Tichys Einblick
Nach der Corona-Zeit

Die neue Rolle der Ministerpräsidenten – und ihre neue Macht

Die Corona-Zeit hat ein neues, von der Verfassung nicht vorgesehenes Gremium geschaffen: die Ministerpräsidentenkonferenz. Sie hat die Aufhebung der Bürgerrechte ermöglicht. Dafür erhalten die Länderchefs jetzt ihren Lohn.

Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) unter dem Vorsitz von Hessen, Berlin, 6. März 2024

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Die politische Debatte im Bund ist derzeit mehr denn je vom Geld bestimmt: Den Breitbandausbau ausbremsen, kein Geld für eine wehrfähige Armee haben oder sich für Radwege in Peru rechtfertigen müssen. Oder gleich über die Aufweichung der Schuldenbremse reden. Also maßlos Geld ausgeben wollen, damit Karl Lauterbach (SPD) und Annalena Baerbock zu jedem Fußballspiel geflogen werden und selbst die Folgen von Robert Habecks (Grüne) Energiepolitik noch bezahlt werden können. All das bestimmt die Debatten in Berlin.

Von solch unschönen Diskussionen sind die Länderchefs derzeit befreit. Sie haben zusammen 2023 ihre Schulden um 12,7 Milliarden Euro senken können – auf zusammen 594,2 Milliarden Euro Schulden, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Ihre Zahlen sehen zwischenzeitlich vergleichsweise gut aus. Ausgenommen von Sonderfaktoren wie dem strukturell hoffnungslosen Saarland mit 13.187 Euro pro Kopf oder das von dem woken Phantasten Daniel Günther (CDU) regierte Schleswig-Holstein mit 10.737 Euro pro Kopf. Diese beiden Länder haben gegen den Schnitt im vergangenen Jahr neue Schulden gemacht. Die besten Zahlen haben die beiden Feindbilder der linken Presse: Sachsen mit 1.405 Euro pro Kopf und Bayern mit 1.297 Euro pro Kopf. Daraus lässt sich die Faustregel ableiten: Je mehr linke Medien Hass und Hetze schreien, desto seriöser wird gewirtschaftet.

Wo kommt die neue Stärke der Länder her? Zum einen lassen sie ihre Städte und Kreise verdursten. Dafür ist besonders das sozialdemokratisch regierte Rheinland-Pfalz berüchtigt. Ohne einen Sondereffekt, den die Schulden des öffentlichen Nahverkehrs verursachen, wären die kleinen rheinland-pfälzischen Städte im Schnitt noch stärker verschuldet als Duisburg, Dortmund oder Gelsenkirchen. Zusammen sind die Schulden der Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr um 13,8 Milliarden Euro auf 154,6 Milliarden Euro gestiegen. Die Länder sanieren sich also vor allem auf Kosten ihrer Gemeinden.

Ein wichtiger Treiber für diese Entwicklung ist die Einwanderung. Der Bund gibt Geld an die Länder, doch die geben es nicht in vollem Maße weiter. Ähnliches gilt für die Sozialausgaben. Knapp die Hälfte aller erwerbsfähigen Empfänger von Bürgergeld – zusammen vier Millionen Menschen – sind Einwanderer. Die Bürgermeister und Landräte tragen die Folgen der Einwanderung, die Ministerpräsidenten tragen die unkontrollierte Einwanderung aber mit. Ihre Haushalte profitieren sogar davon.

Genau das beschreibt die Rolle der Ministerpräsidenten seit Corona. Das ist der Deal: Die Länderchefs tragen die Politik der Bundesregierung mit, egal wie absurd diese wird. Egal, wie sehr diese gegen Gesetze verstößt. Egal, wie die Grundrechte der Bürger ausgehebelt werden. Willige Ministerpräsidenten wie Stephan Weil (SPD) waren die Stützen der Regierung Angela Merkel (CDU), willige Ministerpräsidenten wie Daniel Günther (CDU) sind die Stützen der Regierung Olaf Scholz (SPD).

