Nachdem die Politik in der Corona-Pandemie die Zustimmung zu den Regierungsparteien wieder auf mehr als fünfzig Prozent anwachsen ließ, fürchten sie inzwischen, dass sich dies angesichts eines aufkeimenden Protests gegen ihre Politik bald wieder ändern könnte.
Wie volatil aufgrund der Politik in der Corona-Pandemie inzwischen nicht nur die Aktienmärkte, sondern die politischen Stimmungslagen im Land geworden sind, belegt die öffentliche Diskussion um die in einigen Bundesländern und Städten erst seit kurzem aufbrandenden Demonstrationen gegen die im Zuge der Corona-Politik erlassenen Einschränkungen einiger wichtiger, im Grundgesetz verankerter bürgerlicher Grundrechte.
Bei allen gesundheitlichen Risiken, die von Covid-19 für bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgehen, wurde das neue Virus in Verbindung mit dem gesellschaftlichen Lockdown gleichsam als eine Art Wundermittel gegen den sich abzeichnenden Niedergang der Volksparteien bei gleichzeitigem Aufstieg des „Rechtspopulismus” wahrgenommen. Die diesbezügliche Begeisterung währte allerdings nicht allzu lange. Seit kurzem schlägt sie vielmehr in die Sorge um, die in Deutschland praktizierte Corona-Politik könne in Verbindung mit der von ihr ausgelösten wirtschaftlichen Krise erneut einer Protestbewegung Auftrieb geben, die auch in den nächsten Landtags- und Bundestagswahlen ihren Niederschlag finden könnte. Durch die Bank gewarnt wird inzwischen davor, dass insbesondere die AfD sich an die Spitze dieser Protestbewegung setzen und damit einen neuerlichen Aufschwung bei Wahlen nehmen könnte, der zwangsläufig erneut zu Lasten von Union und SPD ginge.
Beim Nachweis der möglichen Schädlichkeit der regierungsamtlichen Corona-Politik mussten deren Gegner nicht lange suchen. Niemand kann im Moment mit zufriedenstellender Verlässlichkeit sagen, ob der Lockdown am Ende der Krise mehr Nutzen als Schaden angerichtet haben wird, zumal sich das Verhältnis zwischen beiden je nach Bevölkerungsgruppe oder auch Region höchst unterschiedlich darstellen kann. Deswegen ist auch unter seriösen Fachleuten derzeit höchst umstritten, wie die endgültige bevölkerungsweite Bilanz aussehen wird, soweit es eine solche überhaupt geben kann. Fest steht lediglich schon jetzt, dass sie am Ende zum Beispiel für einen älteren verbeamteten Lehrer oder Behördenleiter anders aussehen wird als für eine junge selbständige Gastronomin, deren Betrieb insolvent wurde oder ein am Virus erkrankter und wieder genesener älterer Mitarbeiter eines Krankenhauses. Dass sie nach dem Ende der Krise bei der persönlichen Bilanzierung der in Deutschland praktizierten Corona-Politik zu demselben Ergebnis kommen, darf wohl ausgeschlossen werden und wird wohl auch ihre politische Bilanzierung beeinflussen.
Hinzu kommt, dass die Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen auf das Infektionsgeschehen selbst unter Fachleuten höchst umstritten ist. So gibt es beispielsweise anhand der Statistiken zur Übersterblichkeit gut begründete Zweifel, ob das Virus, wie vielfach behauptet, sehr viel gefährlicher ist als ein normales Grippevirus. Dabei geht es um die Frage, in welcher Größenordnung in einem Jahr mehr Menschen als im Durchschnitt früherer Jahre verstorben sind. Im Falle einer Virus-Erkrankung gibt es einen direkten Effekt des Virus selbst, der diese Zahl beeinflußt und einen indirekten, der sich aus den gegen die Ausbreitung des Virus eingesetzten Schutzmaßnahmen ergibt. Hinzu kommen bei der Beurteilung der zahlenmäßigen Entwicklung von Übersterblichkeit aber noch zahlreiche weitere Faktoren wie zum Beispiel die Altersstruktur oder auch die geschlechtliche Zusammensetzung einer Bevölkerung.
Folgt man Straubhaars Argument, dann können die verantwortlichen Politiker für sich zwar in Anspruch nehmen, mit dem politisch verordneten Lockdown einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet zu haben; gleichzeitig können die Protestierer gegen diese Politik aber auch darauf hinweisen, dass die direkte Gefahr des Virus geringer ist als von den Politikern angenommen. Diese würden gleichsam mit Kanonen auf Spatzen schießen und damit mehr Schaden anrichten als verhindern. Bestätigt werden sie darin inzwischen sogar durch die aus dem Innenministerium inoffiziell bekannt gewordene und von TE veröffentlichte Studie, die im Zusammenhang mit der Politik in der Corona-Pandemie von einem weltweiten Fehlalarm spricht. Auch diese Bewertung kann sich im Nachhinein allerdings als falsch erweisen, zumal nicht auszuschließen ist, dass es aufgrund der zunehmenden Lockerungen noch zu weiteren Wellen bei der Ausbreitung des Virus kommen wird.
