Tichys Einblick
Quo Vadis, Fußball-Deutschland?

Die Spitze des deutschen Fußballs ist in Schieflage geraten

Es ist viel Sand ins Getriebe des deutschen Fußballs gekommen. Die Nationalmannschaft kämpft gegen ihr Imageproblem, die Bundesliga gegen den finanziellen Kollaps, der DFB hat Besuch von der Steuerfahndung und DFL-Boss Seifert kündigt seinen Rückzug für 2022 an.

imago images / Poolfoto UCL

Sachlich und ruhig, eigentlich wie immer, hat Christian Seifert in der vergangenen Woche angekündigt, dass er seinen zum 30. Juni 2022 auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern wird. Die Demission sorgte bei den Liga-Bossen für große Enttäuschung: “Einen Mann wie Christian Seifert eins zu eins zu ersetzen, ist ein schwieriges Unterfangen”, meinte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in einer ersten Stellungnahme und wusste da schon, dass er momentan niemanden im deutschen Sportbusiness sehe, der in die großen Fußstapfen des 51-jährigen Badeners treten könne.

Immerhin hat es der scheidende Seifert geschafft, die Medienerlöse von knapp 300 Millionen Euro (2006) auf weit über eine Milliarde Euro (heute) pro Saison zu steigern. Außerdem war es der ehemalige Vorstandsvorsitzende der KarstadtQuelle New Media AG, der mit seiner kommunikativen Art und seiner rhetorischen Eleganz das Flaggschiff Bundesliga durch die Coronakrise lenkte: „In meiner Funktion an der Spitze der DFL konnte ich die Entwicklung einer der größten Sportligen der Welt, einer bedeutenden gesellschaftlichen Institution sowie den Aufbau eines der innovativsten Medienunternehmen Deutschlands aktiv gestalten. Das war Ehre und Freude zugleich,” ließ Seifert verlautbaren und : “In zwei Jahren möchte ich ein neues berufliches Kapitel aufschlagen.“ Dass sich Christian Seifert, mittlerweile einer der anerkanntesten Sportfunktionäre weltweit, schon frühzeitig Gedanken über einen Rückzug machte, bewies bereits sein Ausscheiden aus dem DFB-Präsidialausschuss im September.

Außerdem machte der Sportfunktionär immer wieder deutlich, dass er sich mit einigen Gepflogenheiten des Profifußballs nicht mehr identifizieren könne. Bestes Beispiel ist seine Antwort auf die steten Äußerungen von einigen Kickern, wenn es um ihre Verbundenheit zu ihren Arbeitgebern geht: „Ich konnte Formulierungen von manchen Profispielern wie ‚Ich bin bereit, meinen Vertrag zu erfüllen‘ noch nie leiden. Denn wenn ich einen Vertrag habe, bin ich nicht bereit, sondern ich habe ihn unterschrieben. Dann gehört es sich, dass ich ihn erfülle – egal, was auf dem Weg dahin passiert. Das ist mein ganz klares Verständnis.“

Der bevorstehende Abgang von Seifert trifft den Fußball schwer

Wer nun die Lücke bei der DFL schließen soll, ist unklar. Es stellt sich nach dem überraschenden Aus von Christian Seifert die Frage nach neuen Strukturen innerhalb der DFL. Die von ihm ins Leben gerufene Task Force “Zukunft Fußball” muss neu konstituiert werden. Das neue Ausschreibungsverfahren für den Abschluss des neuen TV-Kontraktes ab 2025 wird er nicht mehr leiten. Was er nun noch vor der Brust hat, ist die Problematik der Verteilung der TV-Gelder (2021 bis 2025) für die 36 Proficlubs unter dem Dach der DFL. Zahlreiche Vereine haben sich nämlich für eine gerechtere Verteilung der TV-Milliarden ausgesprochen und pochen aufgrund der Pandemie und möglicher Insolvenzen auf eine raschen Einigung. Eins ist klar: Christian Seifert wird bis zu seinem letzten Arbeitstag zahlreiche Probleme lösen müssen, um nicht die gleichen Probleme zu bekommen wie der Deutsche Fußball-Bund.

