Die Bundestagswahl 2013 war einer der Wendepunkte der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik. Um die Geschehnisse von 2015 zu verstehen, führt kein Weg an der Deutung der damaligen Ergebnisse vorbei. Im Bundestag saßen nur noch vier Fraktionen – die mit Linkspartei, Grünen und SPD ein Übergewicht bildeten. Die CDU/CSU feierte ihren vermeintlichen Wahlsieg und Angela Merkel war im Grunde froh, die aus dem Parlament geworfene FDP als Koalitionspartner losgeworden zu sein.
Das linke Übergewicht war Merkel recht. Im Parlament wie gesellschaftlich herrschte damals schon Kenia-Stimmung. Die Kanzlerin koalierte mit der SPD, machte aber Politik mit grüner Unterschrift. Sie holte Rainer Baake aus der Agora Energiewende zurück in die Exekutive – er wurde Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Im Bundesumweltministerium wurde dessen Verbündeter Jochen Flasbarth Staatssekretär. Bereits in dieser Koalition wurden „Energiewende“ und E-Auto zur Direktive erklärt.
Das Energie- und Migrationsgeschehen konnte auch deswegen so folgenlos exerziert werden, weil es im Parlament keine Opposition gab, die eine Gegenmeinung vertreten hätte – außer eine noch radikalere Politik in diese Richtung. Nicht nur medial, sondern auch politisch gab es einen bemerkenswerten Teil der Bevölkerung, der gar nicht abgedeckt wurde. Die FDP hatte den Einzug mit 4,9 Prozent verpasst, die AfD mit 4,7 Prozent. 6,3 Prozent entfielen auf sonstige Parteien.
Rund 16 Prozent der Wähler hatten 2013 demnach trotz Stimmabgabe keine Vertretung im deutschen Parlament. Die Linkspartei kam bei derselben Wahl übrigens auf 8,6 Prozent, die Grünen auf 8,4 Prozent. Dabei ist nicht einberechnet, dass die Wahlbeteiligung nur 71,5 Prozent betrug. Das Parlament repräsentierte also die politischen Ansichten des Volkes nur bedingt. Die in den Folgejahren eintretende „Radikalisierung“ dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass es im Bundestag schlichtweg keine „Alternativen“ gab und die Opposition grundsätzlich links saß.
Für die Bundestagswahl 2025 droht ein extremeres Szenario. Alexander Heiden hat dies heute bereits ausgeführt: Im Bundestag könnten im Minimalfall nur vier Fraktionen sitzen, im Maximalfall sogar acht. Geht man davon aus, dass am Ende nur CDU/CSU, AfD, Grüne und SPD einziehen, besteht die Gefahr, das der Bundestag nur eine Verzerrung der eigentlichen politischen Verhältnisse darbietet.
Beispiel Forschungsgruppe Wahlen. Die sieht das BSW nur noch bei 5 Prozent, die Linke bei 4 Prozent und die FDP bei 3 Prozent. Sonstige Parteien – darunter die Freien Wähler – kämen auf rund 10 Prozent. Legt man zugrunde, dass Linke, FDP und BSW mit 4 Prozent und die sonstige Parteien mit 10 Prozent abschneiden, macht das rund 22 Prozent Wahlstimmen, die in einem neuen Bundestag nicht abgebildet würden. Das wäre immerhin jeder fünfte Wähler, der keine Vertretung hätte.
Die Wahlbeteiligung 2021 betrug 76,4 Prozent. Legt man zugrunde, dass 2023 ein Viertel der Wahlberechtigten zuhause bleibt, und ein weiteres Fünftel der Wähler nicht repräsentiert würde, stellt sich die dringliche Frage: Wen repräsentiert der Bundestag noch?
Das mögen abstrakte Szenarien sein. Sie führen aber vor Augen, wie im Namen der Mehrheit regiert werden soll, die Mehrheit aber wackliger ist, als es den Anschein hat. Denn die Koalitionen, aus denen Regierungen geschmiedet sind, sind (noch) keine Allparteienkoalitionen. Die vermeintlichen Volksvertreter sind also nur noch Funktionäre einer Klientel. Dass dieser Elefant im Raum nicht angesprochen wird, sollte nicht verwundern – schließlich sind es Politiker aller Parteien gewohnt, mit einer Elefantenherde im Wohnzimmer zu leben. Ob 2013 oder 2025.