Anders als beim gesundheitlichen Nutzen der in Deutschland praktizierten Corona-Politik sind beim wirtschaftlichen Schaden die Wirkungszusammenhänge und Effekte dieser Politik klar und eindeutig, wenn auch noch nicht abschließend bezifferbar. Wenn ganze Branchen stillgelegt und Unternehmen über Monate geschlossen werden, liegt es auf der Hand, wie sich das auf Umsatz und Beschäftigung dieser Unternehmen und damit auf die gesamte Volkswirtschaft auswirkt, selbst wenn auch hier noch weitere Faktoren den Gang der Dinge beeinflussen. Das wissen die Verantwortlichen der Corona-Maßnahmen in der politischen Exekutive. Sie fürchten daher zurecht, dass der wirtschaftliche Schaden, den sie mit ihrer Politik notgedrungen anrichten, so groß werden könnte, dass er, gemessen am gesundheitlichen Nutzen, von einem Großteil der Bevölkerung bald schon als nicht mehr gerechtfertigt betrachtet werden könnte. Die hohe Zustimmung zur bisherigen Corona-Politik könnte dann ebenso rasant erneut in eine Stimmung gegen die Regierung umschlagen, wie sie ab Beginn der Corona-Krise in eine Stimmung für sie umgeschlagen ist.
Entsprechend aufgeregt, um nicht zu sagen hysterisch, reagieren inzwischen die etablierten Parteien sowie ihre Unterstützer in Medien und Wissenschaft auf einen sich formierende Protest gegen die bisherige Corona-Politik. Da es im Falle einer Pandemie nicht so einfach wie im Falle der Asylpolitik ist, dem Protest mit der Nazikeule zu begegnen, werden inzwischen neue Instrumente ersonnen, um den staunenden Bürgern zu erklären, dass die Demokratie in Gefahr gerate, sollten sie ihr demokratisches Recht auf Protest und Widerstand wahrnehmen und sich der aufkeimenden Protestbewegung in irgendeiner Form anschließen. In ihr lauerten nämlich zahlreiche Feinde der Demokratie wie die AfD nur darauf, ihre Mitwirkung dafür zu missbrauchen, Gesellschaft und Staat zu zerstören. Eine die Protestierer besonders herabsetzende Begründung hierfür lieferte der Politikprofessor Claus Leggewie in WELT-online vom 12. Mai mit der Aussage, bei dem Protest handle es sich um das Ergebnis eines kollektiven Wahns, der viele der Protestierer befallen habe. Der Alt68er Leggewie bezeichnet sie deswegen als „Covidioten“, ohne dass deswegen bislang die Sprachpolizei der Political Correctness eingeschritten wäre.
Nun steht, wie unter anderem die Neue Zürcher Zeitung vom 13. Mai berichtet, wohl außer Frage, dass sich unter den Protestierern einige Akteure tummeln, deren Gedankenwelt nicht erst seit der Corona-Pandemie etwas aus den Fugen geraten ist. Und ebenso steht wohl außer Frage, dass die AfD in der Protestbewegung eine Chance wittert, den Protestierern eine parlamentarische Stimme zu geben und so weitere Wählerschichten für sich zu gewinnen. Weder das eine noch das andere sind jedoch Gründe, der Protestbewegung ihre Legitimität rundweg abzusprechen und sie zu einer Gefahr für die Demokratie zu erklären.
Sollte sich die von Leggewie und anderen betriebene Verunglimpfung der Proteste gegen die bisherige Corona-Maßnahmen in Politik und Medien durchsetzen, wird sich die Entfremdung zwischen Teilen der Bevölkerung und dem politischen System weiter ausbreiten und bis in Bevölkerungsgruppen vordringen, die bislang alles andere als Systemkritiker oder gar Systemfeinde, sondern einfach nur brave Bürger gewesen sind. Erneut fänden sich Teile der Bevölkerung vom politischen wie auch medialen System nicht mehr repräsentiert und orientierten sich daher zusehends außerhalb dieser Systeme. Die selbsternannten Verteidiger der Demokratie hätten dann wieder zusätzlichen Anlass, über eine „Radikalisierung“ der gesellschaftlichen Mitte zu lamentieren, die sie ständig selbst forcieren.