitsmarkt taugten. Sie könnten dann nur Fahrradbeauftragte in Kiel werden. Das Problem: Die Stelle gab es wirklich und ihr Inhaber meldete sich zu Wort. Mittlerweile sind die Fahrradbeauftragten weniger geworden. Kommunen wie Mainz richten stattdessen ganze Abteilungen ein. Was Sinn macht. Denn Grüne, die nicht für den Arbeitsmarkt taugen, gibt es schließlich mehr als genug.

4.) Hessischer Raumfahrtkoordinator. Gelnhausen, wir haben ein Problem. Der Vogelsberg ist vielleicht so öde und zivilisationsfern wie der texanische Süden oder die kasachische Steppe. Aber weniger für seine Raumfahrt berühmt. Noch nicht. Denn die Russen und die Amerikaner haben die Raumschiffe, aber wir, wir haben die Raumfahrtkoordinatoren. Sogar auf Länderebene. In Hessen. Der will nach eigener Auskunft „die Gestaltung einer kohärenten Raumfahrtstrategie für das Land zu einer verstärkten Vernetzung der Akteure“ voranbringen. Das stimmt. Das hat er gesagt. Tatsächlich. Leider.

3.) Berliner Staatssekretär für Bürgerschaftliches Engagement. Da der Staat nicht alles regeln kann und soll, braucht es Bürgerschaftliches Engagement. Um das zu organisieren, schafft der Staat jetzt Stellen und bringt Nicht-Regierungs-Organisationen mit Geld von der Regierung in staatliche Abhängigkeit. Das klingt vielleicht nicht nach Logik. Muss es aber auch gar nicht. Es kommt von den Grünen. Und aus dem Teil der SPD, der gerne wie die Grünen wäre. Eine wichtige Aufgabe, mit der man berühmt werden kann. So wie Sawsan Chebli als Staatssekretärin für Bürgergeschaftliches Engagement. Die nicht-staatlichen Gruppen wachsen unterdessen zu einem der größten Ausgaben-Posten des Staates.

2.) Beauftragter für Entbürokratisierung. Die Aufgabe, die Verwaltung zu entrümpeln, ist wichtig. Deswegen gab es viele Beauftragte dafür, der Bundesrechnungshof hat heute noch etwas Ähnliches. Doch der brillianteste Beauftragte arbeitete für die Europäische Union: Edmund Stoiber (CSU). Nachdem er als bayerischer Ministerpräsident abgewählt war, ging er nach Brüssel, um die Bürokratie abzubauen. Ein Kamerateam begleitete ihn an seinem ersten Tag. Stoiber wollte im Fernsehen aktiv wirken und beauftragte seine Sekretärin, ihn zu Kommissar Günter Verheugen durchstellen zu lassen. Sie tat es und antwortete: Dessen Büro lasse ausrichten, Stoiber solle sich einen Termin geben lassen. Viel geworden ist aus alledem nicht. Sollte in Brüssel die Bürokratie wirklich abgebaut werden, wäre das auch eher eine Aufgabe für Herakles als für einen Ex-Politiker.

1.) Popbeauftragter. Sigmar Gabriel gehört zu den politischen Figuren, von denen das deutsche Kabarett lebt. In seiner Einfallslosigkeit. Beim ehemaligen SPD-Chef genügt es, sich auf die Kleinkunstbühne zu stellen und den Namen Sigmar Gabriel zu sagen. Schon hat man die Lacher der Möchtegerns im Publikum auf seiner Seite. Dabei hat Gabriel Großes geleistet. Sicher. Jetzt nicht als niedersächsischer Ministerpräsident, geschweige denn als Außenminister. Aber als „Popbeauftragter“ unter Gerd Schröder (SPD, immer noch) war er ganz groß. Ja, war er! Komme jetzt keiner mit überflüssigem Versorgungsamt. 2003 wurde Gabriel Popbeauftragter und behielt das Amt bis 2005. Die deutsche Musikszene lag am Boden. Davor. Und dann. 2004: Wir sind Helden, wham. Juli, Silbermond, de Randfichten, bamm. Und dann Tokio Hotel. Ja: Zack und Bawusch! Glaubt wirklich jemand, diese Künstler hätten eine Chance gehabt, ohne dass ihnen Gabriel den Weg gebahnt hätte? Derzeit verschwendet Gabriel seine Zeit als politische Stimme aus dem Off. Stattdessen könnte er „Deutschland sucht den Superstar“ übernehmen und mal zeigen, wie man echte Hits landet. Über die Connection RTL, Bertelsmann und SPD sollte sich das machen lassen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen