Tichys Einblick
Aussetzer von Marco Buschmann

Die „seriösen Demokraten“: Wer sich wie nennt, ist bekannt

Justizminister Marco Buschmann trennt den Bundestag in andere und "seriöse Demokraten". Diesen Unterschied zu benennen, ist wichtig. Von allein bemerken ihn nämlich immer weniger.

picture alliance / dts-Agentur | -

Martin war die ideale Begleitung für die Disko: Er hatte ein sonniges Gemüt, war meist gut gelaunt und immer hilfsbereit. Aber vor allem trug er breite Schultern bei einer Körpergröße von deutlich über 1,90 Metern. Mit ihm an der Seite gab es nie Streit in der Disko. Martin selbst fing keinen an. Anderen musste er nicht erzählen, dass er sie in einer Prügelei zu Boden bringen könnte – sie sahen es angesichts seiner breiten Schultern und über 1,90 Meter Körpergröße ganz von alleine.

Die Gruppen und Fraktionen im Bundestag, von Linke bis CSU nennen sich gerne die demokratischen Parteien. In Abgrenzung zur AfD. Mit dieser Bezeichnung sprechen Janine Wissler, Annalena Baerbock oder Friedrich Merz der AfD nicht nur das Attribut ab, demokratisch zu sein. Sie feiern sich selbst auch als die wahren Demokraten. Es ist extrem wichtig, dass sie das sagen. Denn anders als bei Martin sieht ihnen ihre Überlegenheit niemand von alleine an.

Die Grünen, die demokratischste der demokratischen Parteien, lancieren derzeit Bürgerräte, die den Volkswillen vertreten sollen. Die sind nicht bei freien, offenen und gleichen Wahlen gewählt, so wie ein schnödes Parlament. Die sind ausgelotst, werden von „der Wissenschaft“ angeleitet und die „Bürger“ haften weder mit ihrem Namen noch mit sonst etwas für ihre Vorschläge. Das macht die Bürgerräte besser als Parlamente, weil… die Grünen wie Konstantin von Notz das sagen und die eine wahrhaft demokratische Partei sind, was wir wiederum gesichert wissen, weil die Grünen das von sich selbst behaupten. QED.

Ein solcher Bürgerrat verlangt, dass künftig Meinungen im Internet erst geäußert werden dürfen, wenn Experten dies absegnen, die von der Regierung ausgesucht werden. Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Verfassung, die ausdrücklich Zensur ausschließt. Doch hier handelt es sich schließlich um „das Volk“, ausgelost von den „demokratischen Parteien“. Da darf so etwas Profanes wie die Verfassung oder die Grundrechte nicht zu einengend wirken. Sagen die Grünen.

Justizminister Marco Buschmann spricht im Bundestag statt von „demokratischen Parteien“ von „seriösen Demokraten“. Buschmann ist Mitglied der FDP. Früher war das eine liberale Partei, heute ist sie hauptberuflich der Koalitionspartner der Grünen. Das färbt ab. Die „Liberalen“ haben sich den linken Konstruktivismus abgeschaut, der besagt: Es genüge etwas Schlechtes lange genug gut zu nennen, um etwas Gutes draus zu machen. Das klappt nur bedingt.

So gibt es zum Beispiel bewundernswerte Menschen, die blind sind oder im Rollstuhl sitzen und Sensationelles aus ihrer Situation machen. Trotzdem werden die allermeisten – auch der Betroffenen – es als einen Nachteil sehen, blind zu sein oder im Rollstuhl zu sitzen. Die Grünen wie auch viele Vertreter von SPD, Linke, CDU oder FDP erkennen, dass es als etwas Schlechtes betrachtet wird, behindert zu sein. Deswegen haben sie den Begriff „Behinderte“ als Oberbegriff bekämpft und durch „Menschen mit Behinderung“ ersetzt.

