Die Sicherheit der Bürger vor äußeren Gefahren zu garantieren, gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben verantwortlicher Regierungsführung. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine zwingt zu einer Neubestimmung der Sicherheitspolitik in der Europäischen Union. Vollends abstrus klingen nun Absichten der EU-Kommission, Rüstungsunternehmen den Status der Nachhaltigkeit abzusprechen.
Grundlage hierfür ist ein EU-Aktionsplan für nachhaltige Finanzen, mit dessen Hilfe die Wirtschaft in Europa mit gesetzlichen Regeln überzogen wird. Im Interesse von nachhaltigem Wachstum sollen die drei Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG – Environmental, Social, Governance) unter die Lupe genommen werden. Übergeordnetes Ziel ist, bei Investitionen für Transparenz im Hinblick auf deren Eigenschaften und Wirkungen zu sorgen.
Erklärte Absicht ist, wesentliche Teile der europäischen Wirtschaft auf ihren gesellschaftlichen Nutzen hin zu untersuchen. Mit einer sogenannten sozialen Taxonomie soll analog zur zuletzt entschiedenen grünen Version Anlegern deutlich gemacht werden, welche Unternehmen im Interesse des Gemeinwesens handeln – und welche nicht. Dahinter steckt die unverhohlene links-grüne Vorstellung, Finanzanlagen dorthin zu lenken, wo sie nach deren hehren Vorgaben sozialen Standards genügen. Wem gesellschaftlicher Nutzen zuerkannt wird, soll sich günstig refinanzieren können, wer demnach eher Schaden stiftet, gerät ins gesellschaftliche und damit auch finanzielle Abseits.
Umwelt, Soziales und Unternehmensführung als entscheidende Kriterien
In den Medien werden diese Pläne seit Längerem zum Trend hochstilisiert mit der Folge, dass in der Finanzbranche bereits Kriterien herumgereicht werden, die unliebsamen Wirtschaftsbereichen auf Dauer den Geldhahn zudrehen werden. Das hinterhältige an dieser Vorgehensweise ist die vorauseilende Wirkung dieser Absicht im Anleger- und Bankensektor. Nachdem in den wohlstandsverwahrlosten Kreisen unserer Gesellschaften Waffen und Militär einer gewissen Ächtung unterliegen, gerieten Rüstungsunternehmen rasch in den Blickwinkel. Deren Vertreter protestieren bereits heftig.
Interessant wird sein zu sehen, wer, wie und durch wen die Einhaltung derartiger gesetzlichen Vorgaben kontrolliert werden soll. Sollte diese Bewertung dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden und sich entsprechende Klassifizierungen am Markt ergeben dürfen, wären die Presse- und Öffentlichkeitsabteilungen der Unternehmen gefragt, entsprechend grüne Propaganda zu betreiben. Alternativ könnte eine staatliche Kontrollbürokratie mit zahllosen Dienststellen und Beschäftigten eingerichtet werden. Ende der Parodie, zurück zur Wirklichkeit.
Am Beispiel der Rüstungsindustrie ist zu sehen, welche Auswirkungen diese derzeit in der Diskussion befindlichen Brüsseler Vorgaben bereits im Entstehungsgang haben und wie diese die unternehmerische Entscheidungsfreiheit einschränken. Dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Hans Christoph Atzpodien zufolge wenden schon jetzt zahlreiche Banken diese noch im Entwurfsstadium befindlichen Regeln an und tragen der kommenden EU-Taxonomieverordnung vorab Rechnung: „Es entspricht einem diffusen Mainstream-Geschmack, indem sie alles, was mit Rüstung und Waffen zu tun hat, pauschal aus ihrem Portfolio ausgrenzen.“
Vorauseilender Gehorsam der Banken
Der Bankenverband bestätigt, dass die Branche die Taxonomie-Pläne der EU unterstützt, weil man sie für richtig und notwendig erachte. Einzelne Finanzinstitute finanzieren nicht mehr die Lieferung von Kriegswaffen ins Ausland (LLBW). Andere wie die DZ Bank schließen die Finanzierung von Waffengeschäften grundsätzlich aus, wenn in Spannungsgebiete oder Länder mit „signifikanten Menschenrechtsverletzungen“ geliefert werden soll. „Kontroverse Waffen“ wie atomare, biologische, chemische Waffen, Landminen, Anti-Personen-Minen, Streubomben oder autonome Waffen, werden generell nicht mehr finanziert. Die Commerzbank lässt verlauten, dass „Transaktionsanfragen mit Rüstungsbezug … jeweils intensiv und kritisch einer Einzelfallbetrachtung unterzogen (werden)“. Die Bayerische Landesbank unterstützt immerhin noch Geschäfte für Bundeswehr und Landesverteidigung.
