Kaum ein Politiker traf bei seinem Amtsantritt auf größere Erwartungshaltungen, als Javier Milei nach seinem radikal-libertären Kettensägen-Wahlkampf des Vorjahres. Die radikale Streichung des bürokratischen Filzes bei gleichzeitiger ökonomischer Schocktherapie machte sich im “Afuera!”-Wahlkampf zwar gut, doch wie viel davon würde tatsächlich umsetzbar sein? Nach etwas über acht Monaten im Amt lässt sich jetzt bereits sagen: Mehr als man dachte. Das heißt aber nicht, dass dieser Weg über Rosen ging.
So wurden unter Milei bereits 8 Ministerien geschlossen und insgesamt verloren 30.000 Staatsbedienstete ihren Job im zuvor aufgeblähten Verwaltungsapparat. Das führt zwar zu einer Entschlackung der Bürokratie, offenbart aber an anderer Stelle, wie umfassend das bürokratische Netz vor Milei bereits war. Die Provinz La Rioja führte nun nämlich eine eigene Währung ein, um die Wirtschaft in der Provinz wieder anzukurbeln. Denn sage und schreibe zwei Drittel der berufstätigen Bevölkerung in La Rioja sind Verwaltungsangestellte, die Provinz war im Februar nach den massiven Kürzungen Mileis offiziell zahlungsunfähig geworden.
Ebenfalls im Februar stieg die Zwölf-Monats-Inflation Argentiniens auf unfassbare 276 Prozent an – damals der weltweit höchste Wert! Seitdem hat es Milei geschafft, mit seinen Reformen die Monatsinflation von über 25% auf unter 4% zu drücken. Bei Lebensmitteln gelang es Milei sogar, erstmals seit 30 Jahren keine Inflation zu verzeichnen. Und auch wenn Pensionisten aufgrund des Wegfalls von Sozialstaatsbonbons noch immer gegen Milei und seine Reformen protestieren, so verzeichnen auch die Renten einen realen Anstieg von 5% gegenüber dem Wert beim Amtsantritt Mileis.
Vor allem die wirtschaftlichen Reformen benötigen Zeit, um im Bewusstsein der Bevölkerung anzukommen. Während der Wegfall bestimmter Förderungen sofort und unmittelbar spürbar ist, wird ein effektives Plus häufig erst mit zeitlicher Verzögerung wahrgenommen. Aber die Zahlen sprechen für Milei: Der freie Fall des Pesos konnte gestoppt werden, die Zentralbank wurde saniert und Importzahlungen erfolgen mittlerweile zu 90% zeitnah. Dazu kommt, dass mit der Gesundung der Wirtschaft nach wie vor weitere Deregulierungen einher gehen. Seit Juli sinkt nun erstmals auch wieder die Zahl der armutsgefährdeten Haushalte.
Gewiss, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Afuera! Und ein weiter Teil linkslastiger Medien greift diese Späne bereitwillig auf und versucht daraus einen Splitter im Auge Mileis zu zimmern. So berichtet die Deutsche Welle nicht nur von den anhaltenden Protesten von Rentnern, sondern unterhält sich auch mit einer ehemaligen Verwaltungsangestellten mit lila Haaren, die im Zuge der Milei-Kürzungen ihren Job verlor. Es mag auf persönlicher Ebene immer bedauerlich sein, aber die hochnötige Entbürokratisierung wird immer dazu führen, dass manch individueller Lebensweg auf die Probe gestellt wird. Argentinien ist hier nicht das Ende, sondern der Anfang eines Prozesses, der noch viele andere Länder erfassen sollte.
Bekämpfung von Kriminalität und außenpolitisches Selbstbewusstsein
An anderer Stelle lassen sich Mileis Erfolge aber nicht umdeuten, höchstens verschweigen. Denn es gelang Milei mit hartem Durchgreifen der Exekutive gegen organisierte Gewalt, mehrere Banden zu zerschlagen, die Zahl der Drogenrazzien stieg um 500% an und in der Mordhauptstadt Argentiniens, Rosario, konnte die Mordrate um gleich 70% reduziert werden. Damit gelang es Milei Argentinien, binnen kürzester Zeit zum sichersten Land Südamerikas zu machen.
