Man müsste über Joseph Fischers Kommentar im Handelsblatt, wenn er nicht so klar die politischen Träumereien der deutschen Eliten vorführen würde, nicht schreiben, dennoch oder gerade deshalb ist er ein Lehrstück in Weltfremdheit. Fischer schwärmt sogar vom Corona-Virus, weil anscheinend getreu der jesuitischen Maxime der Zweck die Mittel heilige, wenn er mit reichlich Pathos schreibt: „Aber die Covid-19-Krise weist auch weit darüber hinaus und verfügt über eine viel grundsätzlichere Dimension. Rückblickend wird diese Krise im Jahr 2020 vielleicht einmal als der Beginn der „großen Transformation“ der globalen Industriegesellschaft hin zu einer Gesellschaft der Nachhaltigkeit und der Verantwortungsübernahme der Menschen für ihr Tun bezeichnet werden, soweit sie sich in Industriegesellschaften organisieren. Wenn es gut geht, erweist sich das Virus als ein Weckruf zur rechten Zeit …“ Wenn die Große Transformation allerdings misslingt, dann „wird es den Beginn einer beispiellosen Katastrophe der Menschheit markieren.“ Letzteres ist wahrscheinlich, ersteres auszuschließen.
Weil übrigens die Regierung immer mehr Geld für die große Transformation benötigt, wird nun auch – wie gerade durch die Bundesregierung beschlossen – durch die „CO2 Bepreisung“ auch das Erdgas besteuert. Darauf haben klamme Regierungen in der Geschichte immer vergeblich gehofft, die Luft zum Atmen zu besteuern, in Zeiten der Klimaapokalyptik gelingt es. Die Energiepreise bekommen wieder einen neuen Impuls nach oben. Es reicht nicht, dass wir als Vorreiterland der Großen Transformation bereits jetzt schon weltweit die höchsten Energiekosten haben.
Fischers Grundthese: dass „in der Vergangenheit, vor allem bis zum Beginn der industriellen Revolution um 1800 herum, sich der Verlauf der Erdgeschichte menschlichem Einfluss“ entzog, ist von geradezu rührender historischer Unbedarftheit – und das gleich in doppelter Weise. Erstens kam es auch ohne Menschen zu großen Veränderungen im Klima, die Fischer Krisen nennen würde, wenn man nur an die Kreide-Paläogen-Grenze denkt, um nur ein Beispiel zu nennen, zweitens hat der Mensch früher schon kräftigen Einfluss auf die „Erdgeschichte“ genommen, wenn man sich an die großen Rodungen im Libanon oder in Griechenland im Altertum erinnert.
Dass Fischer in seinem Kommentar Äpfel und Birnen vermengt, Hauptsache es kommt Schmus heraus, ist nicht neu, schon gar nicht, dass die Klimaapokalypse wieder an die Wand gemalt wird, die nichts anderes als die Corona-Krise ist, nur mit C02 als Bösewicht statt des Virus. Fischer hält sich nicht mit Details auf: „Bei Covid-19 haben wir gelernt, auf den wissenschaftlichen Rat zu hören. Warum tun wir dies nicht auch bei noch sehr viel gefährlicheren Entwicklungen, die heute schon unsere Wirklichkeit bestimmen, wie der Erderwärmung und der Klimakrise?“ Das sind nicht einmal mehr Birnen und Äpfel, denn zwischen einer Pandemie und dem Klimawandel, der zur Klimakrise hochbramabrasiert wird, um mit Corona verglichen werden zu können, besteht kein Zusammenhang, außer der, dass man einmal an einen diktatorischen Regierungsstil gewöhnt nicht mehr von ihm lassen möchte. Fischer missbraucht den Begriff der Verantwortung, wenn er schreibt: „Wer die Freiheit will, darf sich also vor der Verantwortung nicht drücken.“ Der Satz könnte auch über jedes Eingangstor zu jedem Gulag stehen. Oder um es mit Dante zu sagen: „Wanderer, wenn Du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren.“
Sicher, man ist nicht nur frei von etwas, sondern auch frei für etwas, nur ist man dann nicht mehr frei, wenn man nur frei für etwas ist, für das man dann auch sein muss. Notfalls hilft zur Einsicht in die Notwendigkeit, um sich nicht vor der Verantwortung zu drücken, die politische Polizei oder die gesellschaftliche Ächtung, der Pranger, der der Rotgrünen liebstes Holz ist.