TE hatte über diese grundsätzliche Problematik bereits im Dezember letzten Jahres berichtet. Vertreter der Rüstungsindustrie beklagen seit geraumer Zeit den Rückzug von Banken aus der Finanzierung von Unternehmen der Rüstungsbranche. Kreditinstitute beenden die Zusammenarbeit mit Rüstungsfirmen vor dem Hintergrund beabsichtigter Einstufungen und Anlagekriterien der EU-Kommission. Deren ESG-Maßstäbe für Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung führten bereits zu deutlichen Einschränkungen der Branchenfinanzierung. Zukunftsprojekte der europäischen Rüstungsindustrie wären so nicht mehr finanzierbar. Die Verteidigungsindustrie und das Prinzip der Nachhaltigkeit werden gegeneinander ausgespielt.
Die Finanzierbarkeit von Rüstungsgütern ist von elementarer Bedeutung
Gerade in Anbetracht des Ukraine-Krieges klingt das Ganze wie ein Schildbürgerstreich. Einerseits erwägt die EU neuerdings, beim Kauf von in Europa hergestellten Verteidigungsgütern auf die Mehrwertsteuer zu verzichten, um gemeinsame Rüstungsprojekte zu unterstützen. Die europäischen Rüstungsfirmen sollen gefördert werden, um nicht weiterhin die zweite oder gar dritte Geige weltweit in Machtfragen spielen zu müssen. Andererseits wird den auf diesem Sektor noch tätigen Unternehmen mit staatlichen Regularien die Finanzierung neuer Systeme und Programme erschwert. Doppeldenk oder die Unfähigkeit, die Wirkungen des eigenen Handelns bis zum Ende zu überblicken? Im Interesse künftig umwelt- und sozialgerechten Handelns die eigene Fähigkeit zur Verteidigung zu untergraben, kann jedenfalls weder im Sinne der EU noch derer Bürger sein. Ohne äußere Sicherheit gibt es auch keinen Sozialstaat; ohne äußere Sicherheit können Despoten unseren Kontinent entern und auf unsere Umwelt- und Sozialstandards pfeifen.
Es ist höchste Zeit, dass an den europäischen Schalthebeln der Macht Realismus einkehrt. Wann stehen endlich die Regierungen der Mitgliedsstaaten gegen die Weltfremdheit der EU-Kommission und des Europaparlamentes auf? Der links-grüne Zeitgeist hat gegen Diktatoren nicht viel mehr als gut gemeinte Appelle und vielleicht Straßenblockaden zu bieten. Wem auch nur der Fortbestand unseres Sozialstaates ein Anliegen ist, müsste eigentlich für gut ausgerüstete Polizei- und Armeeeinheiten eintreten. Und diese funktionieren bekanntlich nicht ohne Unternehmen, die Rüstungsgüter herstellen. Zu dieser Erkenntnis reicht die Beherrschung des kleinen Einmaleins. Das scheint einigen Institutionen auf diesem Kontinent abhandengekommen zu sein. Bleibt zu hoffen, dass der Ukraine-Knall bis in die Brüsseler EU-Institutionen vordringt.