Die Ministerpräsidenten profitieren auch von der „Brandmauer“ gegen die AfD, die mittlerweile zur Staatsräson geworden ist. Genauso wie das Tabu, die real existierende Einwanderung nicht hinterfragen zu dürfen. Seit es die „Brandmauer“ gibt, ist es nahezu unmöglich geworden, Ministerpräsidenten abzuwählen. Kommt es zu einem Wahlkampf, in dem die etablierten Parteien die Verhinderung der AfD als wichtigstes Ziel ausgeben, dann sammeln sich alle Stimmen, die sich für dieses Ziel aussprechen hinter dem amtierenden Ministerpräsidenten. Abgewählt werden Länderchefs nur noch, wenn sie unfähig sind wie Hannelore Kraft (SPD) in Nordrhein-Westfalen, unbeliebt wie Torsten Albig (SPD) in Schleswig-Holstein oder unfähig und unbeliebt wie Tobias Hans (CDU) im Saarland.

Die neue Rolle der Ministerpräsidenten ist die des Stabilisators. Darauf beruht auch ihre Macht. Nun lässt sich Stabilität als positiv interpretieren. Das ist sie vor allem in Krisen. Seit 2019 zeigen sich die Parteien, die Ministerpräsidenten stellen, denn auch um Krisen bemüht. Ohne Not riefen rund 60 Städte den Klimanotstand aus. Seitdem sind die Pandemie, der Krieg oder die Konjunktur als Krisengründe hinzugekommen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versucht sogar Temperaturen über 20 Grad Celsius zum Notstandgrund zu machen. Im Zusammenspiel mit den gleichen Medien, die ihm während der Pandemie halfen, Panik zu verbreiten.

Stabilität lässt sich aber auch negativ lesen: Die Bahn fährt unzuverlässig. Die Straßen sind marode. Der Internetempfang ist weltweit drittklassig. Die Aufnahmeeinrichtungen platzen aus allen Nähten. Die Gewaltkriminalität steigt rasant. Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel legen ein spannendes Rennen hin, wer von beiden am schnellsten zunimmt. Und in allen schulischen Leistungsvergleichen werden Schüler in Deutschland immer schlechter. Bleiben diese Zustände stabil, dann bleiben sie schlecht – beziehungsweise werden von Mal zu Mal schlimmer.

Es sind meist links regierte Bundesländer, die in den entsprechenden Vergleichen am schlechtesten abschneiden. Am berüchtigsten dafür ist Bremen. Es sind die Ministerpräsidenten, die vor Ort eine Politik durchsetzen, in der Schüler 27 unterschiedliche sexuelle Orientierungen benennen – aber nicht fehlerfrei bis 27 zählen können. Die Krise ist wie alle anderen Krisen bekannt – aber die Länderchefs verfestigen diese Zustände.

Über Deutschland liegt Mehltau. Die Deutschen bekommen ihn nicht mehr mit. Erst wenn Gäste zu Besuch kommen wie während der Europameisterschaft, fällt es auf: dass die Bahn ein Witz ist. Dass die Straßen gefährlich sind. Oder dass der Müll auf der Straße rumliegt. Der Deutsche ist brav erzogen worden und fragt sich höchstens noch, ob er Müll gendern muss. Und wie?

Medienpolitik ist Ländersache. Selbst beim zentralen ZDF geht ohne die Ministerpräsidenten nichts. Gerade die Staatsmedien haben dazu beigetragen, die Deutschen dazu zu erziehen, sich nicht mehr über Müll, Verspätungen oder Kriminalität aufzuregen. Wer die Ministerpräsidenten auf seiner Seite hat, kann hanebüchen schlecht, aber trotzdem ruhig regieren – wie Angela Merkel oder Olaf Scholz halt. Dann die Länderchefs von Debatten über Schuldenbremsen zu befreien, ist das Mindeste, was ein Kanzler als Gegenleistung bieten muss.

Anzeige
Die mobile Version verlassen