Der Disput über die „bösen“ 68-er, die heute sämtliche Schuld an Stiefmuttis aktuellen grünsozialistischen Einheitsbrei tragen sollen, ist absolut lächerlich. Es ist dem Autor ein ganz persönliches Anliegen, endlich einmal eine Lanze für diese 68-er Generation zu brechen, auf der im liberal-konservativen Lager ständig herumgehackt wird. Denn als später linksliberaler 68-er fühlt er sich dadurch zunehmend auch selber in die linksgrüne Ecke gestellt.
Was man auf die 68-er projiziert, trifft eigentlich auf ganz andere zu, nämlich auf die Erben dieser 68-er Generation, die unsere parlamentarische Demokratie offenbar für gottgegeben halten und unsere Sozialsysteme für einen unerschöpflichen Quell von natürlich sprudelnden Zuwendungen. Einem normal denkenden Menschen muss es jedenfalls ein Mysterium bleiben, warum ausgerechnet diese Erbengeneration, die mit Atomausstieg, Glyphosatverbot und veganer Ernährung das Vorsorgeprinzip zum Goldenen Kalb unserer Zeit erhoben hat, jetzt ihre eigenen Kinder und Kindeskinder zu künftigen Zahlsklaven einer unreglementierten Einwanderungsgesellschaft verurteilt.
Das aber ist mit Sicherheit nicht die Mehrheitsposition der 68-er Generation, denn diese 68-er sind keine Wirtschaftswunderkinder, sondern die Kinder des Wiederaufbaus. Am Anfang bestand dieses sogenannte „Wirtschaftswunder“ einfach nur aus wirtschaftlichem Mangel, Vollbeschäftigung mit harter Arbeit für die Elterngeneration und einem günstigen Wechselkurs für unsere D-Mark auf dem internationalen Warenmarkt. Der Wiederaufbau von Infrastruktur und Industrie nach dem 2. Weltkrieg dauerte dann bis in die 1960-er Jahre hinein, und erst sehr spät entwickelte sich parallel dazu schließlich auch eine Mittelschicht, die man dann tatsächlich als „Wohlstandsgesellschaft“ bezeichnen kann.
Die Kinder und Enkel der 68-er sind dann direkt in diese Wohlstandsgesellschaft hineingeboren worden. Sie haben nicht gesehen, wie ihre Groß- und Urgroßmütter als Trümmerfrauen am Wiederaufbau unserer Städte mitgeschuftet haben, die damals so oder noch schlimmer ausgesehen haben wie heute beispielsweise Aleppo. Sie haben die ganze langsame wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes nach dem Kriege nicht miterlebt, wo vereinzelt noch bis Anfang der 1960-ger Jahre Flüchtlinge (Heimatvertriebene) aus den ehemals deutschen Ostgebieten in ausgedienten Wellblechbaracken, sogenannten Nissenhütten, hausen mussten. Und sie waren auch nicht dabei, als ihre Eltern, die 68-er, mit Engagement und Zivilcourage eine bis dahin theoretisch gelebte Demokratie im Ringen mit ihrer autoritären und im Nationalsozialismus sozialisierten Elterngeneration mit Leben erfüllt hatten.
Die vollalimentierten Erben der 68-er Generation
Diese 68-er Erben leben heute mit einem permanent schlechten Gewissen gegenüber einer deutschen Geschichte, mit der sie sich im Grunde niemals auseinandergesetzt haben und die sie zwangsläufig auf ein Nazideutschland reduzieren. Denn sie können überhaupt nicht verstehen, dass es ihnen heute wirtschaftlich so gut geht, ohne jemals selbst etwas dazu beigetragen zu haben. Also halten sie den Sozialstaat ihrer Eltern, Groß- und Urgroßeltern für selbstverständlich und für ein allgemein gültiges Menschenrecht, das sie mit Freuden allen Mühseligen und Beladenen dieser Welt zur freien Verfügung anbieten. Diesem Typus „glücksbesoffener Erbe in Feierlaune“ hatte übrigens der Dichter Ludwig Uhland in seiner Ballade „Das Glück von Edenhall“ ein mahnendes Denkmal gesetzt.
Die bösen 68-er sind also gar nicht der gesellschaftliche Feind der Konservativen, und außerdem sind diese 68-er alle schon in Rente, denn es handelt sich hier ja um jene Generation, die kurz vor, im und knapp nach dem 2. Weltkrieg geboren ist.
Mit den immer wieder kritisierten 68-ern kann man daher bestenfalls die radikalisierten SDS-Restbestände aus der Endzeit der 68-er meinen, die als K-Gruppen schließlich, staatlich voll alimentiert, im linksgrünen Einheitsbrei aufgegangen sind. Solche 68-er gab es übrigens nur im Westen. Im Osten sind die heutigen linkssozialistischen Populisten eher alte kommunistischen SED-Kader oder klerikal zurückgebliebene Träumer, die sich nach dem 1:1 Umtausch ihrer DDR-Sparguthaben nur mal schnell demokratisch gehäutet und mit einem Marsch in die Institutionen unsere etablierte Parteien unterwandert haben. Und als gelernte Ostkader haben sie selbstverständlich genügend Erfahrung darin, wie man die werktätige Bevölkerung systemkonform indoktrinieren und ruhigstellen kann.
