Tichys Einblick
Bemüht um die Klientel der Grünen

Die SPD – ein Trauerspiel

Die SPD macht 2019 da weiter, wo sie 2018 aufgehört hat: Sie sinkt in der Wählergunst immer weiter und ist beispielsweise in Bayern jetzt bei 6%. Woran liegt das? Ist es Pech? Nein, die Genossen erarbeiten sich diese Werte selbst.

imago/ZUMA Press

Die SPD ist eine Partei, die laut Medien jahrzehntelang – spätestens seit 1968 – immer recht hatte. Das macht auf die Dauer selbstherrlich und unkritisch gegenüber einem selbst. Sie erreichte bei der Bundestagswahl noch 20,5%. Jetzt wäre sie froh über derartige Umfragewerte, denn sie liegt derzeit bei 15%, oft noch darunter. In den Ländern sieht es auch nicht besser aus: Bei der Bayern-Wahl im Herbst waren es 9,7%, bei der Hessen-Wahl 19,8%. In Bayern ist die SPD jetzt laut Umfrage nur noch bei 6%. Noch vor ein paar Monaten witzelte man, die SPD müsse bald um die 5-Prozent-Hürde bangen. Inzwischen müsste man darauf hinweisen, dass dies ein Scherz war, denn aus Scherz wird Ernst.

Die SPD ist inzwischen, gemessen an den Umfragen – und selbst gemessen am Wahlergebnis im Herbst 2017 – eine im Arrangement der Bundesrepublik erstaunlich überrepräsentierte Partei. Sie stellt nicht nur viel zu viele Minister im Kabinett, sondern auch noch den Bundespräsidenten. Damit hat Frau Merkel kein Problem, da bei ihr CDU draufsteht, aber linksgrün drin ist, und da sie die SPD zum Machterhalt benötigt – noch.

Woran aber liegt es, dass dieser noch vor kurzem unmöglich geglaubte Niedergang der SPD vor unseren Augen stattfindet? Die Ursachen sind sicherlich vielfältig, aber sie sind zweifellos massiv; es lässt sich herausarbeiten, dass tiefgreifende Fehlentwicklungen vorliegen. Und zwar sind dabei besonders fatal die langfristigen geistigen Fehlentwicklungen, welche die Partei durchziehen.

Das Personal

In der Amtszeit von Merkel als CDU-Chefin, hat die SPD ca. 10 Vorsitzende verschlissen. Zu den Bundestagswahlen trat die Partei jedesmal mit einem anderen Kandidaten an, jeder scheiterte und verschwand anschließend wieder in der Versenkung. Es gibt anscheinend keinen Kandidaten, den man auch zweimal aufstellen kann, auf dem man selbstbewusst auch einmal mit Nachdruck beharren kann, im Gepäck den Versuch, dem Wähler zu erklären, warum es sich um die richtige Person handelt.

Den größten Knaller lieferte Martin Schulz. Nach seiner Nominierung im Frühling 2017 sorgten die Medien für einen Moment für den sogenannten Schulz-Effekt: Die SPD lag kurzzeitig in Umfragen vor der Union, und alles schien möglich, auch und gerade eine Ablösung Merkels. Das zeigte, wie sehr das Land eben doch nach einer Alternative lechzt. Aber Schulz taktierte, redete über ein paar Prozent mehr oder weniger, über dies oder jenes, hatte kein Konzept, hörte auf schlechte Berater (wie er später einmal bei Markus Lanz öffentlich bereute), nutzte den Aufbruch nicht, verspielte alles.

Nach der verlorengegangenen Bundestagswahl im Herbst 2017 fuhr er Zickzack bezüglich dessen, ob denn nun die SPD sich an einer Wiederauflage der großen Koalition beteiligen sollte oder nicht, brach Wahlversprechen, wollte dann entgegen einer früheren klaren Absage doch in ein Kabinett Merkel als Außenminister eintreten. Da endete seine Irrfahrt im Crash.

Maaßen-Abserviererin Nahles ist der neue Apparatschik, der es nun richten soll. Übrigens wurde nach der Bundestagswahl 2017 in der SPD zu Unrecht soviel darüber gestritten, ob man eine „GroKo“ bilden solle oder nicht. Denn es ist gar nicht so relevant. Eine Partei kann sowohl in der Regierung als auch in der Opposition eine gute Figur machen – oder eben eine schlechte. Wann seit 2005, d. h. in der Merkel-Ära, in Deutschland die SPD mit in der Regierung war und wann sie aus der Opposition heraus den Merkel-Fehlern zustimmte: Man merkte den Unterschied gar nicht.

