Hier, Dushan, halt mit beiden Händen! – Ich werde nie jene Sekunden vergessen. Ein Teil meines Zivildienstes, war die Ausbildung zum Rettungshelfer gewesen. Erst Theorie und Training, dann reale Praxis. Gleich am ersten praktischen Tag wurden wir in das Haus einer älteren Dame gerufen, die sich »etwas wehgetan« hatte, und mit »etwas wehgetan« meinte sie wohl: die Treppe mit dem Kopf voran hinabgestürzt.
Die Kopfhaut war etwa eine Hand breit aufgerissen. Blut pulsierte und einiges davon floss heraus. Ich kniete hinter der gepflegten, weißhaarigen Dame und stabilisierte ihren Kopf, während die notwendigen Maßnahmen eingeleitet wurden. Sie war voll ansprechbar. Ich unterhielt mich mit ihr über ihren Tag – so beruhigt man den Patienten und merkt, wie es seinem Bewusstsein geht – während die Wunde auf ihrem Kopf blutete.
Es waren wohl nur Sekunden, weniger als eine Minute, während derer ich den Kopf stabilisierte, soweit ich mich erinnere, doch es hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt.
Der Mensch ist ein zerbrechliches Wesen, nicht nur seelisch, auch und besonders körperlich. Mein Respekt für die Menschen, die uns retten und heilen, könnte kaum größer sein – und ich selbst hoffte, solche Dinge wie aufgerissene Köpfe nie wieder sehen zu müssen.
Gestern sah ich es doch, in den inoffiziellen, aber wahrhaftigeren Nachrichten, und ich erinnerte mich wieder an jenen Moment. Nennen Sie es einen Flashback.
AfD Berlin
Am 7. Januar 2019 wurde der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der AfD Bremen, Frank Magnitz, in der Bremer Innenstadt von vermummten Schlägern angegriffen und bewusstlos geschlagen. Über die sozialen Medien verbreiteten AfD-Politiker ein ungefiltertes Foto des Bewusstlosen mit schwerer Kopfverletzung.
Hier ist ein Link zum Tweet von Prof. Dr. Meuthen, mit dem Foto – und wenn Sie daraufklicken, sehen Sie direkt in die Wunde des offenbar bewusstlosen Mannes.
Es ist ein schreckliches Bild. Es erinnert mich an meinen ersten Schock von damals. Sehen Sie genau hin. Frank Magnitz ist 66 Jahre alt. Als er bewusstlos am Boden lag, traten die Täter weiter gegen seinen Kopf. Handwerker fanden ihn und riefen einen Rettungswagen (faz.net, 8.1.2019). Ein Abgeordneter der Opposition wird verprügelt und in der Straße liegen gelassen – auch das ist der Zustand der deutschen Demokratie 2019.
Bremen
Die Freie Hansestadt Bremen ist, seit langer Zeit schon, fest in linker Hand. Die Regierung ist Rot-Grün, und wie so oft geht damit einher: sie sind mit ca. 692 Millionen Euro der viertgrößte Empfänger beim Länderfinanzausgleich (Stand 2018, laut statista.com), bei etwa 681.000 Einwohnern ergibt das 1.000 Euro pro Jahr und Einwohner. Bremen hat 21 Milliarden Euro Schulden, also etwas über 30.000 Euro pro Kopf.
Was tut Bremen eigentlich mit dem vielen fremden Geld? Bremen liefert sich bei zumindest der Bildung ein Rückwärts-Wettrennen um die letzten Plätze etwa mit dem rot-rot-grünen Berlin oder dem lange Zeit rot-grün geprägten Nordrhein-Westfalen (siehe z.B. spiegel.de, 28.10.2016; welt.de, 17.8.2018).
Linke Gesinnung führt zu schlechter Bildung (wer alles besser weiß, der lernt und lehrt eben nichts), schlechte Bildung führt bald zu einem nicht ganz unberechtigten Gefühl der Schwäche – irgendwo muss die Energie der jungen Menschen aber hin, also ergeben linke Gesinnung, schlechte Bildung und Schwächefrust zuverlässig die »neue SA«, sprich: die Antifa, so auch in Bremen.