Die überwiegende Mehrheit der westdeutschen 68-er Generation, inklusive der damaligen kritischen Studentenschaft, hatte sich im späteren Berufsleben jedenfalls voll in die soziale Marktwirtschaft eingebracht und ihren aktiven Beitrag für unseren Sozialstaat geleistet. Diese Generation, die den Wiederaufbau nach dem Kriege noch persönlich miterlebt hatte, kann die Errungenschaften unseres Sozialstaates deshalb auch aus eigenem Erleben würdigen und weiß, welche Anstrengungen sie selbst und die vorherige Generation dafür haben erbringen mussten.
Diese Mehrheit dieser 68-er Generation hatte damals auch überhaupt nichts mit dem Kommunismus am Hut und hat sich in der alten Bundesrepublik folgerichtig politisch knapp rechts oder links der ehemals politischen Mitte positioniert, was man an den damaligen Wahlergebnissen auch sehr deutlich ablesen kann. Bei der Bundestagswahl 1976 kamen beispielsweise CDU, SPD und FDP zusammen auf 99,1 Prozent der Stimmen, die „Sonstigen“ erhielten alle zusammen lediglich 0,9 Prozent; und dieser Stimmenanteil „Sonstiger“, inklusive der K- und N-Gruppen, hatte sich gegenüber 1972 überhaupt nicht verändert (Quelle: Wikipedia).
Man sollte also niemals vergessen, dass sich die Mehrheit der sogenannten 68-er Generation den bürgerlichen Freiheiten des Grundgesetzes verpflichtet fühlt, für deren gesellschaftliche Umsetzung sie einst mit ihren Protesten persönlich eingetreten waren. Selbst ein Rudi Dutschke bekannte sich damals übrigens eindeutig zur Wiedervereinigung Deutschlands [Wikipedia, dort 104 bis 108], was der linksgrüne Zeitgeist heute sicherlich mit einem enormen Shitstorm als typisch deutschnational verleumden würde.
Merkel schuf die parteipolitische Lücke
Für die Mehrheit der Alt-68-er geht der politische Wille jedenfalls einzig und allein vom Volk aus. Und eine staatstragende, aus der Steuerlast der Bürgerinnen und Bürgern alimentierte moralisierende Elite, die von oben herab eine gefühlsduselige Einheitsideologie vorgibt, widerspricht genau diesen basisdemokratischen Werten. Wenn man sich das neue gesellschaftliche Feindbild der linksgrünen Traumtänzer, die angeblich „frustrierten alten weißen Männer“, einmal genauer anschaut, dann sind doch damit auch genau die Alt-68-er gemeint, die sich eben nicht durch autoritäre Vorgaben einer selbsternannten Meinungselite den Mund verbieten lassen. Menschen werden im Alter üblicherweise nicht flexibler, können dabei aber durchaus an Lebenserfahrung gewinnen. Daraus kann man dann sicher ableiten, dass sich die Mehrheit der 68-er Generation politisch gar nicht bewegt hat. Allerdings klafft nach dem Linksruck der Murxseldemokratur inzwischen genau dort eine parteipolitische Lücke, wo früher zwischen SPD und CDU die politische Heimat dieser 68-er Generation gelegen hatte.
Die viel gescholtene und dämonisierte AfD hat jetzt also genau diese Lücke besetzt und bietet sich damit zum Entsetzen der linksgrün-gewendeten Einheitsparteien als neue bürgerliche Mitte an. Vielleicht sollte man ja einmal untersuchen, wie groß die Schnittmenge zwischen potentiellen AfD-Wählern und einer immer noch „schweigenden Mehrheit“ in unserem Lande wirklich ist …
Der Mensch zeigt vermehrt Aktivität, um einem gefühlten Mangel abzuhelfen oder um eine Belohnung zu erhalten. Ein opportunistisches politisches System, das im Zeitalter des Internets allein auf das digitale Feedback aus der Gesellschaft aufbaut, wird also eher mit vollalimentierten Aktivisten aus unzufriedenen oder vermeintlich benachteiligten Randgruppen jeglicher Couleur kommunizieren, als mit solchen Bürgerinnen und Bürgern, die unter dem ständigen Zeitdruck von Erwerbstätigkeit und Familienleben zum Bruttosozialprodukt unseres Landes beitragen. Und wenn sich in der Bewertung einer solchen Kommunikation dann die gesellschaftlichen Maßstäbe dergestalt verschieben, dass dabei die Interessen ebendieser schweigenden und wertschöpfenden Mehrheit völlig abgehängt werden, dann kommt es zwangsläufig zu einer innenpolitischen Situation, wie wir sie in unserem Lande gegenwärtig zu beklagen haben.