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Der hat nämlich ein akutes Imageproblem. Es geht mal wieder um das liebe Geld und den Verdacht auf Steuerhinterziehung. Anfang Oktober tauchte die Staatsanwaltschaft mit mehr als 200 Beamten in der DFB-Zentrale und in den privaten Wohnsitzen von sechs Funktionären auf. Der Grund: Dem größten Fußballverband der Welt wurde zur Last gelegt, Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heim-Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft aus den Jahren 2014 und 2015 bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt zu haben. Damit sei der Verband einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entgangen. Am 11. Dezember 2011 hatte der DFB mit Infront einen Vertrag abgeschlossen, in dem sich die Schweizer Vermarktungsagentur auf Drängen des DFB verpflichtet haben soll, keine Rechte an der Bandenwerbung bei Heimländerspielen der Nationalmannschaft an Konkurrenten des damaligen Generalsponsors (Mercedes) und Generalausrüsters (adidas) zu vergeben. Die Verantwortlichen sollen so Erlöse aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft in den Jahren 2014 und 2015 „bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt haben“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Steuerfahndung hat Folgen für die DFB-Spitze

Unmittelbar nach der Razzia Anfang Oktober wurde dann bekannt, dass der DFB die Summe komplett nachbezahlt habe. Die letzte Rate sei im Juni diesen Jahres überwiesen worden. Nach einem ausführlichen Bericht in der Süddeutschen Zeitung mit Offenlegungen der Zahlungsanweisungen und Mitteilungen an das Finanzamt Frankfurt am Main war die Sache für den DFB scheinbar erledigt. Wie immer ging man zum Alltag über und fokussierte sich wieder auf die Nationalmannschaft und die Auswirkungen der Pandemie auf die Zukunft der “Mannschaft”. Mittendrin statt nur dabei war und ist Fritz Keller. Der Präsident stellte sich während des Eklats mit Steuerfahndung und wilden Spekulationen vor die Medien und gelobte, alle Ungereimtheiten im Verband aufzuklären. Doch schon längst wurde der sympathische Winzer aus der Nähe von Freiburg intern müde belächelt und es wurde klar, dass der 63-jährige intern gegen Windmühlen kämpft und auch gegen seinen Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius. Letzterer habe nämlich erfahren, dass der DFB bereits 2019 eine Frankfurter Personalberatung beauftragt hatte, einen Nachfolger für Curtius zu suchen. Der gefundene neue Generalsekretär sagte aber plötzlich ab und so blieb Curtius im Amt.

DFB-Pressemitteilung schaden Image des DFB-Präsidenten Keller

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Doch der 44-jährige blieb im Fokus des Präsidenten Fritz Keller, gehörte er doch auch zu den Beschuldigten im aktuellen Steuerstrafverfahren, in dem auch Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge involviert waren. Nun kam es zum Burgfrieden, der in einer fadenscheinigen Pressemitteilung gipfelte: “Das DFB-Präsidium vereinbarte in Frankfurt/Main auf seiner Sitzung, die entstandenen internen Dissonanzen schrittweise aufzuarbeiten. Dabei sollen weiterhin die Interessen des Fußballs im Vordergrund stehen und der bereits eingeschlagene Veränderungsprozess fortgesetzt werden.” Der Verband veröffentlichte Statements der Protagonisten und wähnte sich in der Öffentlichkeit auf dem richtigen Weg. Fritz Keller betonte dann,: “dass dieser Weg nicht einfach sein wird, und es auf dem Weg in die Zukunft auch zu Kontroversen kommen kann, muss uns allen klar sein. Umso wichtiger ist es, diese Unstimmigkeiten mit offenem Visier zu diskutieren und Schritt für Schritt aus dem Weg zu räumen, um unseren gemeinsamen Zielen näherzukommen. Dass wir dazu in der Lage sind, haben wir heute unter Beweis gestellt.“ Sein Widersacher Dr. Friedrich Curtius liess verlauten: “Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam den bereits eingeschlagenen Weg weitergehen – auch wenn es auf diesem immer mal den einen oder anderen Rückschlag geben kann. Aber davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen, denn über allem steht, den neuen DFB zu gestalten und den deutschen Fußball gerade jetzt in der Krise zu stärken. Missverständnisse kommen in jedem Team vor, und es ist an uns, diese schrittweise gemeinsam im Sinne des Fußballs zu lösen.“
Streit zwischen Keller und Curtius ist nur offiziell beibelegt

Doch der Zwist zwischen den beiden Alphatieren wird bald in die nächsten Runde gehen, denn aus Insiderkreisen war zu erfahren, dass Keller es Curtius übel nimmt, den Abgang von DFL-Boss Christian Seifert aus dem DFB-Präsidialausschuss nicht verhindert zu haben. Beide tun auch aber jetzt gut daran, sich um wichtigere Dinge zu kümmern, die derzeit den DFB belasten. Die Nationalmannschaft kämpft gegen sinkende TV-Einschaltquoten, die Pandemie bedroht die Existenzen tausender Amateurclubs und ein Nachfolger für den scheidenden DFL-Boss Christian Seifert wächst auch nicht auf den Bäumen. Wie auch nicht ein möglicher Nachfolger von Fritz Keller, der sich auf Dauer die Machtkämpfe beim DFB nicht mehr antun möchte. Er hat immer noch seinen SC Freiburg, dem er von 2014 bis 2019 als Präsident vorstand und sein Weingut, Restaurants und Hotels in Oberbergen am Kaiserstuhl.

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