Fischers Verantwortung ist nichts anderes als die Einsicht in die Notwendigkeit. Die Kommunisten liebten den Satz, das Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit ist, zumindest solange sie bestimmten, was notwendig wäre. Genau hier beginnt das Problem, denn notwendig ist nur, was Joseph Fischer für notwendig erachtet. Er benennt das Problem der Bevölkerungsexplosion, die vor allem in Asien und in Afrika stattfindet, er spricht vom Welternährungsproblem, vom Kampf zwischen China und den USA um die Hegemonie, keines dieser Probleme ist in Europa entstanden, keines dieser Probleme kann Europa lösen, aber er phantasiert, dass für „das alte Europa … sich eine unverhoffte Chance“ bietet „,wenn es nicht auf die Konkurrenz der Supermächte setzt, sondern den Mut hat, eine Führungsrolle bei dieser großen Transformation anzustreben.“ In dem wir unsere Wirtschaft zerstören? Indem wir unsere wissenschaftliche und technische Leistungsfähigkeit der Identitätspolitik und dem Genderismus opfern? Indem wir den Sozialstaat durch die Ideologie der Offenen Grenzen, durch Masseneinwanderung und durch das EU-Einwanderungsprogramm überlasten, bis er zusammenbricht? Indem wir Zukunftstechnologien abschaffen zugunsten von Voodoo, wie es die E-Mobilität darstellt? Worin wird Europa führend sein, wenn es Fischers Großer Transformation folgt – und zwar auf das Narrenschiff Utopia? Führend wird Europa dann nur in der Narretei sein. Wenn die große Transformation in Europa siegt, wird die Hauptstadt des Zentralstaates Europa Schilda heißen.
Bei allem aber erstaunt doch, dass sich die alte deutsche Großmannssucht wieder zeigt. Unter einer Katastrophe der gesamten Menschheit macht es ein Joseph Fischer nicht, Luisa Neubauer, die Grünen schlechthin denken sogar in “planetarischen“ Dimensionen und die deutsche Bundeskanzlerin will ständig die Welt retten. Für Deutschland zuständig zu sein, genügt ihr nicht. Für die Probleme in Deutschland existieren Medien, die den Menschen erzählen, was sie denken sollen.
Aber diese deutsche Großmannssucht ist noch nie gut ausgegangen. Ein wenig, wollte man es freundlich betrachten, erinnert Joseph Fischer an Voltairs Pangloss. Wenn es am Ende des Romans „Candide oder der Optimismus“ heißt: »In dieser besten aller möglichen Welten sind alle Ereignisse miteinander verkettet, denn wären Sie nicht wegen ihrer Liebe zu Fräulein Kunigunde mit wuchtigen Fußtritten in den Hintern aus einem schönen Schlosse verjagt worden und nicht in die Hände der Inquisitoren geraten, hätten Sie nicht Amerika zu Fuß durchwandert und dem Baron einen tüchtigen Degenstich versetzt, ja, hätten Sie nicht alle Ihre Hammel aus dem guten Lande Eldorado eingebüßt, so würden Sie hier nicht eingemachte Zedratrinde und Pistazien essen.« »Vollkommen richtig,« erwiderte Candid, »aber wir müssen unseren Garten bestellen.«“
Nett, worüber Joseph Fischer so alles schreibt, aber wir müssen unseren Garten bestellen. Voltaire hat recht.