Mit Erfolg, aber ohne Happyend. Irgendwann wurde „Menschen mit Behinderung“ ebenso diskriminierend. Also kam „Menschen mit Beeinträchtigung“, dann „beeinträchtigte Menschen“ und enden wird das nie. Denn es bleibt für die allerwenigsten etwas nicht Erstrebenswertes, blind zu sein oder im Rollstuhl zu sitzen. Auch wenn grün-linke Konstruktivisten den Glauben nicht aufgeben, es werde zu etwas Wünschenswertem, wenn erst der richtige Begriff dafür gefunden würde.

Der grüne Koalitionspartner Buschmann spricht also nun von „seriösen Demokraten“. Dabei schließt er auch mutmaßlich den ehemaligen Umweltminister und Vorsitzenden der Grünen, Jürgen Trittin, mit ein. Der feixte nun auf X: „Die Bundespolizei muss die Fluten aus Tschechien und Polen endlich konsequent zurückweisen.“ Keine Empathie für die Anwohner, die ihren Besitz verlieren. Keine Trauer für die Toten. Stattdessen eine öffentlich vorgetragene „klammheimliche Freude“ über die Lage in den Nachbarländern. Mit Toten lässt sich diese Lage sogar besser im grünen Wahlkampf instrumentalisieren. So denken „seriöse Demokraten“. Das muss man sagen. Ganz unbedingt. Denn kaum einer erkennt noch von alleine, dass Trittin zu den „seriösen Demokraten“ gehört.

Genauso läuft es bei den „Qualitätsmedien“. Das sind ARD und ZDF. Sagen sie zumindest von sich selbst. Die ARD interviewt auf der Straße gerne „Bürger“. Die sind oft Mitarbeiter der Grünen, der SPD oder der Linken. Der Zuschauer erfährt das auch ganz transparent. Auf X. Dass der Grüne Anton Hofreiter gerne verbieten würde. Der Account OERR-Blog informiert die Leser, für welche Partei sich die „Bürger“ der ARD engagieren – oder für welche sie sogar arbeiten. Anders als die ARD nennt sich der OERR-Blog selbst nicht Qualitätsmedium. Das muss der Account auch gar nicht. Die Nutzer merken das von ganz alleine.

Die ARD sieht sich indes als Qualititätsmedium. Ihre Nachrichten seien gesichert. So gesichert, dass der Sender gerne mal über Fernseher berichtet, die ihre Nachbarschaft mit Strom versorgen könnten. Doch nicht jede „Nachricht“ schafft es so leicht ins Angebot der ARD. Über den Visaskandal von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) informiert das Erste nicht. Vielleicht, weil Baerbock zu den „demokratischen Parteien“ oder „seriösen Demokraten“ gehört.

Oder das „Sturmgeschütz der Demokratie“. Im Spiegel erfahren die Leser, dass Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über 1200 Anzeigen gegen Bürger gestellt haben. Zusätzlich erhalten die Leser noch die Einordnung, dass diese Zahl vom wachsenden Hass gegen die Grünen zeuge. Was im Spiegel indes nicht zu finden ist, sondern etwa bei TE: Nicht eine dieser Anzeigen führte laut Habeck und Baerbocks eigenen Angaben zu einer Verurteilung. Das lässt der Spiegel einfach weg. Wichtig ist die Einordnung. Fakten, die dieser widersprechen, schwächen nur die Demokratie und der Spiegel muss es wissen, er ist schließlich ihr Sturmgeschütz, wie er selbst sagt. QED.

„Wer sich wie nennt, ist bekannt“, sang BAP einst über die Funktionäre der DDR. Das zweite D stand für „Demokratische“. Und das war das Mauerregime. Schließlich behauptete es das von sich selbst. So lange, bis ihm die Bürger davonliefen. Das ist Martin nie passiert. Über ihn als Schutz an der Seite war in Diskos jeder froh. Auch wenn er es nie beweisen musste. Wer meint, seine Stärken beweisen zu müssen, zeigt nur, wie sehr er an diesen selber zweifelt.

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