Entsprechend steigt nun auch wieder die Zustimmung für Milei im Land. Auch sein außenpolitischer Kurs hat, einigen Unkrenrufen zum Trotz, bislang vor allem Vorteile für Argentinien erwirkt. Mileis Abkehr von den BRICS hindert die seit 2022 in Argentinien präsente “Belt and Road Initiative” Chinas nicht, weiter Geschäfte zum Ausbau erneuerbarer Energien in Argentinien zu machen. In bester realpolitischer Manier geht Milei vor allem den Weg, der ihm und Argentinien am Besten erscheint. So ist die Absage an die BRICS nicht nur ideologisch zu verstehen, sondern vor allem auch ein Zeichen an das B in den BRICS, nämlich den großen südamerikanischen Konkurrenten Brasilien.
So überrascht es auch nicht, dass Milei im derzeitigen Konflikt Brasiliens mit Elon Musk immer wieder die Führung des Nachbarlandes angreift. Dessen prominente Rolle innerhalb der BRICS machte Mileis Bekenntnis zur NATO auch weniger zu einer Frage strikter Ideologie, sondern vielmehr zur selbstbewussten Aufnahme des Fehdehandschuhs um den Führungsanspruch in der Region. Diesen Anspruch unterstreicht wohl auch der Ankauf von F-16 Kampffliegern, die im Süden des Landes die Interessen Argentiniens in ihren Hoheitsgewässern absichern sollen.
Milei jongliert die Motorsägen bei seinem Drahtseilakt
Es wäre aber natürlich illusorisch zu glauben, es gäbe keine Schattenseiten. Denn der progressive polit-mediale Komplex arbeitet international – auch in Deutschland – intensiv an einer Diffamierungskampagne Mileis. Der Spiegel, zum Beispiel, sorgt sich plötzlich wieder um die Freiheitsrechte (am anderen Ende des Globus) und widmet einen ganzen Artikel der finanziellen Aufstockung des Geheimdienstes durch Milei. Böse Erinnerungen an dunkle Zeiten würden dabei wach, der politische Widerstand rege sich auch unter den Verbündeten. Anhänger von Mileis Reformen berichten hingegen von einer Beendigung der Bespitzelung des eigenen Volkes.
Was allerdings stimmt: Nicht alle Weggefährten Mileis sind auf gleicher Linie. Das war allerdings schon bei Amtsantritt bekannt und spricht für den bewussten Versuch, bei der Regierungsbildung die Breite der Gesellschaft abzubilden. Dennoch brodelt es zwischen Milei und seiner Vizepräsidentin Victoria Villarruel, die u.a. eine Berufung zum Höchstrichter Mileis torpedierte. Im Gegenzug kritisierte Milei eine (zurückgenommene) Diätenerhöhung des Senats, die Villaruel mitverantwortete, scharf als “Verrat am Volk”. Die traditionelle Katholikin atmet nicht den radikal-libertären Geist Mileis und manche Zeitungen Argentiniens berichten sogar von konspirativen Treffen Villaruels mit Ex-Präsident Macri.
Doch auch hier gilt zu bedenken, dass fast jede Berichterstattung über die Erfolge oder Misserfolge Mileis von eigenen Interessen geprägt ist. So ist es sicherlich zu früh, den Umbau Argentiniens als durchschlagenden Erfolg oder gar abgeschlossen zu feiern. Andererseits sagen auch Presseberichte über eine bevorstehende Palastrevolte gegen Milei wohl mehr über das Wunschdenken ihrer Autoren aus, als über die Realität.
Letztere erweist sich wie so oft als Drahtseilakt. Die zahlreichen Entlassungen im öffentlichen Sektor, sowie der wirtschaftliche Umbau Argentiniens haben die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen lassen und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Früchte der Reformen bis in die tiefsten Winkel der Gesellschaft durchgedrungen sind. Bis dahin kann noch vieles passieren: Interne Revolten, von außen herangetragene Schmutzkampagnen, außenpolitische Spannungen – das Minenfeld der Realpolitik ist in Argentinien nach wie vor nicht geräumt. Aber die ersten Erfolge Mileis sind unübersehbar und wenn er die Gelegenheit bekommt, sein Projekt fortzusetzen, wird es spannend sein zu sehen, ob und wie sich ein Land in kurzer Zeit zum Positiven verändern kann. Eine Lektion, von der viele andere Länder – inklusive Deutschland – womöglich bald lernen könnten.