„Du bist unser Schutzherr. So verhilf uns zum Sieg über die Ungläubigen.“ Kein Gebetsruf aus dem finstersten Mittelalter, kein Schlachtruf der Kreuzritter, vielmehr der 286. Vers aus der zweiten Sure des Koran, der in arabischen Schriftzeichen den Gebetssaal der Kölner Zentralmoschee ziert. Abdel-Hakim Ourghi hat den Schriftzug entdeckt, fotografiert und die Debatte darüber ins Rollen gebracht. Er ist seit 2011 Leiter des Fachbereichs Islamische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Ourghi tritt für einen säkularen und liberalen Islam ein, der weltliche und religiöse Macht voneinander trennt und sich um eine zeitgemäße und geschlechtergerechte Auslegung des Koran bemüht.
Durch Zufall entdeckte er die Sure
Ende März war er für ein paar Tage in Köln und besuchte die Moschee. Durch Zufall entdeckte er die Sure. Da er bei diesem Besuch sein Handy nicht dabeihatte, nahm er sich im Informationszentrum einige Prospekte mit. Beim Durchschauen stellte er fest, dass dort alle Korankalligrafien ins Deutsche übersetzt waren, nur eben nicht diese. Er ging erneut mit seinem Handy in die Moschee und schickte das Bild des Schriftzugs an Ali Ertan Toprak, den Präsidenten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland. „Ali Toprak hat den Sachverhalt dann öffentlich gemacht. Ich bin ihm für seine Unterstützung dankbar“, betont Ourghi gegenüber der Tagespost.
Eine Auffassung, die auch andere Wissenschaftler, wie die Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher dem Grunde nach teilen. Sie übersetzt den Vers nach einer Anfrage der „Welt“ mit „Verleihe uns den Sieg über das Volk der Ungläubigen“. Andere bevorzugen eine abgeschwächte Version, die den Begriff Sieg weglässt und den Vers, wie das Ditib-Pressereferat mit: „Hilf uns gegen die Leugner“ oder „die Zweifler“ übersetzt. Ourghi begründet seine Übersetzung aus dem historischen Kontext der Sure. Sie sei in den ersten zwei Jahren von Muhammads Aufenthalt in Medina offenbart. „Dort führte der Prophet eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Mekkanern und den Juden. Er vertrieb die Juden, die die von ihm verlangte Konversion abgelehnt hatten. Sie mussten Medina ohne ihr Hab und Gut verlassen“, erklärt der Wissenschaftler.
Koranstelle nicht als Leitmotiv kalligrafieren
In diesem Zusammenhang sei die Bitte um die Verleihung des Sieges über die Ungläubigen, die korrekte Übersetzung. „Mir war sofort klar, dass eine solche Textstelle in einer Moschee, die sich als Vorzeigemoschee für interreligiösen Dialog versteht, nichts zu suchen hat“, betont Ourghi. Eine solche Koranstelle mit dem entsprechenden Kontext aus dem siebten Jahrhundert dürfe nicht als Leitmotiv kalligrafiert werden. Das sieht Ali Ertan Toprak, der für die CDU bei der kommenden Bundestagswahl antritt, ebenso. Wenn die Ditib in ihren multireligiösen Friedensschwüren immer betone, dass das Gotteshaus ein Ort des Miteinanders sei, dann passe dieser Schriftzug nicht. „Warum wird dieser Ort mit einem Bittgebet verziert, das den Sieg über die Ungläubigen erfleht? Das ist eine Kampfansage an das friedliche Miteinander in Deutschland“, erklärt der Toprak gegenüber der „Welt“.
Vielleicht lässt sich ein solches Verhalten der Moscheebetreiber der Ditib, die schließlich der verlängerte Arm der Religionsbehörde des türkischen Präsidenten Erdogan ist, mit den Worten beschreiben, die Otto Jastrow, emeritierter Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg 2018 in einem Beitrag für den Deutschlandfunk wählte. „Die Diskriminierung anderer Religionen zieht sich wie ein roter Faden durch die islamische Geschichte. Da der Islam für seine Gläubigen die einzig wahre und letztgültige Religion ist, können andere Religionen per se nicht gleichberechtigt sein. Deshalb kennt der Islam keine religiöse Toleranz; sie ist ein Wunschbild des Westens.“
Der Umgang mit der Ditib durch Ministerpräsident Armin Laschet und seine Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, wo er die Organisation wieder über Inhalte und Personal beim islamischen Religionsunterricht mitbestimmen lässt, ist für Ourghi durchaus ein Problem. „Diese konservativ-politischen Dachverbände sind ein Hindernis für die Integration der hiesigen Musliminnen und Muslime“, erklärt der Islamwissenschaftler. Laschet müsse klar sein, dass Wahlen in der Zukunft in Deutschland nicht durch das Zufriedenstellen politisch orientierter Islamverbände gewonnen werden könnten. „Es wäre fatal, wenn die Ditib über die Zukunft des Islam in Deutschland entscheiden würde.“ Für Ourgri wäre es eine „kollektive Aufgabe der hiesigen Musliminnen und Muslime, in der Öffentlichkeit laut zu werden und klarzustellen, dass diese Dachverbände, die einen politisch-konservativen Islam vertreten, nicht unsere Vertreter sind“. Der Islam sei eine private Angelegenheit.
Dieser Beitrag von Heinrich Wullhorst erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.