Skelett, Muskeln, Gliedmaßen, Organe – das sind die Bestandteile unseres Körpers, die wir sehen, mit denen wir uns bewegen und ohne die wir keine Nahrung aufnehmen könnten. Doch das sind noch längst nicht alle wichtigen Teile unseres Körpers. Mindestens ebenso wichtig sind diese viel kleineren Partikel, die wir nicht sehen können. Die sind so klein, dass man sie mit dem normalen Lichtmikroskop nicht mehr unterscheiden kann; das geht erst mit dem erheblich stärker vergrößernden Elektronenmikroskop.
Denen wird im Augenblick gern der Krieg erklärt wie den Coronaviren. Es tobt tatsächlich auch im Mikrokosmos unseres Körpers ständig ein Kampf zwischen Viren, den viel größeren Bakterien und unserem Abwehrsystem. Die Eindringlinge bedrohen einerseits, doch sie sorgen auf der anderen Seite auch dafür, dass sich Leben weiter entwickeln kann. Die Virologin Karin Mölling sorgt für eine erweiterte Sichtweise: »In diesem Ökosystem herrscht kein permanenter Krieg, kein Wettrüsten, sondern eine Balance, eine Koevolution, die zu Anpassungen geführt hat.« Viren sind auch, wie Mölling immer wieder betont, der Motor des Lebens. Eine Virusinfektion sei für das Erbgut ein großer Innovationsschub und treibe Veränderungen voran.
Sind Viren eingedrungen, treten zunächst sogenannte Antikörper auf den Plan. Das sind Proteine, relativ große Moleküle, die sich an die Eindringlinge anheften und sie so neutralisieren. Allerdings sinkt die Zahl dieser Antikörper zumal nach einer leichten Erkrankung bald ab. Dann kommt die Stunde der T-Zellen. Jene unscheinbaren Zellen bilden mit 70 Prozent die Mehrheit unter den ungefähr einer Billion Lymphozyten, die in unserem Organismus ständig Krankheitserreger aufspüren wollen.
Covid-Erreger SARS-Cov-2 beispielsweise sehen in einer Aufnahme mit einem Rasterelektronenmikroskop wie kleine kugelförmige Zellen aus, auf deren Oberfläche winzige Fähnchen montiert sind. Das sind jene Rezeptoren, mit denen jede T-Zelle einen eingedrungenen Erreger genau erkennen und identifizieren kann. Neben den Antikörpern sind sie die wichtigste Säule des Immunsystems und geraten auch jetzt während der Corona-Pandemie vermehrt ins Blickfeld.
Geburtsstätte dieser Zellen ist das Knochenmark. Im Blutstrom reisen sie in den Thymus und das lymphatische System. Im Thymus, in jenem kleinen Organ zwischen den Lungen oberhalb des Herzens, werden die T-Zellen ausgebildet und prägen das Immunsystem. Entscheidende Schritte bei der Ausprägung des Immunsystems geschehen übrigens in jungen Jahren, deswegen sind jene Kinder im Vorteil, die früh in »Schlamm und Dreck« spielen durften.
Sehr ausgefeilt also geht das Immunsystem vor; kein Wunder, hängt doch von ihm das Leben ab. Es ist die stärkste Waffe, die unserem Organismus zur Verfügung steht. Sie ist entscheidend für das Überleben bei allen Organismen, von Pflanzen angefangen über Tiere bis hin zum Menschen. Das Immunsystem ist lediglich unterschiedlich ausgeprägt, so verfügen Pflanzen über keine T-Zellen oder Antikörper.
Während Sie diesen Text lesen, prasseln ununterbrochen alle möglichen Erreger auf Sie ein. Je nach Aufenthaltsort mal mehr, wenn Sie dicht gedrängt in einer U-Bahn oder Bus stehen, oder weniger bei einem Spaziergang durch einen Wald. T-Zellen sind wesentlich dafür verantwortlich, eingedrungene Bakterien oder Viren zu entdecken und zu bekämpfen. Dabei stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, dass nicht infiziertes, also gesundes Gewebe nicht angegriffen werden darf.