Denn da, wo die 68-er in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung einstmals immerhin aus dem Fundus der tatsächlichen Fakten geschöpft und dabei versucht hatten, die eigene Position durch gezieltes Fokussieren und Weglassen möglichst vorteilhaft darzustellen, wird uns heute hochoffiziell und ganz platt vorgegeben, was wir als Staatsbürger gefälligst zu glauben und zu denken haben. Und üblicherweise baut die jeweilige Argumentation dabei faktenleer auf vordergründigen Scheinargumenten auf, mit denen lediglich die entsprechenden gesellschaftlichen Gegenpositionen skandalisiert und moralisch diskreditiert werden sollen.
Anstatt also die Signale aus einer allzu langsam erwachenden gesellschaftlichen Mitte aufzunehmen und politisch umzusteuern, haben sich die politisch Verantwortlichen hysterisch mit einem absolutistischen Unfehlbarkeitsdogma umgeben und sich auf ein vermeintliches Alternativlos-Szenario zurückgezogen. Bei manchen politisch Verantwortlichen ist heute sogar ein Rückfall in den gesellschaftlich verfemt geglaubten Maasnahmenkatalog (Vorsicht Satire!) eines totalitär-repressiven Machterhalts zu beobachten, der zunehmend die verfassungsmäßigen Grundlagen unserer Bundesrepublik Deutschland aushöhlt und die Glaubwürdigkeit der rechtsstaatlichen Institutionen, auch und insbesondere unserer Medien, bereits schwer beschädigt hat.
Unser Land ist inzwischen offenbar zu einem Selbstbedienungsladen für vollalimentierte Politiker und vorgeblich benachteiligte Randgruppen verkommen, während die etablierten Medien ihre Kontrollfunktion als „Wachhunde unserer Demokratie“ längst an den Nagel gehängt haben. Ein nicht zu vernachlässigender Teil der Menschen in unserem Lande scheint aber langsam zu erkennen, dass sich diese sogenannten Qualitätsmedien auf Kosten der schweigenden Mehrheit mit den neusozialistischen Einheitsparteien liiert haben und sich freiwillig auf die Absonderung eines politisch korrekten Einheitsmeinungsbreis beschränken. Damit gewinnen bei dieser noch schweigenden Mehrheit endlich auch solche unabhängige Medien an Glaubwürdigkeit und Gewicht, deren kritische Informationen, Analysen und Warnungen in den etablierten Qualitätsmedien schon seit geraumer Zeit keinerlei Niederschlag mehr finden.
Darüber hinaus irritiert es den Autor in letzter Zeit ganz erheblich, dass in den zeitgeistgesteuerten Empörungsmedien immer häufiger und völlig unreflektiert über den Krieg als mögliche Lösung für politische Konflikte berichtet wird…
Kultur und Moral sind nur eine ganz dünne Lackschicht auf einer steinzeitlichen menschlichen Psyche. Offenbar führt aber die Steigerung von Wohlstand zwangsläufig in eine Dekadenz, in der dann die steinzeitlichen Zwänge zur Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse, nämlich Nahrung und (Wärme-)Energie, durch ein Übermaß an ständig verfügbarer Nahrung und Zerstreuung völlig in den Hintergrund gedrängt werden. Die Grundlage für all die hochemotionalen gesellschaftlichen Illusionen, die momentan politisch und medial verbreitet werden, bleibt aber allein unser Wohlstand, der unmittelbar von der Produktivkraft unseres Landes abhängig ist. Und mit hochmoralischen Weltrettungsphantasien, wie Klimarettung durch eine EEG-Energiewende und offene Grenzen für alle Beladenen dieser Welt, sind wir gerade dabei, diesem Wohlstand nachhaltig abzuhelfen.
Der vollvegane Ansatz, dass einstmals Wolf und Lamm [friedlich] beisammen weiden werden (Jes. 65.25), ist lediglich eine christliche Verheißung, die zwar unsere staatstragenden Endzeitmoralisten in ihrem weltumarmenden Entzücken befeuern mag, die man aber in anderen Kulturkreisen auf dieser Erde durchaus für einen Auszug aus der Speisekarte der Wölfe halten könnte. Die Welt ist nun mal kein Streichelzoo und wird es niemals werden – auch wenn man uns heute mit allen Mitteln des demagogischen Nudgings einen globalmoralischen Paternalismus einzutrichtern versucht. Eine verstörende Erkenntnis der gemäßigten 68-er war damals übrigens, dass artiges Argumentieren nicht viel bringt – erst wenn Steine das Fliegen lernen, hagelt es plötzlich Gesprächsbereitschaft …
Uli Weber ist Geophysiker und Publizist.