Familienministerin Franziska Giffey hat soeben Probleme mit „ihrer“ Dissertation bekommen, da diese, wie das Portal Vroni-Plag berichtet, in großem Ausmaß Plagiate enthalten soll. In Anführungsstrichen „ihrer“, denn das Problem entsteht gewöhnlich dadurch, dass man einen Ghostwriter anheuert, und für den ist es am schnellsten, durch Copy und Paste einen Text zusammenzubasteln.

Die heutige SPD ist leider auch eine Partei der Arroganz und der Neigung zu Pöbelattacken. Sigmar Gabriel bezeichnete Bürger als „Pack“. Johannes Kahrs grölte im Bundestag von „Haß macht häßlich“ in Bezug auf die Opposition. Auch das sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck eines Selbstverständnisses, nach dem der Bürger oder der politische Gegner eine Stufe niedriger steht – oder gleich mehrere.

Manchmal schaltet man das Radio ein und stolpert in ein Interview, bei dem man zunächst nicht weiß, wer der Interviewte ist, welcher Partei er angehört oder ob er Journalist, Parteienforscher oder Sonstiges ist. Das bietet die Möglichkeit, sich eine Meinung über das Gesagte zu bilden, ohne voreingenommen zu sein. Einmal schaltete ich ein und hörte eine männliche Person Dinge sagen, die ich nur als überzogen und höchst befremdlich einordnen konnte. Am Ende des Interviews kam heraus: Es handelte sich um den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. (Es muss eines seiner ersten Interviews für Deutschlandfunk oder NDR Info gewesen sein.) Ein anderes Mal ein ähnliches Erlebnis mit einer weiblichen Stimme. Am Ende stellte sich heraus: Es war Natascha Kohnen, zu dem Zeitpunkt Spitzenkandidatin der SPD für die bayrische Landtagswahl.

Affirmative action, Unrechtspolitik, Verquertheiten

Vor kurzem verfügte der Oberbürgermeister der Stadt Hannover, dass alle amtlichen Schreiben jetzt „gegendert“ verfasst werden müssen – ein sprachlicher Irrsinn. Googeln wir doch mal „Oberbürgermeister Hannover“, und es kommt heraus: Der gute Mann ist von der SPD. Im Jahr zuvor, März 2018, hatte schon die Gleichstellungsbeauftragte im Bundesfamilienministerium Kristin Rose-Möhring die Nationalhymne in Richtung Genderei umdichten wollen. Parteizugehörigkeit: SPD.
Leider bleibt es nicht beim Sprachverhunzen. In Brandenburg hat soeben die SPD-geführte Regierung ein wahnwitziges „Parité-Gesetz“ beschlossen, das jeder Partei vorschreibt, bei Wahlen als Kandidaten gleich viele Männer und Frauen aufzustellen. Und das, obwohl normalerweise einfach weniger Parteimitglieder weiblich als männlich sind. Und warum bezieht sich das System nur auf Frauen / Männer; warum werden nicht Blonde / Dunkelhaarige, Muslime / Christen / Atheisten, Große / Kleine, Kluge / Dumme usw. auch alle quotiert?

Minderheitenpolitik im Sinne der „affirmative action“, die Minderheiten bevorzugt, ist lediglich eines: Unrechtspolitik. Wer Frauen bevorteilt, benachteiligt logischerweise Männer, und Entsprechendes gilt immer, egal, um welche Personengruppen es geht. Wenn man aber unintelligent ist, kann es natürlich sein, dass einem dieser Zusammenhang entgeht. Zudem setzt man auf diese Art zukünftig jede Parlamentarierin dem Verdacht aus, sie hätte ihren Posten nur aufgrund der Quote bekommen und nicht aufgrund von Leistung. Es ist deswegen kein Wunder, dass in anderen Bereichen Frauen sich bereits gegen derartige Quotierungen gewandt haben.

