Tichys Einblick
Wahlkämpfer, Klima-Apokalyptiker vs. Bürger

Die Profiteure des Jahrhundert-Regens und die, die einfach anpacken

Nur kurz nach den Solidaritätsbekundungen begannen die unsinnigen Schuldzuweisungen. Und dann die Unterstellungen gegen Armin Laschet wegen eines Lachens. Stolz machen kann uns dagegen die spontane Hilfsbereitschaft der ganz normalen Menschen, die einfach anpacken.

Bürgerinnen in Bad Neuenahr

IMAGO / sepp spiegl

Für zwei Gruppen in unserem Land kam die nahezu biblische Heimsuchung der Sintflut in der vergangenen Woche wie gerufen: den Wahlkämpfern im Lande und natürlich den Berufs-Apokalyptikern. Nur kurz nach den Solidaritätsbekundungen und den Momenten der Betroffenheit begannen die Schuldzuweisungen. Warum wurde nicht vorgesorgt? Wieso war nicht schon im Vorfeld Großalarm ausgerufen worden? Warum hat niemand an das Öffnen der Talsperren gedacht?

Und weil es so schön ist, für alles einen Schuldigen parat zu haben, fiel die Kritik bei vielen auf fruchtbaren Boden. Und wo es Schuldige gibt, müssen nach Volkes Willen natürlich auch Köpfe rollen. Aus der sonst doch eher nüchternen FDP kam sogar die Forderung nach dem Rücktritt des Bundesinnenministers. Durch ein Lachen zum falschen Zeitpunkt wurde aus dem gerade noch bewegten NRW-Ministerpräsidenten und CDU-Kanzlerkandidaten Laschet ein zynischer Widerling. Aufgepasst, dass wir uns dabei nicht an der eigenen Vollkommenheit verschlucken. Hat nicht jeder von uns schon einmal bei einer Beerdigung registriert, wie schon unmittelbar nach der Beisetzung unter den Trauergästen erst Entspannung und dann leise Fröhlichkeit einsetzt. Anders sind schwere Schicksalsschläge auch gar nicht zu verkraften. Es ist mittlerweile für Journalisten zur Krux geworden, aus Banalitäten Skandale zu machen und zugleich der betreffenden Person das Schlimmste zu unterstellen.

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Doch der Reihe nach. Eine derartige Flut von oben, so die Wetter-Experten, bricht nur einmal in einem Jahrhundert über uns herein. Niemand kann eine solche Dimension im Vorhinein exakt bestimmen. Natürlich haben bereits am Mittwoch die Meteorologen vor starken Niederschlägen gewarnt. Als mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen, wurde der Westen und der Süden der Bundesrepublik angenommen. Konkrete Eingrenzungen territorialer Art konnten nicht vorgenommen werden. Man stelle sich einmal vor, bereits zu diesem Zeitpunkt wäre der worst-case vorweggenommen worden. Die Folge wären Massenevakuierungen, das Errichten von Zeltstädten durch die Bundeswehr und der Stillstand des öffentlichen Lebens gewesen. Wetten, dass sofort der Vorwurf der Panikmache im Raum gestanden hätte?

Ganz zu schweigen, was die Reaktionen gewesen wären, wenn sich die flächendeckende Katastrophen-Vorwegnahme als unnötig erwiesen hätte. Kopflose Unfähigkeit und Rücktrittsforderungen wären noch das Geringste an Vorwürfen und Forderungen gewesen. Fest steht, dass der Bund, und hier das Innenministerium, bereits am Mittwoch alle 16 Bundesländer in Kenntnis über die bevorstehende Lage gesetzt hat. Ganz nebenbei muss festgestellt werden, dass die erste Zuständigkeit bei derartigen Lagen Sache der Länder und Kommunen ist. Informiert wurden auch die Medien. Jeder, der die Wetterberichte im Fernsehen und im Radio verfolgt hat, konnte von da an die Warnungen zur Kenntnis nehmen. Wobei eine Kritik zutrifft – die Dauer-Musikwellen insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterbrachen die Dudelei kein einziges Mal für entsprechende Durchsagen. Da ein in den letzten Jahren zunehmend größerer Teil der Bevölkerung die Nachrichten gar nicht oder nur beiläufig wahrnimmt, war dies wohl eine allerdings typische Pflichtvergessenheit.

Doch das schreckliche Ereignis selbst wich dann sehr schnell der Ursachenforschung. Und natürlich war es für ARD und ZDF eine unumstößliche Wahrheit, dass der Klimawandel des Übels Grund ist – gemeinsam natürlich mit der führenden politischen Klasse. Das ZDF-Heute-Journal brachte es sogar fertig, mit einer von Chef-Agitator Kleber mit bebender Stimme und Weltuntergangs-Blick angekündigten Expertenrunde den Beweis dafür anzuführen. Vier Klima-Expert*innen vertraten geschlossen die gewünschte Meinung. Von Pluralität und Abbilden des Meinungsspektrums war, wie schon bei der Corona-Berichterstattung, nichts zu spüren. Einzig die Tageszeitung „Die Welt“ präsentierte ein differenzierteres Bild. Natürlich stimmt es, dass die Temperatur der Arktis sich um drei Grad erhöht hat. Das ist aber auch das Einzige an Klarheit. Bis jetzt ist es aufgrund zu kurzer Intervalle der Beobachtung noch nicht möglich, daraus klare Kausalitäten abzuleiten.

Politikversagen
Tagelange Warnungen vor der Flut – und keine politischen Reaktionen
Ob die Veränderung des sogenannten Jetstreaming tatsächlich für dieses außergewöhnliche und territorial begrenzte Geschehen verantwortlich ist, ist jedenfalls wissenschaftlich fundiert nicht zu begründen. Das gilt natürlich auch dann, wenn wir uns auf derartige Erscheinungen öfter und in kürzeren Zeitabschnitten einstellen sollten. Anstelle über in ihrer Wirkung langfristig zu bewertenden Schritten gegen die Klimaerwärmung zu schwadronieren, sollten der Katastrophenschutz und die damit verbundenen Notwendigkeiten zügig angegangen werden.

Und noch eine Erkenntnis brachten die letzten Tage. Der SPD-Politiker Lauterbach ist nicht nur der unschlagbare König aller Corona-Experten, sondern zugleich auch noch der Guru Nr. 1 der Klimaforscher des Erdballs mit Schwerpunkt Wasser. Man lernt eben nie aus. Wirklich stolz machen kann uns etwas anders: die spontane Solidarität und Hilfsbereitschaft der ganz normalen Menschen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Das war immer schon eine Stärke der ganz normalen Leute – nicht schwadronieren, sondern anpacken.

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