Noch immer ist das komplizierte Wechselspiel nicht vollständig verstanden, Wissenschaftler entdecken immer neue Winkelzüge und Tricks. Kein Wunder, das System ist unvorstellbar alt. Die ersten Anfänge eines Immunsystems liegen bereits 500 bis 600 Millionen Jahre zurück. Verblüffend ebenfalls, dass der Thymus als zentrales Organ des Immunsystems bereits vor 500 Millionen Jahren entstand. In ihrer vollen Ausdifferenzierung allerdings entstanden T-Zellen erst später in Wirbeltieren.
Und fast genauso wichtig: Das Wunderwerk kann sich heute auch Feinde merken. Es kann ein sogenanntes immunologisches Gedächtnis heranbilden und so besser auf eine neue Invasion bekannter Erreger vorbereitet sein und effektiver reagieren. Bei einem erneuten Kontakt mit einem Virus werden sogenannte »Gedächtnis-T-Zellen« aktiviert, um Abwehrprozesse des Immunsystems anzustoßen. Das hofft man auch bei der jetzigen Coronavirus-Welle.
Eine erste Abwehrfront liefert eine unspezifische Immunabwehr, die auf alle eingedrungenen Erreger reagiert. Das geht sehr schnell, innerhalb von ein paar Minuten. Deutlich langsamer reagiert das adaptive Immunsystem mit unseren T-Zellen an der Spitze, das sehr gezielt auf feindliche Erreger losgehen kann. Es benötigt allerdings dafür etwas mehr Zeit als das angeborene unspezifische Immunsystem. Zeit, in der Viren sich wiederum gegen die Armee des Immunsystems wehren und sich rasch vermehren können.
Tarnen und Täuschen sind häufig genug Spezialitäten der Viren – auch des Coronavirus. Das hat eine Reihe von bemerkenswerten biochemischen Tricks auf Lager, um gegen anstürmende T-Zellen und Antikörper vorzugehen. Jene berühmten Stacheln auf der Oberfläche, die Spikes, halten die T-Zellen des Körpers gewissermaßen wie ein Schutzschild vom Leibe. Sie bestehen nämlich aus Ketten von Zuckermolekülen, die auch im menschlichen Organismus weitverbreitet sind. Die werden dann nicht von T-Zellen und Antikörpern angegriffen.
Auch nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 verbleiben spezifische T-Zellen und Antikörper im Organismus und haben die Merkmale dieses Erregers gespeichert. Doch noch ist unklar, ob das Immunsystem weitere Infektionen verhindern kann, vor allem wenn sich Antikörper als zu schwach erweisen. Deren Zahl nimmt später nach einer Infektion häufig ab, doch T-Gedächtniszellen fanden Forscher bei fast allen auch leicht Erkrankten. Sie helfen vermutlich bei nachfolgenden Infektionen.
Nun weiß man: Auch das Immunsystem muss trainiert werden. Es wird durch das zentrale Nervensystem angeregt. Dabei spielt das Cortisol, das viele Stoffwechselreaktionen beeinflusst, eine sehr wichtige Rolle. Ein kurzzeitiger Stress kann positiv auf das Immunsystem wirken. Chronischer Stress allerdings hemmt es. Äußerst kritisch wird es, gerät das Immunsystem unter dauerhaften Stress. So ist bekannt, dass der Aufenthalt im Freien, der Spaziergang im Sonnenlicht oder die Wanderung durch den Wald das Beste sind, was man seinem Immunsystem antun kann. Vitamin D scheint eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems zu spielen. Vor allem in der ersten Phase der Aktivierung der T-Zellen ist das Vitamin entscheidend. Wenn die T-Zelle nicht ausreichend Vitamin D im Blut findet, wird sie auch nicht mobilisiert.
Wichtigste Quelle für Vitamin D: das Sonnenlicht. Lockdowns und Einsperrungen bewirken genau das Gegenteil. Zudem ist gut belegt, dass lang anhaltender Stress schwere Schäden im Immunsystem verursachen kann. Eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, gezielt und systematisch Panik zu erzeugen, sorgt zielsicher dafür, dass das Immunsystem genau in jenen Bereichen behindert und geschwächt wird, in denen es darauf ankommt, es zu stärken. Auch so kann man auf biochemische Weise die Resilienz einer Gesellschaft zerstören. Mit einer lang anhaltenden, künstlich geschürten Panik haben Immunsystem und T-Zellen in ihrer Jahrmillionen alten Geschichte nämlich nicht gelernt umzugehen.