Hat mitgezündelt
Es gehört längst zum guten Ton im deutschen Leit-Diskurs, Andersdenkende als »Nazi« zu bezeichnen. Es ist wohldokumentiert (siehe z.B. Was ist ein „Nazi“?). Die Zeit gründete etwa das Portal »Netz gegen Nazis«, was später von der Stiftung der Ex-Stasi Anetta Kahane übernommen wurde, und es wurden später unter anderem Listen missliebiger Publizisten veröffentlicht, als wollte man geradezu Abschusslisten für die Antifa bereitstellen.
Gerade jene, welche selbst zum Erreichen ihrer politischen Ziele Methoden einsetzen, welche an die Methoden der Nationalsozialisten erinnern (siehe z.B. Die Nazi-Methoden des Herrn Böhmermann), sind schnell dabei, Andersdenkende und Abweichler als »Nazis« zu titulieren.
Einen Menschen »Nazi« zu nennen, will ihn aus dem Diskurs ausschließen. Die nur geringfügig feinere Form des Nazi-Nennens sind steuerfinanzierte Propaganda-Maßnahmen, welche konservative Meinungen als »Hass« labeln – und ihnen unverblümt die Rechte absprechen, die eigentlich via Grundgesetz verbrieft sind: »Hass ist keine Meinung« (siehe auch: Deine Meinung ist Hass, und Hass ist keine Meinung).
Das Diffamieren des Andersdenkenden als Nazi ist die politisch korrekte Variante der Entmenschlichung – wie sie einst die Nazis betrieben. Wenn man dem Gegenüber aber erst einmal seine Würde als Mitmensch geraubt hat und seine Meinung – und damit einen, wenn nicht den wesentlichen Teil seines Menschseins – als nichtexistent bezeichnet, dann ist es kein allzu weiter Schritt, das Gegenüber eliminieren zu wollen, wie man Ungeziefer eliminiert.
»Haut Nazis« und »Nazis klatschen« gibt es als Aufkleber zu kaufen. AfD-Parteitage brauchen regelmäßig Polizeischutz. AfD-Büros und Politiker werden regelmäßig von linken Schlägern angegriffen. In Döbeln ist vor einem AfD-Büro eine Bombe explodiert; inzwischen wurden Verdächtige gefasst, und mangels Haftgrund wieder freigelassen.
Rechtfertigung
Der Grüne Cem Özdemir, welcher letztens erst von Linken für seine abgelesene Anti-AfD-»Wutrede« im Bundestag gefeiert wurde (siehe z.B. rp-online.de, 14.12.2018) – die heutige Linke steht eben auf Männer mittleren Alters, wenn diese Andersdenkende beschimpfen.
Özdemir kann es sich als Reaktion auf den Prügelanschlag nicht verkneifen, dies in die Welt zu tweeten:
»Ich hoffe der oder die Täter werden bald ermittelt & verurteilt. Auch gegenüber der AfD gibt es keinerlei Rechtfertigung für Gewalt. Wer Hass mit Hass bekämpft, lässt am Ende immer den Hass gewinnen. #nazisraus aber mit den Methoden unseres Rechtsstaates!« (@cem_oezdemir, 7.1.2019/archiviert)
Özdemir setzt in seinem Tweet mehrere Marker, welche die Bedeutung seiner Aussage in den Ohren und Herzen der Hörer ins Gegenteil verkehren könnten – wir müssen ihn analysieren, doch zuerst etwas Kontext.
Auf Tagesschau.de wird nur der erste Satz des Tweets zitiert, es wird seine Gründe haben – der zweite Teil hat es in sich.
Etwas Kontext
Während in Bremen ein Bundestags-Abgeordneter in die Bewusstlosigkeit geprügelt wird, wurde unter anderem von den Spiegel- und Tagesschau-Twitter-Accounts eine kleine Kampagne gegen Andersdenkende lanciert, und diese Kampagne basiert auf einer leicht feststellbaren Lüge.
Der Kontext: Die ZDF-Journalistin (eine ÖR-Mitarbeiterin mit unbezweifelter Haltung) hatte irgendwas mit »Nazis raus« getwittert. Sie wurde gefragt, wer denn ihrer Meinung nach »Nazi« sei, und antwortete, wahrscheinlich in einem Modus, den Staatsfunkler als »Humor« verstehen: »Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.« (@nicolediekmann, 1.1.2019/archiviert)
Die Dame vom Fernsehen erntete lebhafte Kritik, die man heute auch »Shitstorm« nennt. Das Relotius-Magazin und die Tagesschau behaupteten beide, die Online-Kritik hätte sich auf die erste Aussage bezogen – das war falsch, aber passte ins linke Weltbild.
