Wie sehr kann man einen jahrzehntelangen Verbündeten demütigen? Saudi-Arabien möchte wohl ein Beispiel exerzieren. Schon in den letzten Monaten hatte Riad keinen Hehl daraus gemacht, dass die Beziehungen zu Washington auf einem Tiefpunkt sind. Die Förderpolitik der Saudis und die Absicht, das Monopol des Petro-Dollars zu brechen, machte die Spekulation salonfähig, dass das ölreiche Land einen indirekten „Regime change“ zugunsten der Republikaner bei den bald stattfindenden Halbzeitwahlen provozieren wolle. Anders als Joe Biden hatte dessen Vorgänger Donald Trump hervorragende Kontakte zum Langzeitverbündeten im Nahen Osten.
Die letzte Visite Bidens in Riad sollte ein Neubeginn sein. In Wirklichkeit war es nur eine weitere Düpierung. Als Präsidentschaftskandidat hatte er den De-facto-Herrscher des Landes, Kronprinz Mohammed bin Salman, nach saudischer Lesart zutiefst beleidigt, indem er ihm die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi persönlich anlastete. Biden wollte Saudi-Arabien deswegen zum „Paria“ machen. Bei seiner Ankunft begrüßte Biden den Kronprinzen dann mit Faustschlag.
Das nächste Kapitel der abgekühlten Beziehungen schlägt Saudi-Arabien diese Woche auf. Der chinesische Staatschef Xi Jinping wird erwartet. Wenn die USA dachten, sie könnten mit Bidens Worten dem Narrativ entgegentreten, dass der eigene Einfluss abnehme, dann haben sie sich getäuscht. Der Kronprinz macht deutlich, dass es das Vakuum längst gibt. „Dieser Besuch wird eine klare Botschaft sein, dass Saudi-Arabien andere strategische Verbündete als die USA hat und dass es ein starkes Land ist, das im Nahen Osten nicht übergangen werden kann“, bewertete Ahmed al-Faraj, ein saudischer Professor für Internationale Beziehungen, gegenüber der Nachrichtenagentur The Media Line den Vorgang.
„Die chinesisch-saudischen Beziehungen sind stabil. Sie haben keine Erschütterungen erlebt, sondern wachsen jährlich, da China keine militärische oder sabotierende Rolle in der Region anstrebt, sondern vielmehr nach wirtschaftlichen Investitionen und Projekten sucht und Saudi-Arabien als echten Partner behandelt, was den Golfstaaten entgegenkommt“, erklärte Faraj weiter. Um es kurz zu fassen: Während die USA als Bittsteller kamen, kommen die Chinesen als Partner. Wieder macht die Schauergeschichte die Runde: Könnten die Chinesen darauf bestehen, in Zukunft in Yuan bezahlt zu werden?
Der einstige, sichere amerikanische Vorhof im Nahen Osten bröckelt. Doch es ist kein spezifisches Nahostphänomen. Ähnlich wie Bidens Besuch in Saudi-Arabien sollte die Visite von Nancy Pelosi in Taiwan in Ostasien demonstrieren, dass die USA trotz aller Schwächesignale präsent sein würden. Wie glaubhaft und diplomatisch geschickt diese Auftritte waren, steht auf einem anderen Blatt. Wer nur noch in Symbolen und Gesten handelt, läuft Gefahr, dass man ihn als Schauspieler, aber nicht als Staatsmann wahrnimmt. Im Gegensatz dazu inszeniert sich China nicht nur, sondern liefert.
Das imponiert nicht nur den Saudis. Für Aufregung in US-Medien sorgte nämlich eine weitere Neuigkeit. Ausgerechnet die Ukraine liebäugelt seit neuester Zeit ebenfalls mit dem chinesischen Konkurrenten. Präsident Wolodomir Selenskyj will direkte Gespräche mit Xi aufbauen, um im Krieg und beim ukrainischen Wiederaufbau Hilfe zu leisten. In einem Telefongespräch mit Xi habe Selenskyj angeboten, dass die Ukraine als „Brücke nach Europa“ dienlich sein könnte, so die South China Morning Post. In einer multipolaren Welt ist Nibelungentreue nichts wert.