Die ganze auf Personengruppen bezogene Unrechtspolitik erzeugt Neid und Hass auf die Bevorteilten. Diese gefährliche Saat des Unrechts wird nicht nur von der SPD gesät, aber vor allem mit ihr assoziiert. In Berlin gibt es jetzt als offiziellen Feiertag einen Tag der Frauen. Warum, bitte, gibt es nicht auch einen Tag der Männer? Währenddessen werden Toiletten für das dritte Geschlecht gebaut. So etwas findet die SPD wichtig, während Bürger Flaschen sammeln oder zur Tafel gehen müssen.

Gleichzeitig steht die SPD für Angriffe auf die moderne Gesellschaft beim Mitmischen in der Neo-Prüderie: Sie verbietet „sexistische“ Plakate, wobei weit ausgelegt wird, was nicht zu sehen sein darf. Die Sittenpolizei des Iran lässt grüßen.
Zudem sollte man ins Auge fassen, ob man sich von gewissen alten Zöpfen trennt. Noch immer redet man in der SPD von „Genossinnen und Genossen“. Die Jugendorganisation heißt noch immer „Jungsozialisten“, als ob das Wort Sozialisten nicht diskreditiert wäre. Tradition ist schön und gut, aber es gibt auch Traditionen, die nie empfehlenswert waren.

Manche Leute schlafwandeln da lieber zu den Grünen rüber. Erst 1980 gegründet, scheinen sie oberflächlich betrachtet hipper als die Konkurrenz aus dem 19. Jahrhundert, und zur Zeit erleben sie bekanntlich einen Umfragen-Höhenflug. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass in manchen Medien Diesel-Fahrer als fast so schlimm wie Satanisten dargestellt werden und das Wetter sein kann, wie es will, es wird sich eine Überinterpretation als Gefahr schon finden.

Die Fehlentwicklungen unserer Zeit werden vom Wähler mit keiner Partei stärker in Verbindung gebracht als mit der SPD. Zwar ist oft die Merkel-CDU die Exekutive und damit gefährlicher, aber die SPD ist der Herd, wo die Süppchen gekocht werden.
Durch die schlechten Wahlergebnisse gerät die SPD übrigens immer mehr in finanzielle Probleme (aufgrund des Systems der Wahlkampfkostenerstattung). Welch ein Glück, dass man bei der Erhöhung der Diäten sich mit der Union immer schnell einig ist.

Probleme mit dem Demokratieverständnis

Es kommt noch schlimmer. Wenn es darum geht, zensurartige Maßnahmen zu ergreifen und freie Diskussionen zu behindern, ist die SPD immer vorne mit dabei. Maas‘ von Juristen kritisiertes unseliges NetzDG verfolgt missliebige Äußerungen im Internet und behindert so den freien Diskurs. Vor einigen Jahrtausenden erfanden im Zweistromland die Sumerer die Schrift. Hätte es damals schon die SPD gegeben, so hätte sie wahrscheinlich gesagt: Diese Schrift ist etwas Brandgefährliches, jetzt kann jeder seine Gedanken nicht nur mündlich verbreiten, sondern niederlegen; das wollen wir sogleich restriktiv regulieren. Im 15. Jahrhundert erfand Gutenberg den Buchdruck. Hätte es nun die SPD gegeben, hätte sie wieder ähnlich reagiert. Das Internet ist nichts weiter als ein neuer Schritt in der Entwicklung der Menschheit.

Natürlich kann in jedem Medium auch Unschönes geschrieben und verbreitet werden. Die Leser klicken dann aber normalerweise weg, und das allermeiste bekommt man aufgrund der gigantischen Masse der Internetseiten überhaupt nicht mit. Einer übermäßigen Regulierung bedarf das nicht.

Vertreter der SPD sind immer schnell dabei, politisch von der SPD abweichende Meinungen zu verunglimpfen. Es muss dann auch in vielen Fällen immer wieder die gleiche Methode sein: Der andere wird als grauzonenbevölkernd, rechtspopulistisch oder gleich als Nazi bezeichnet. „Und willst du nicht meiner Meinung sein, dann stuf ich dich als Rechtsextremisten ein.“ Wer wie Johannes Kahrs im Bundestag von „rechtsextrem“ tönt, ist selbst „krächzextrem“; so kann man es ab jetzt bezeichnen, wenn jemand immer so sehr krächzt gegen rechts.