»„Nazis raus“ twitterte ZDF-Journalistin Nicole Diekmann am Neujahrstag auf ihrem privaten Account – und bekommt seitdem Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Heute hat #NazisRaus, begleitet mit einer Welle der Solidarität, den ersten Platz in den deutschen Twitter-Trends erreicht.« (@tagesschau.de, 7.1.2019/archiviert)
Das war zwar eine Lüge, aber zugleich eben auch ein gefundenes Virtue-Signalling für Politiker (z.B. Peinlichminister Heiko Maas), für Propagandisten wie auch für »non player characters« (Mitläufer), die jetzt »#nazisraus« twittern konnten, um zu zeigen, wie moralisch sie sich finden.
Was Özdemir wirklich sagt
Indem er »auch gegenüber der AfD« einleitet, beginnt er eine Debatte über eben dieses Thema, und stellt als Möglichkeit auf, dass es diese Rechtfertigung eben doch gibt.
Nehmen Sie als Beispiel den konstruierten Satz: »Auch ____ sollten nicht totgeprügelt werden«, und setzen Sie für die Leerstelle jede beliebige Gruppe ein, die Ihnen einfällt – habe ich in dem Satz gefühlt wirklich diese Gruppe in Schutz genommen, oder habe ich in Wahrheit subkutan eben diese Handlung als debattierbar in den Raum gestellt?
Özdemir formuliert: »Wer Hass mit Hass bekämpft …« – auf den ersten Blick könnte es fast wie ein Buddha-Zitat aus dem Dhammapada klingen, doch wir stellen schnell fest, dass etwas nicht stimmt: Özdemir setzt den Anschlag auf das Leben eines Abweichlers moralisch und begrifflich gleich mit dem Äußern einer Meinung durch eben diesen – und damit rechtfertigt er die Attacke eben doch. Wenn der Buddha dazu aufruft, auf Hass nicht mit Hass zu reagieren, erklärt er – wohl durchaus bewusst – den Hass als menschlich und verständlich (wobei Buddha tatsächlich die Emotion meint, keineswegs eine »falsche« politische Meinung). Özdemir hat mit seiner Aussage faktisch das Vertreten einer konservativen politischen Meinung in die moralische Nähe einer Tat gerückt, die für den Laien wie der Versuch eines politischen Mordes aussieht – und damit diesen eben doch gefühlt ein Stück weit gerechtfertigt.
Entweder weiß Özdemir nicht, was er sagt, oder er sagt ganz bewusst böse Dinge – der Effekt ist derselbe.
Indem Özdemir den Hashtag »#nazisraus« aufgreift, klinkt er sich bewusst und aktiv in die laufende, von einer Lüge ausgehende Kampagne von Staatsfunk, linken Politikern und einigen Journalisten ein.
Der Satz »#nazisraus aber mit den Methoden unseres Rechtsstaates!« ordnet, bewusst oder unbewusst, die Prügelattacke der Vermummten in die gleiche Handlungskategorie wie die laufende Kampagne ein.
Özdemirs wacklige Distanzierung lobt de facto die theoretische Absicht und die politische Richtung, mäkelt nur etwas an der Dosierung und der Wahl der Mittel. Die ideologische Nähe der Grünen zu linksautonomen Schlägern ist ja kaum zu leugnen; sie tragen ihre Antifa-Sympathien bis ins Europaparlament (siehe @skakeller, 1.7.2014/archiviert). Die Aussagen Özdemirs (der selbst schon mal unterm Antifa-Logo auftritt) lassen an der auch inhaltlichen Gewaltferne von Grünen wie Özdemir doch gewisse Zweifel aufkommen.
(Özdemir steht nicht allein so fragwürdig da. Grünen-Chefin Baerbock wird bei faz.net, 8.1.2019 mit »Wer Hass streut, der erntet Hass.« zitiert – wenn das so stimmt, hätte sie auch gleich sagen können: »Tja, selber schuld, wenn du die falsche Meinung hast.«)
Während das Opfer vermutlich politischer Gewalt im Krankenhaus liegt, kann Özdemir es sich nicht verkneifen, den 66-Jährigen als »Nazi« herabzuwürdigen?