Aber ernster: Wer derart schnell und immer wieder die Nazi-Keule herausholt, sollte sich einmal informieren, was tatsächlich die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ausgemacht hat, und wird feststellen, dass damit niemand im jetzigen Parlament zu tun hat und sich dies zurückwünscht. Anstatt ständig über die Nazi-Vergangenheit zu reden und Vergleiche zu ihr zu ziehen – eine Vergangenheit, die wir leider nicht mehr ändern können – sollte man lieber die Probleme von heute angehen. Im übrigen ist die SPD für den ersten von Deutschland angefangenen Krieg seit Hitler verantwortlich: Es handelt sich um den Kosovo-Krieg, den Schröder und Scharping (und Fischer, Grüne) 1999 zusammen mit den Amerikanern völkerrechtswidrig gegen Serbien begannen.

Die SPD wählt auch einen grundfalschen Umgang mit Abweichlern in ihren eigenen Reihen. Das betrifft z. B. die Reaktion auf Thilo Sarrazin. Nicht nur hört man ihm nicht zu und versucht nicht, etwas zu lernen oder der Wahrheit über gewisse Sachverhalte gemeinsam auf die Spur zu kommen. Statt dessen versucht man nun schon zum zweiten Mal, ihn aus der Partei auszuschließen. Ein ebenfalls Betroffener, dem es inzwischen nicht mehr viel besser ergeht, ist der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky – obwohl dieser vor Ort jahrelang genau mitbekommen hat, was im „Problembezirk“ geschieht, und er daher als Informationsquelle hochwillkommen sein müsste. Immer wieder treten Menschen aus der SPD aus, prominente wie einfache. Oft hinterlassen sie lange Schreiben dazu, was falsch läuft. Daraus lernt die Partei aber nichts.

Die SPD hat sich tiefgreifend in ihrer Mentalität vom demokratischen Denken entfremdet. Zudem hat sie ihre Kernwählerschaft verraten; dem „kleinen Mann“ nützt sie nichts mehr. Die Abgrenzung zur Merkel-CDU ist nicht klar. Die Abgrenzung zu dubiosen NGOs und zum Linksextremismus ist auch nicht klar genug, zum Teil besteht sogar Kooperation. Hinzu kommen noch weitere Gründe, warum diese Partei den Bach heruntergeht – zu viele, um sie alle zu behandeln.

Bilanz

Die geistige Erstarrung und Verflachung, die Infantilisierung und Primitivisierung innerhalb der SPD wie auch anderer Teile der Linken weist gigantische Ausmaße auf. Seit längerem geistert durch die SPD, die Partei müsse, damit wieder die Chance auf mehr Zustimmung besteht, sich „erneuern“. Das aber ist eine Phrase. Würde man es in direkterem Deutsch formulieren, in der SPD müsse sich etwas „ändern“, bekäme diese Partei einen Schreck.

Man kann sich dazu entscheiden, im Leben immer positiv zu denken. Das demokratische System hat zur Folge, dass eine Partei, deren Politik in die falschen Bahnen gerät, von den Wählern abgestraft wird. Sie kann und sollte das dann als Aufforderung verstehen, sich zu verändern. Der Niedergang der SPD ist kein Grund zur Sorge. Er ist vielmehr ein Ausdruck davon, dass demokratische Prozesse sehr wohl in diesem Land funktionieren. Die Demokratie ist in diesem Land – zumindest diesbezüglich – quicklebendig. Mehr und mehr Wähler kehren der SPD den Rücken, weil sie eben deren Politik nicht wollen. Darunter auch diejenigen politischen Agenden der SPD, die Demokratie und Meinungsfreiheit behindern. Es ist doch großartig, dass sich auf diese Art ein Regulativ entwickelt.

Wie wird es nun weitergehen? Entweder die SPD ändert sich massiv (Verzwergung als Chance), oder aber sie bleibt weiter im Sinkflug und geht schließlich unter. Die Dynamik spricht sehr stark dafür, dass es zu einer wirklichen Änderung nicht kommen wird. Menschen sind sehr träge in ihrem Denken; kaum jemand krempelt seine Meinungen grundlegend um. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass es bei SPD-Mitgliedern und -Führungskräften anders sein sollte – ganz im Gegenteil. Die geistige Schmalheit in dieser Partei ist derart omnipräsent und setzt überall Grenzen, dass es wahrscheinlich keinen Weg zurück gibt, sondern nur den Exitus.

Die mobile Version verlassen