Was noch?
Linke haben sich in den Wahn hineingesteigert, dass wer heute die Positionen der CDU von vor etwa 10 Jahren vertritt, ein »Nazi« sei und »Abfall« (Sprachgebrauch von TAZ-Autorin Sibel Schick). Von da ist es zur Gewalt gegen die Andersdenkenden nur noch ein kleiner Schritt. Immer wieder werden Kritiker als »Rattenfänger« bezeichnet (z.B. vom sich selbst »Gutmensch« nennenden Kardinal Woelki, siehe deutschlandfunk.de, 23.12.2018); in der eigentlichen Geschichte sind es Kinder, nicht Ratten, die verführt werden, doch gerade das macht es möglich, endlich wieder von »Ratten« im Kontext der Abweichler und Missliebigen reden zu »dürfen«.
Mit Vokabeln wie »Nazi«, »Abfall«, »Hass ist keine Meinung« oder »Ratten(-fänger)« kämpfen Linke verzweifelt gegen die Nennung der Realität an, doch die Realität hat die doofe Eigenschaft, sich am Ende stets durchzusetzen.
Linke Schläger, grüne Schreihälse und Journalisten mit Haltung eint, dass sie im Moment ihrer Tat (wenn auch nicht alle) meinen, sie vollführten eine moralisch gute Tat. Der unbedingte Wille zur guten Tat wird zum ernsthaften Problem, wenn man von der Propaganda dahingehend manipuliert wurde, im Gegenüber nicht mehr einen Menschen mit allen Lebensrechten zu sehen.
Linke Vermummte und die Terroristen des Islamischen Staates eint der fanatische Wahn, im anderen nicht mehr einen Menschen zu sehen, sondern nur noch »Nazis« bzw. »Ungläubige«, »Abfall« bzw. »Hunde« – und dann erschlägt man diese eben, wie Hunde, oder wie es bei Antifa und ihren Freunden heißt: »Nazis klatschen«.
Leitmedien, welche die Bürger zu wahnhafter Wut gegen Andersdenkende aufzupeitschen suchen, schaden aktiv der Demokratie.
Am Anfang steht die Herabwertung des Abweichlers als »Nazi« – ihn ins Krankenhaus zu prügeln ist der letzte Schritt auf einer Skala – warum geht Deutschland diesen Weg?
Nach vorne gehen
Ein Lügendoktor hat den Wehrdienst auf Eis gelegt, und damit den Zivildienst abgeschafft. Die neuen Generationen von Männern lernen nicht mehr automatisch, was es bedeutet, für etwas einzustehen, und sei es mit seinem Leben, oder Verantwortung zu übernehmen, für sich und für seine Kameraden – oder wahlweise, wie ich und andere Zivildienstleistende, sich um Menschen zu sorgen, die sich an den Bruchstellen des Menschseins wiedergefunden haben, manchmal buchstäblich.
Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt und mit ihr der Zivildienst, dafür gibt es nun Trostpreise-für-alle und Dauer-Erregung in den Sozialen Medien. Realität ist vor allem für Linke nur noch, was sie an dem Tag in ihren Feeds und ihren klickoptimierten Online-Portalen erfahren – und wer Abweichler für Nazis hält, der hält auch Empörung für Moral und sich selbst für den nächsten Stauffenberg.
Die Lügen von Medien mit „Haltung“ sind nach Relotius gefühlt mehr und nicht weniger geworden. Es ist, als ob Spiegel, Tagesschau und Co. aus 2015 und Relotius vor allem eines gelernt hätten: man kommt in Deutschland mit allem durch, wenn man es nur oft genug wiederholt.
Gewalt beginnt mit Worten, und heute sind diese Worte eben Lügen.
Die Medien, die Unwahrheiten und Verzerrung über die Andersdenkenden und Abweichler verbreiten, und Politiker wie Özdemir, die wie irre im Bundestag herumbrüllen und auch sonst zündeln – siehe oben – sie werden mit dafür sorgen, dass es schlimmer wird.
Wir werden diese Tage nicht vergessen.
Metaphorisch gesprochen bleibt uns heute wenig, als den Kopf zusammenzuhalten und zu hoffen, dass bald Hilfe kommt, damit das Bluten aufhört.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.